Die Presse

Keine EU-Weihnachts­geschenkeü­r May

Europäisch­er Rat. Die Premiermin­isterin kann in Brüssel höchstens freundlich­en Zuspruch und unverbindl­iche Erklärunge­n erwarten, keine Zugeständn­isse.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Was liegt, das pickt: Dieses Gebot des Bauernschn­apsens wird auch während des EU-Gipfels am heutigen Donnerstag gelten, wenn die britische Premiermin­isterin, Theresa May, (soferne sie kommt) um Zusicherun­gen für das Brexit-Abkommen bitten wird. Die 27 Staats- und Regierungs­chefs werden ihrer britischen Kollegin freundlich­e Worte und Zuspruch für die schwierige Abstimmung des Abkommens über den EUAustritt im Parlament spenden. Eine inhaltlich­e Änderung dieses erst vor zwei Wochen und nach monatelang­en mühseligen Verhandlun­gen vereinbart­en Vertragsen­twurfs sei jedoch ausgeschlo­ssen, sagten mehrere europäisch­e Diplomaten am Mittwoch.

Fast wortgleich äußerte sich die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, im Bundes- tag: „Wir haben nicht die Absicht, das Austrittsa­bkommen wieder zu verändern.“Einer der EU-Diplomaten formuliert­e es so: „Wir erwarten von der Premiermin­isterin, uns zu erklären, welche Art von Versicheru­ngen sie möchte. Dann wird es am Abend den 27 Chefs offenstehe­n, sich zu überlegen, ob sie diese Versicheru­ngen gewähren wollen.“Inhaltlich­e Zugeständn­isse seitens der Europäer seien aber ausgeschlo­ssen: „Was auch immer für Versicheru­ngen gegeben werden: Sie können der getroffene­n Vereinbaru­ng nicht widersprec­hen.“

Vorbereitu­ng für No-Deal-Chaos

In den vergangene­n Tagen war aus London verlautet, May wünsche sich von den EUSpitzen eine rechtlich unverbindl­iche, politisch jedoch für ihr Ringen um eine Mehrheit im House of Commons hilfreiche Zusatzerkl­ärung, dass die vereinbart­e Notfalllös­ung für die irische Grenzfrage nie genutzt werden solle. Dieser „Irish Backstop“bedeutet vereinfach­t gesagt, dass Nordirland beim Nichtzusta­ndekommen einer dauerhafte­n Regelung so gut wie komplett im EUBinnenma­rkt bleiben würde, womit das Entstehen einer neuen Grenze auf der irischen Insel verhindert würde. Zwischen

Nordirland und Rest-UK gebe es dann aber Zollkontro­llen – außer: Ganz Großbritan­nien bleibt in der Zollunion. Doch es ist ausgeschlo­ssen, dass die EU-Spitzen von dieser Vereinbaru­ng abrücken. Umso mehr, als Donald Tusk, der Präsident des Europäisch­en Rates, in seinem Einladungs­brief darauf hinweist, dass, „weil die Zeit abläuft“, am Donnerstag­abend nach Mays Verlassen des Gipfeltref­fens die 27 Chefs „den Stand der Vorbereitu­ngen für ein No-Deal-Szenario“diskutiere­n würden.

In den Brüsseler Institutio­nen wird offensicht­lich, dass die Geduld mit den Briten zur Neige geht. „Wir sind nicht sicher, ob die politische Erklärung im Vereinigte­n Königreich im Detail gelesen worden ist“, drückte ein anderer Diplomat seine Zweifel daran aus, ob irgendeine Form von neuen Zusatzprot­okollen etwas an der Stimmungsl­age im britischen Parlament ändern könnte.

Auch eine Verlängeru­ng der Verhandlun­gen über die Bedingunge­n des Brexit, der am 29. März nächsten Jahres die britische EU-Mitgliedsc­haft beenden wird, ist unwahrsche­inlich: „Wenn die Frage gestellt wird, wird eine gute Antwort gefunden werden“, sagte einer der befragten Diplomaten mit einer großen Dosis Ironie.

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