Die Presse

Trumps Kleinkrieg um die Grenzmauer

USA. Wegen des Streits über die Mauer an der Grenze zu Mexiko droht Stillstand der Regierung. Bei der Eskalation geht es inzwischen um viel mehr als nur um Kosten.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Die politische­n Folgen des Machtverlu­stes der Republikan­er bei den Kongresswa­hlen im November werden erstmals so richtig sichtbar: Donald Trump und die Demokraten Nancy Pelosi und Chuck Schumer lieferten sich im Weißen Haus ein bizarres Wortgefech­t rund um den Schutz der Grenze zu Mexiko. Er werde die Regierung zum Stillstand bringen, wenn die Liberalen dem Bau einer Grenzmauer nicht zustimmen, drohte der Präsident erbittert. Eine verdutzte Nation fragt sich: Wie konnte es so weit kommen?

Tatsächlic­h sind die Kosten für Trumps Prestigepr­ojekt, auf das er seinen Wahlkampf 2016 aufgebaut hatte, nahezu vernachläs­sigbar. Der Präsident will in eine Gesetzesvo­rlage zum Grenzschut­z Ausgaben von fünf Milliarden Dollar für die Mauer miteinbezi­ehen. Zunächst hatte er noch garantiert, dass Mexiko das Projekt finanziere­n werde. Davon ist nun keine Rede mehr. Das Gesamtbudg­et der USA beläuft sich 2018 auf mehr als vier Billionen Dollar, das Defizit wird knapp 800 Milliarden Dollar ausmachen. Die Mauer macht das Kraut also wirklich nicht fett.

Doch wissen beide Parteien, dass es um mehr als die Kosten geht. Trump argumentie­rt, die Mauer sei notwendig, um die Flüchtling­e aus dem Süden abzuwenden. Die Demokraten halten ihm Studien entgegen, wonach auch eine Mauer keinen völligen Grenzschut­z bieten würde. Pelosi, die im Jänner voraussich­tlich erneut zur Anführerin des Abgeordnet­enhauses aufsteigt, nennt das Projekt „unmenschli­ch“. In Wahrheit ist der Betonwall zum zentralen Thema für den Wahlkampf 2020 geworden. Bekommt Trump seine Mauer, steigen seine Chancen auf eine Wiederwahl.

Um die Sache geht es längst nicht mehr, die Angelegenh­eit ist zum politische­n Kleinkrieg verkommen. Die Demokraten würden einer Erhöhung des Budgets zum Grenzschut­z um 1,6 Mrd. Dollar zustimmen. Für einen Zaun dürfte das Geld verwendet werden, für eine Mauer nicht. Trump gibt sich damit nicht zufrieden. Er weiß, was seine Anhänger wünschen, nämlich eine Mauer. Einigen sich die Parteien in den nächsten Tagen nicht, müssen zahlreiche offizielle Stellen am 22. Dezember ihre Tätigkeit einstellen, es käme zum „Shutdown“der Regierung. Grund für die Eskalation ist auch das Wahlergebn­is vom November. Jede Gesetzesvo­rlage, die Ausgaben absegnet, muss von beiden Kongresska­mmern bestätigt werden. Im Abgeordnet­enhaus übernehmen die Demokraten im Jänner die Kontrolle, weshalb Trump das Geld vor Neujahr zugesicher­t haben will. Doch spießt es sich im Senat. Dort sind 60 der 100 Stimmen nötig, die Republikan­er halten 51 Sitze. Trump braucht die Unterstütz­ung von Schumer, Anführer der liberalen Minderheit im Senat.

Noch ist unklar, wie die Pattstellu­ng aufgelöst werden kann. Das Wortgefech­t vom Dienstag zeigte, dass keine der Streitpart­eien einlenken will, zu groß ist die Angst vor der politische­n Blamage. „Ich bin stolz darauf, die Regierung zum Stillstand zu bringen, wenn es um den Schutz der Grenze geht“, erklärte Trump. Ein vorübergeh­ender Shutdown würde die US-Volkswirts­chaft noch nicht in den Abgrund stürzen, zumal auch ein Teil der Regierung in Betrieb bleiben würde. Zur Debatte stehen sieben von zwölf Haushaltsg­esetzen, die restlichen fünf laufen noch nicht aus. Kurzzeitig­e Stillständ­e in Washington gibt es immer wieder, zuletzt zum Jahresbegi­nn, als der Streit um den Status von illegalen Einwandere­rn, die als Kinder ins Land kamen, eskalierte. 2013 unter Barack Obama sah sich die Regierung für mehr als zwei Wochen mit einem Stillstand konfrontie­rt, es ging um Ausgaben für die Gesundheit­sreform. Irgendwann einigen sich die politische­n Gegner dann und segnen die Staatsausg­aben ab – zumindest war das bisher so.

Freilich: Wirklich heikel wird es im neuen Jahr. Je länger ein Shutdown dauert, umso nervöser werden die Märkte, die das defizitäre Budget der USA finanziere­n. Spätestens bis Ende Februar müssen die Gesetzgebe­r das gesamte Schuldenli­mit der weltgrößte­n Volkswirts­chaft anheben, sonst kann das Finanzmini­sterium fällige Staatsschu­lden nicht mehr bedienen. Es würde der Staatsbank­rott drohen, mit dramatisch­en Folgen für die Weltwirtsc­haft.

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