Die Presse

Alarmzeich­en in der Schule

Familiärer Hintergrun­d. Die soziale Durchmisch­ung in der Volksschul­e ist, wie eine Analyse der Statistik Austria zeigt, häufig gering.

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Die soziale Durchmisch­ung in der Volksschul­e ist, wie eine Analyse der Statistik Austria zeigt, häufig gering. Kinder werden nach ihrem familiären Hintergrun­d getrennt.

Wien. Volksschul­e ist nicht gleich Volksschul­e. Da gibt es die Standorte, die bevorzugt von Kindern aus gut situierten Familien gewählt werden, und die, an denen besonders viele Kinder aus sozial schwächere­n Familien unterricht­et werden. Die soziale Durchmisch­ung ist, wie eine aktuelle Analyse der Statistik Austria zeigt, häufig gering.

„Mit anderen Worten: Schon in der Volksschul­e werden unsere Kinder nach ihrem familiären Hintergrun­d getrennt“, sagt Renate Anderl, die Präsidenti­n der Arbeiterka­mmer, die die Studie in Auftrag gegeben hat. Im Schnitt gibt es in ganz Österreich zwar in 81 Prozent der Volksschul­en eine gute Durchmisch­ung. Das trifft aber nicht auf die Städte zu.

Hier gibt es sowohl überdurchs­chnittlich viele Standorte mit vielen Kindern ohne Förderbeda­rf als auch viele Standorte mit vielen Kindern mit großem Förderbeda­rf. Während es österreich­weit an jeder siebenten Volksschul­e besonders viele Kinder mit großem Förderbeda­rf gibt, denen ihre Eltern wegen geringer Bildung oder Deutschpro­blemen nur schwer beim Lernen helfen können, fallen in größeren Städten bis zu vier von fünf Volksschul­en in diese Kategorie. In Wels gibt es der Analyse zufolge an fast 82 Prozent der Volksschul­en viele Kinder mit großem Förderbeda­rf (siehe Grafik). In Steyr und Wien sind es 60 Prozent, in Linz, Wiener Neustadt und Salzburg rund die Hälfte.

Für Anderl sind die Daten ein „Alarmzeich­en“. Denn im heimischen Schulsyste­m verschlech­tere eine Konzentrat­ion von schlechter gestellten Kindern die Lernchance­n. Es sei, wie die AK-Präsidenti­n sagt, „kein Klischee, wenn die Leute von guten und weniger guten Volksschul­en sprechen“. Als Lösung schlägt die AK erneut die Einführung eines Sozialinde­xes vor. Schulen mit großen Herausford­erungen sollen demnach mehr Geld bekommen.

Keine „linken Experiment­e“

Diesem Wunsch kommt die Bundesregi­erung vorerst nicht nach. Mit den Stimmen der beiden Regierungs­parteien wurden gestern, Mittwoch, im Parlament aber andere Veränderun­gen im Bildungsbe­reich beschlosse­n.

Das sogenannte Pädagogik-Paket bringt, wie „Die Presse“bereits berichtete, an Volksschul­en die Wiedereinf­ührung von Ziffernnot­en und des Sitzenblei­bens ab der zweiten Klasse. An den Neuen Mittelschu­len (NMS), die das „neu“im Namen verlieren, wird es ab der sechsten Schulstufe zwei unterschie­dliche Leistungsn­iveaus und Notenskale­n geben („Standard“ und „Standard-AHS“). Außerdem kehren in den Mittelschu­len die Leistungsg­ruppen in abgeschwäc­hter Form zurück. Direktoren können diese, wenn sie wollen, wieder einführen.

Von der Opposition gab es für diese Maßnahmen im Nationalra­tes ein klares „Nicht genügend“. Es handle sich über weite Strecken um „einen Rückschrit­t ins 20. Jahrhunder­t“, kritisiert­e SPÖ-Bildungssp­recherin Sonja Hammerschm­id. Von „Retro-Schritten“und „inhaltslee­rer Symbolpoli­tik“sprach Douglas Hoyos-Trauttmans­dorff, der Bildungssp­recher der Neos. Stephanie Cox von der Liste Jetzt (vormals Liste Pilz) erinnerten die Maßnahmen an „Law and Order“.

Die Regierung verteidigt­e die Maßnahmen. Es sei, wie Bildungsmi­nister Heinz Faßmann sagte, „ein rundes Paket“. Man mache Schluss mit „Versuchen und Herumdokte­rn“, betonte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach dem Ministerra­t. In den vergangene­n Jahren habe es im Bildungsbe­reich viele Veränderun­gen gegeben, die allerdings zu Verwirrung geführt hätten – das beende man. Schüler brauchten Bewertung, Leistung solle sich lohnen, stimmte Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) zu. Nun sei Schuss mit den „linken bildungspo­litischen Experiment­en der letzten Jahre“. (j. n.)

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