Ein Jazzer, der schon für Seife geworben hat
Porträt. Klaus Doldingers Musik kennt jeder. Seine „Tatort“-Melodie schrillt seit 48 Jahren aus den TV-Geräten. Er hat Filmund Werbemusik gemacht, aber auch delikaten Fusionjazz. Nun spielt der 82-Jährige mit seiner Band Passport in St. Pölten.
Das goldene Wienerherz hat Klaus Doldinger schon als Kind kennengelernt. Mit seiner Mutter war er Ende des Zweiten Weltkriegs nach Wien geflüchtet und ging dort bei der Hohen Warte zur Volksschule. „Ihr seids Reichsdeutsche, jetzt geht’s amoi“, keppelten die Nachbarn. Bald saßen Mutter und Sohn auf der offenen Ladefläche eines Lkw Richtung München.
Doldinger verzieh den Hiesigen rasch. Die Musik machte es möglich. Bereits in den Fünfzigerjahren war er wieder Feuer und Flamme für Wien: Er spielte mit Joe Zawinul, Fatty George, Roland Kovac. Wie Zawinul machte er Weltkarriere in einem Genre, in dem man zunächst nicht unbedingt mit Beiträgen aus Europa gerechnet hatte. Dass es sie gab, war der Offenheit von Musikern wie Doldinger zu verdanken. Als Schüler spielte er noch Dixieland, bald aber schon Modern Jazz und Rhythm & Blues. In den Siebzigern war er maßgeblich am Höhenflug des Rockjazz beteiligt. „Ich war einfach neugierig“, sagt er bescheiden zur „Presse“.
Was war für die Nachkriegsjugend das Tolle am Jazz? „Die freiheitliche Einstellung zur Gesellschaft und das Improvisatorische in der Musik. Das genoss ich sehr. Aber der Jazz hat sich nicht gebissen mit dem, was ich auf dem Konservatorium lernte. Dort war Klassik angesagt und der Jazz eher untersagt. Ich habe ihn aber so und so gespielt.“
Das hat sich bezahlt gemacht. Schon 1960 gastierte Doldinger im berühmten Birdland in New York. Im Publikum saßen etliche Jazzgranden, einige stiegen bei einer Session ein, Doldinger spielte plötzlich Auge in Auge mit Cannonball Adderley und Benny Golson. Freundschaften wuchsen. Mit Johnny Griffin, der als schnellster Tenorist der Welt galt, nahm Doldinger sogar ein Album auf. Wer weiß, wie er sich entwickelte hätte, wäre er damals mit Alfred Lion, dem vor dem Krieg aus Berlin geflüchteten Betreiber des Jazzlabels Blue Note, in Kontakt gekommen?
Er hinterließ trotzdem Spuren in den USA – obwohl er Deutschland nie für längere Zeit verlassen hat. Nach einer Phase des heißen Groove-Jazz wandte er sich Ende der Sechzigerjahre kurz dem Rhythm & Blues zu. Mit einer zehnköpfigen Combo und drei Londoner Sängerinnen spielte er vorzugsweise aktuelle Hits des Soullabels Motown ein. Die Alben waren extrem erfolgreich. Sogar in den USA. Endgültig etablieren konnte sich Doldinger dort mit der leichtfüßigen Fusionmusik, die er mit seiner 1971 gegründeten Formation Passport realisierte. Mit Alben wie „Cross-Collateral“(1975) stieg er in den Olymp des Jazzrock auf. „Das war aufregend, aber auch anstrengend“, resümiert er.
In der ersten Besetzung von Passport trommelte ein gewisser Udo Lindenberg. Mit ihm nahm Doldinger vor zwei Jahren den swingenden Song „Der Greis ist heiß“auf. „Wir sind seit Ewigkeiten befreundet. Ich freue mich für ihn, dass er seinen Weg gehen konnte. Allerdings sehe ich mit ein wenig Bedauern, dass er keine Familie zusammengebracht hat.“Im Gegensatz zu Doldinger. Er lernte seine Frau schon in den Sechzigerjahren in einem Jazzklub kennen und lebt seit 1968 mit ihr im Süden von München. „Mit Blick auf die Alpen!“, schwärmt er. Wohl auch ihr zuliebe flirtete der Jazzer im- mer wieder mit finanziell lukrativer TV- und Filmmusik. Doldingers Signations für Serien wie „Liebling Kreuzberg“, „Ein Fall für zwei“und vor allem „Tatort“machten ihn für viele, die sonst das Genre Jazz meiden, zum Begriff. Ein besonders großer Erfolg glückte ihm mit der Titelmusik des Wolfgang-Petersen-Films „Das Boot“, die in der Technoversion von U96 1992 sogar auf Platz eins der deutschen Charts kam.
Und Doldinger machte jede Menge Werbespots, die ins kollektive Unbewusste einer ganzen Generation eingesickert sind. Für Getränke und Autos, für Margarine, Seifen und Spülmittel. „Meine Musik für die Seife Fa läuft ja heute noch: La, la-di-da-de, dude-du, du-de-du. Das war ein leichtes Spielchen nebenbei“, lacht er und droht: „Vielleicht bringe ich einmal ein Album mit diesen Miniaturen heraus . . .“