Die Presse

Rote Zahlen für die blau-grüne Bahn

Eisenbahn. Die private Westbahn hat ihren Verlust im Vorjahr erneut ausgeweite­t. Mit Gewinnprog­nosen ist man mittlerwei­le eher vorsichtig geworden. Lieber spricht man über Investitio­nen.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Am Ende haben sich auch Mitarbeite­r der Westbahn am großen Streik beteiligt. Wenn auch nur eine „verschwind­end geringe Zahl“, wie es aus dem Unternehme­n heißt. Die ÖBB hatten am 26. November vorsorglic­h den gesamten Bahnverkeh­r für zwei Stunden gestoppt – und auch die Infrastruk­tur wurde bestreikt. Die Westbahn hätte also sowieso nicht fahren können. Trotzdem versuchte man, den Eindruck zu vermitteln, man stehe für die Passagiere Gewehr bei Fuß. Verständli­ch: Als privates Unternehme­n muss die Westbahn ohne staatliche Zuschüsse auskommen, sie lebt allein vom Geschäft. Da ist das Geld doppelt sauer verdient. Wie schwer das ist, zeigt ein Blick in die aktuelle Bilanz: Sowohl die Westbahn als auch die Muttergese­llschaft Rail Holding haben 2017 wieder rote Zahlen eingefahre­n. Und beide haben ihren Verlust im Vergleich zum Vorjahr deutlich ausgeweite­t.

Die Rail Holding schloss das vorige Geschäftsj­ahr mit 9,1 Mio. Euro Minus, nach 8,7 Mio. Euro im Jahr 2016. Auch das Betriebser­gebnis war negativ – mit knapp 40.000 Euro, wie aus dem Eintrag im Firmenbuch hervorgeht.

Westbahn-Chef Erich Forster spricht lieber über die Bilanz der operativen Westbahn-Gesellscha­ft, die zu 100 Prozent im Eigentum der Rail Holding steht. Weil dort das eigentlich­e Geschäft gemacht wird. Der Umsatz der Westbahn Management GmbH kletterte auf gut 60 Mio. Euro – fast vier Millionen mehr als ein Jahr davor. Und mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2012. Unter dem Strich stand trotzdem ein Minus von gut 70 Millionen Euro. „Wir haben über die Jahre jede Menge Anfangsver­luste kumuliert“, fasst es Forster zusammen. Soll heißen: Die hohen Investitio­nen, die durch die Ausweitung der Zugflotte angefallen sind, konnten durch das laufende Geschäft noch nicht wieder hereingesp­ielt werden.

Dabei war man anfangs zutiefst optimistis­ch: Die Westbahn hatte schon für ihr erstes volles Geschäftsj­ahr einen operativen Gewinn angepeilt. Bis es so weit war, dauerte es ein paar Jahre. 2016 gab es erstmals ein kleines Plus beim Gewinn vor Steuern. Dann nahmen die Eigentümer rund um den Hauptinves­tor Hans Peter Haselstein­er 180 Millionen Euro in die Hand, die Flotte wurde von sieben auf 17 Zuggarnitu­ren aufgestock­t.

Die Westbahn fährt seither im Halbstunde­ntakt zwischen Wien und Salzburg. Man kann jetzt auch am Praterster­n ein- und am Hauptbahnh­of zusteigen. Und ab April mit der Westbahn bis nach München fahren. Das alles schlägt zu Buche. „Das Bahngeschä­ft entwickelt sich extrem langsam, hat dann aber eine hohe Stabilität“, sagt Forster. Neue Züge würden im ersten Jahr „nur Kosten“verursache­n, weil sie erst durch das Zulassungs­verfahren müssen, bevor sie auf die Schiene dürfen. Lokführer müssten ein Jahr bei vollen Kosten ausgebilde­t werden. Außerdem dauere es bis zu zwei Jahre, bis die Kunden ein neues Angebot verinnerli­cht hätten. Forster ist vorsich-

macht den staatliche­n ÖBB seit Dezember 2011 auf der Strecke Wien–Salzburg Konkurrenz. An der Westbahn-Mutter Rail Holding hält Hans Peter Haselstein­er über seine Familienpr­ivatstiftu­ng 49,9 Prozent, der Schweizer Augusta Holding von Erhard Grossnigg gehören 32,7 Prozent. Weitere 17,4 Prozent hält die französisc­he Staatsbahn SNCF. Ab April fährt die Westbahn über eine Kooperatio­n dreimal täglich bis nach München. tig mit Prognosen. Wann also wird die private Westbahn profitabel sein? „Das kommt darauf an, wann wir wieder investiere­n“, sagt der Manager. Mit Zahlen hält man sich generell eher zurück. Nur so viel: Heuer habe man die zurückgele­gten Zugkilomet­er auf gut sieben Millionen verdoppelt. Die Auslastung ist zurückgega­ngen – es sind jetzt aber auch doppelt so viele Westbahnen unterwegs.

Voriges Jahr zählte man knapp fünf Millionen Kunden im Fernverkeh­r, heuer sollen es bis zu siebeinhal­b Millionen sein. Und die seien höchst zufrieden, sagt Forster: Die Westbahn sei in den Analysen der Kundenzufr­iedenheit „dramatisch besser“als der Mitbewerb. Das liege vor allem an den freundlich­en Mitarbeite­rn. Wenn sie nicht gerade streiken.

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[ Clemens Fabry ]

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