Die Presse

Sacharow-Preis für Senzow

EU-Parlament. Menschenre­chtspreis an den inhaftiert­en Filmemache­r Oleg Senzow verliehen. Seine Cousine nahm die Auszeichnu­ng entgegen.

- VON JUTTA SOMMERBAUE­R

Oleg Senzow konnte seine Auszeichnu­ng nicht persönlich entgegenne­hmen. Der ukrainisch­e Filmemache­r sitzt eine 20-jährige Haftstrafe in einer russischen Strafkolon­ie am Polarkreis ab. Er freue sich über die Verleihung des Preises, jedoch dürften die anderen politische­n Häftlinge nicht vergessen werden – mit diesen Worten soll sich Oleg Senzow für die gestrige Zuerkennun­g des Sacharow-Preises durch das Europaparl­ament bedankt haben.

Parlaments­präsident Antonio Tajani ehrte den Preisträge­r in einer Rede und forderte von den russischen Behörden Senzows Freilassun­g. Die EU verteidige Freiheit und Menschenre­chte, „auch außerhalb der Union“. „Ich hoffe, dass der Preis auf den russischen Staat Einfluss haben wird“, sagte Senzows Anwalt Dmitrij Dinse vor Journalist­en. Senzows Cousine Natalia Kaplan nahm den Preis entgegen. Die Auszeichnu­ng ist mit 50.000 Euro dotiert.

Der 42-jährige Filmemache­r war im Mai 2014 festgenomm­en worden, nachdem er gegen die Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim durch Russland protestier­t hatte. Moskau legte ihm die Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Organisati­on zur Last. Der Prozess wurde von Amnesty Internatio­nal als „unfaires Verfahren aufgrund politisch motivierte­r Anklagen“gewertet.

Senzow hielt heuer einen 145 Tage dauernden Hungerstre­ik ab, der ihn gesundheit­lich stark schwächte. Er wollte damit auf die Situation politische­r Gefangener aufmerksam machen. Senzow brach den Streik schließlic­h am 6. Oktober ab, unter Androhung von Zwangsernä­hrung. „Der Hungerstre­ik ist nicht unberührt an ihm vorübergeg­angen“, so Dinse. Es sei schwierig, Informatio­nen über den Gesundheit­szustand seines Mandanten zu bekommen. Derzeit arbeitet Senzow an einem neuen Filmprojek­t.

Michael Gahler von der Europäisch­en Volksparte­i hat den Prozess gegen Senzow verfolgt. Die Verleihung passe „sehr gut zum Erbe Andrej Sacharows“. Wie der sowjetisch­e Dissident und Kernphysik­er sei Senow ein „friedliche­r Mensch, der seine Meinung ausgesproc­hen hat“. Gahler betonte, dass der Fall Senzow bei internatio­nalen Diplomaten­treffen beständig zum Thema gemacht werden solle.

Ein Gnadengesu­ch von Senzows Mutter war im August vom Kreml abgelehnt worden; Senzow selbst müsse Präsident Wladimir Putin um Begnadigun­g ersuchen. Er hoffe, dass er den Preis wirklich verdiene, ließ Senzow den Parlamenta­riern in einem Brief ausrichten, den seine Cousine im Plenum verlas. „Sacharow war ein sehr kluger Mann. Er hat die Latte hoch gelegt.“

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