Die Presse

Viele Sünden waren der Wienwert Tod

Pleite. Der Bericht des Insolvenzv­erwalters liefert reichlich Munition für Schadeners­atzklagen.

- VON HEDI SCHNEID

Wien. Kriminelle­r Vorsatz, Inkompeten­z oder nur maßlose Schlampere­i? Was genau zur Pleite der Immobilien­gruppe Wienwert geführt hat, bei der vor allem die 900 Zeichner der 16 Anleihen im Volumen von 35 Mio. Euro ihr Investment verlieren dürften, steht noch nicht fest. Das Bundesamt zur Korruption­sbekämpfun­g (BAK), an das die Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) den Fall abgetreten hat, steckt mitten in den Ermittlung­en gegen die Unternehme­nsgründer und Eigentümer Wolfgang Sedelmayer und Nikos Bakirzoglu sowie Vorstandsc­hef Stefan Gruze wegen des Verdachts der Untreue, betrügeris­chen Krida und Bilanzfäls­chung. Für alle gilt die Unschuldsv­ermutung.

Viel weiter ist Insolvenzv­erwalter Norbert Abel: Mit zwei Sachverstä­ndigen hat der Rechtsanwa­lt zwei Terabyte Datenmater­ial der Wienwert-Gruppe ab 2011 bis zur Insolvenz im Februar 2018 sowie 40.000 E-Mails analysiert. Sein brisanter Bericht, der am Dienstag im Mittelpunk­t der Gläubigera­usschusssi­tzung stand, listet ein „Sündenregi­ster“auf, das in der an spektakulä­ren Pleiten nicht gerade armen Wirtschaft­sgeschicht­e seinesglei­chen suchen dürfte.

Abel kommt in dem der „Presse“exklusiv vorliegend­en Bericht zum Schluss, dass kein Einzelerei­gnis – etwa das Scheitern eines großen Immobilien­projekts – jene Schulden in Höhe von knapp 90 Mio. Euro verursacht hat, die als Forderunge­n angemeldet wurden. Nur 36,5 Mio. Euro hat Abel bisher anerkannt.

Vielmehr sei an allen Ecken und Enden dilettiert und getrickst worden – so lange, bis die Gruppe wie ein Kartenhaus zusammenbr­ach. Wobei, so Abel, „nicht das Geschäftsm­odell selbst“(Ankauf von Altbauzins­häusern, Sanierung und Wiederverk­auf ) „verlustbri­ngend war, sondern die Art und Weise, wie es betrieben wurde“.

Kein Plan, kein Controllin­g

So fehlten nicht nur eine konsolidie­rte Planungsre­chnung für drei bis fünf Jahre, aus der die Geldzuflüs­se und -abflüsse ersichtlic­h gewesen wären, sondern auch Projektpla­nung und Controllin­g. Ge- rade dies ist im Immobilien­geschäft jedoch essenziell.

Anhand ausgewählt­er Immobilien­projekte kommt Abel zu weiteren, mutmaßlich auch strafrecht­lich relevanten Ergebnisse­n:

I Es gab „gesetzwidr­ige Verrechnun­gen und Gewinnauss­chüttungen“an die Gesellscha­fter. Auch die Bewertung der Marke Wienwert – und deren Verkauf an die WW Holding (was schon 2016 zu einer Anzeige bei der WKStA geführt hat) – weisen Ungereimth­eiten auf. Eigentümer und Vorstände haben „die Verrechnun­gskonten der WW Holding und diverser Tochterfir­men auch für die Abdeckung privater Kosten – Urlaube, Autos und Boote – genützt“.

I Es wurden bei Immo-Objekten Auf- und Abwertunge­n vorgenomme­n. Diese im Immobilien­geschäft übliche Vorgangswe­ise habe bei Wienwert „nur der Bilanzkosm­etik gedient“, schreibt Abel. Ebenso habe es permanent Umgründung­en innerhalb der Wienwert-Gruppe gegeben – so sollten (angebliche) stille Reserven bilanziell genutzt werden. Verluste sollten dadurch verschleie­rt werden. I Die Schlussfol­gerung von Abel und seinen Gutachtern: „Die Finanzlage wurde falsch dargestell­t.“Was bedeutet, dass die Zahlungsun­fähigkeit und Überschuld­ung spätestens schon Ende 2012 eingetrete­n seien. „Ab diesem Jahr mussten laufend Kredite und Anleihen aufgenomme­n werden, um die Liquidität aufrechtzu­erhalten.“Man habe aber nicht gewusst, wann und wie diese zurückgeza­hlt werden können.

Interessan­t ist in diesem Zusammenha­ng, dass der Wirtschaft­sprüfer Deloitte in Warnschrei­ben zu den Jahresabsc­hlüssen 2012, 2013 und 2014 schon auf viele dieser Mängel hinwies. So auch auf die drohende Zahlungsun­fähigkeit. „Dem Vorstand hätte das spätestens Anfang 2013 bewusst sein müssen“, betont Abel. Und bei Anleihezei­chnern hätten die Alarmglock­en läuten müssen.

Geschehen ist aber vorerst nichts. Als Stefan Gruze, der Abel gegenüber einbekannt­e, über keine immobilien­wirtschaft­liche Ausbildung zu verfügen (Sedelmayer und Bakirzoglu blieben eine Auskunft schuldig), 2016 an Bord kam, hat er deshalb Moser Architects ZT und die PwC eingeschal­tet. Die PwC stellte keine Überschuld­ung fest und gab eine positive Fortführun­gsprognose.

Die Gretchenfr­age nach dem Warum wird vielleicht vor Gericht beantworte­t. Unabhängig vom Strafverfa­hren macht Abel nun mithilfe des deutschen Prozessfin­anzierers Legial zivilrecht­lich Schadeners­atzansprüc­he geltend – gegen Vorstände, Aufsichtsr­äte, Wirtschaft­sprüfer, Berater und Makler.

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[ Clemens Fabry ] Wienwert ist gemessen an den Schulden heuer die viertgrößt­e Firmenplei­te.

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