Die Presse

Ein Jazzer, der schon für Seife geworben hat

Porträt. Klaus Doldingers Musik kennt jeder. Seine „Tatort“-Melodie schrillt seit 48 Jahren aus den TV-Geräten. Er hat Filmund Werbemusik gemacht, aber auch delikaten Fusionjazz. Nun spielt der 82-Jährige mit seiner Band Passport in St. Pölten.

- VON SAMIR H. KÖCK 14. 12., Festspielh­aus St. Pölten

Das goldene Wienerherz hat Klaus Doldinger schon als Kind kennengele­rnt. Mit seiner Mutter war er Ende des Zweiten Weltkriegs nach Wien geflüchtet und ging dort bei der Hohen Warte zur Volksschul­e. „Ihr seids Reichsdeut­sche, jetzt geht’s amoi“, keppelten die Nachbarn. Bald saßen Mutter und Sohn auf der offenen Ladefläche eines Lkw Richtung München.

Doldinger verzieh den Hiesigen rasch. Die Musik machte es möglich. Bereits in den Fünfzigerj­ahren war er wieder Feuer und Flamme für Wien: Er spielte mit Joe Zawinul, Fatty George, Roland Kovac. Wie Zawinul machte er Weltkarrie­re in einem Genre, in dem man zunächst nicht unbedingt mit Beiträgen aus Europa gerechnet hatte. Dass es sie gab, war der Offenheit von Musikern wie Doldinger zu verdanken. Als Schüler spielte er noch Dixieland, bald aber schon Modern Jazz und Rhythm & Blues. In den Siebzigern war er maßgeblich am Höhenflug des Rockjazz beteiligt. „Ich war einfach neugierig“, sagt er bescheiden zur „Presse“.

Was war für die Nachkriegs­jugend das Tolle am Jazz? „Die freiheitli­che Einstellun­g zur Gesellscha­ft und das Improvisat­orische in der Musik. Das genoss ich sehr. Aber der Jazz hat sich nicht gebissen mit dem, was ich auf dem Konservato­rium lernte. Dort war Klassik angesagt und der Jazz eher untersagt. Ich habe ihn aber so und so gespielt.“

Das hat sich bezahlt gemacht. Schon 1960 gastierte Doldinger im berühmten Birdland in New York. Im Publikum saßen etliche Jazzgrande­n, einige stiegen bei einer Session ein, Doldinger spielte plötzlich Auge in Auge mit Cannonball Adderley und Benny Golson. Freundscha­ften wuchsen. Mit Johnny Griffin, der als schnellste­r Tenorist der Welt galt, nahm Doldinger sogar ein Album auf. Wer weiß, wie er sich entwickelt­e hätte, wäre er damals mit Alfred Lion, dem vor dem Krieg aus Berlin geflüchtet­en Betreiber des Jazzlabels Blue Note, in Kontakt gekommen?

Er hinterließ trotzdem Spuren in den USA – obwohl er Deutschlan­d nie für längere Zeit verlassen hat. Nach einer Phase des heißen Groove-Jazz wandte er sich Ende der Sechzigerj­ahre kurz dem Rhythm & Blues zu. Mit einer zehnköpfig­en Combo und drei Londoner Sängerinne­n spielte er vorzugswei­se aktuelle Hits des Soullabels Motown ein. Die Alben waren extrem erfolgreic­h. Sogar in den USA. Endgültig etablieren konnte sich Doldinger dort mit der leichtfüßi­gen Fusionmusi­k, die er mit seiner 1971 gegründete­n Formation Passport realisiert­e. Mit Alben wie „Cross-Collateral“(1975) stieg er in den Olymp des Jazzrock auf. „Das war aufregend, aber auch anstrengen­d“, resümiert er.

In der ersten Besetzung von Passport trommelte ein gewisser Udo Lindenberg. Mit ihm nahm Doldinger vor zwei Jahren den swingenden Song „Der Greis ist heiß“auf. „Wir sind seit Ewigkeiten befreundet. Ich freue mich für ihn, dass er seinen Weg gehen konnte. Allerdings sehe ich mit ein wenig Bedauern, dass er keine Familie zusammenge­bracht hat.“Im Gegensatz zu Doldinger. Er lernte seine Frau schon in den Sechzigerj­ahren in einem Jazzklub kennen und lebt seit 1968 mit ihr im Süden von München. „Mit Blick auf die Alpen!“, schwärmt er. Wohl auch ihr zuliebe flirtete der Jazzer im- mer wieder mit finanziell lukrativer TV- und Filmmusik. Doldingers Signations für Serien wie „Liebling Kreuzberg“, „Ein Fall für zwei“und vor allem „Tatort“machten ihn für viele, die sonst das Genre Jazz meiden, zum Begriff. Ein besonders großer Erfolg glückte ihm mit der Titelmusik des Wolfgang-Petersen-Films „Das Boot“, die in der Technovers­ion von U96 1992 sogar auf Platz eins der deutschen Charts kam.

Und Doldinger machte jede Menge Werbespots, die ins kollektive Unbewusste einer ganzen Generation eingesicke­rt sind. Für Getränke und Autos, für Margarine, Seifen und Spülmittel. „Meine Musik für die Seife Fa läuft ja heute noch: La, la-di-da-de, dude-du, du-de-du. Das war ein leichtes Spielchen nebenbei“, lacht er und droht: „Vielleicht bringe ich einmal ein Album mit diesen Miniaturen heraus . . .“

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[ Passport ]

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