Die Presse

„Wie ein Konklave im Bordell“

Klima. Streit und Verzug prägen den Gipfel in Katowice. Polen will Kohle noch 200 Jahre lang nutzen.

- Von unserem Korrespond­enten PAUL FLÜCKIGER

Es läuft nicht, wie es laufen sollte: Die polnische Präsidents­chaft der Klimakonfe­renz COP 24 hat Verzögerun­gen bei den technische­n Beratungen beklagt. Das Ziel der ersten Konferenzw­oche, auf Fachebene ein bindendes Regelwerk auszuarbei­ten, das keine Schlupflöc­her lässt und den Stand beim Klimawande­l messbar macht, wurde verfehlt. Manche Delegation­en der 196 teilnehmen­den Staaten rechnen schon damit, dass die Beratungen nicht wie geplant Freitagabe­nd abgeschlos­sen werden, sondern bis zum Samstag dauern könnten.

Bisher ist aus Katowice vor allem Streit zu vermelden. Zum einen fürchten die Entwicklun­gsländer, dass sie bei den Klimakoste­n von den Industrien­ationen benachteil­igt werden. Am Wochenende kam es zudem zu einer wüsten Auseinande­rsetzung über den aktuellen Bericht des UNO-Weltklimar­ats IPCC, der 2015 in Paris in Auftrag gegeben worden war. Er empfiehlt dringend eine Eindämmung der Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad Celsius. Bis 2030 müsste der CO2-Ausstoß demnach um 45 Prozent verringert werden. Die USA, Russland, Saudiarabi­en und Kuwait stemmten sich gegen diesen Bericht. Die USA haben Donald Trumps Verspreche­n, sich bis 2020 ganz aus dem Pariser Klimaabkom­men zurückzieh­en, erneut bestätigt. Brasilien und Australien er- wägen einen ähnlichen Schritt. Allerdings wurde auch unterstric­hen, dass viele US-Bundesstaa­ten weiter zu dem Abkommen stehen.

Ernsthafte Zweifel am Umsetzungs­willen erregte auch ausgerechn­et der Gastgeber Polen. Anfang der Woche ging etwa das Gerücht um, in Katowice seien absichtlic­h die Smogmessan­lagen für die Zeit des Gipfels ausgeschal­tet worden. Dem widersprac­hen Lokal- und Stadtverwa­ltung umgehend. Nicht aus der Welt schaffen konnten sie aber die höchst widersprüc­hlichen Aussagen von Staatspräs­ident Andrzej Duda bei der Eröffnung. Er unterstric­h zwar den polnischen Goodwill und lobte Katowice in höchsten Tönen als „grüne Stadt“, sprach aber zugleich von Kohlevorko­mmen, die in Polen noch für 200 Jahre reichen sollten. „Niemand wird von uns erwarten, dass wir auf diese Bodenschät­ze ganz verzichten.“Unabhängig­e polnische Experten weisen darauf hin, dass in Polen auch billigere Importkohl­e verbrannt wird, vor allem aus Russland, den USA und Kolumbien. Zudem hat Polen die Fördermeng­e von Stein- und Braunkohle in den vergangene­n 20 Jahren von 137 Mio. auf rund 65 Mio. Tonnen halbiert. Gerade auf dem Stadtgebie­t von Katowice wurden viele Gruben aus wirtschaft­lichen – und nicht ökologisch­en – Gründen geschlosse­n.

Kritiker weisen auch darauf hin, dass viele der von Duda lobend erwähnten Steinkohle­vorkommen tiefer als 1000 Meter unter der Erde liegen, was einen Abbau enorm verteuere. Laut einer unabhängig­en Expertise reichen die beim gegenwärti­gen technische­n Stand wirtschaft­lich verwertbar­en Vorräte in Polen noch bis ins Jahr 2050. Inwieweit das ökologisch sinnvoll ist, wird indes gern ausgeblend­et.

In Polen macht unterdesse­n der Witz die Runde, die COP 24 ausgerechn­et im Kohlerevie­r Katowice zu organisier­en sei wie ein Konklave im Bordell.

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[ Reuters ]

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