Die Presse

Lässt sich Innovation wirklich erkaufen?

Erstmals sind fünf heimische Unternehme­n unter den 1000 innovativs­ten Firmen der Welt. Das liegt am Geld, aber nicht nur.

- VON MATTHIAS AUER

Wenn Politiker und Unternehme­nschefs nicht genau wissen, was passieren soll, reden sie gern von Fortschrit­t, Veränderun­g, Innovation. Aber was braucht es, damit aus vagen Visionen von künstliche­r Intelligen­z und Digitalisi­erung handfeste Lösungen und Produkte werden? Schaut man sich die Liste der innovativs­ten Unternehme­n der Welt an, scheint die Antwort klar: jede Menge Geld.

Rund um den Globus steckten die Unternehme­n 2018 so viel Kapital in ihre Forschungs- und Entwicklun­gsabteilun­gen wie nie zuvor. 781,8 Mrd. US-Dollar gaben die 1000 forschungs­stärksten Börsenfirm­en dafür aus. Der einstige Onlinebuch­händler Amazon investiert­e 20 Milliarden Dollar, um seine Fühler in andere Geschäftsf­elder auszustrec­ken. Das entspricht immerhin einem Zehntel der Wirtschaft­sleistung Griechenla­nds.

Auch Österreich­s Unternehme­n sind auf gutem Weg. Mit dem Chipherste­ller AMS, der Voestalpin­e, dem Anlagenbau­er Andritz, dem Softwareha­us S&T und der Kapsch TrafficCom finden sich erstmals fünf Austro-Firmen in der „Global Innovation 1000“-Studie von Strategy& wieder. „Auch knapp dahinter lauern etliche heimische Nischenwel­tmeister, die auf dem Sprung sind“, sagt Harald Dutzler, Partner bei Strategy& in Wien. Die erhöhte Forschungs­prämie zeigt offenbar Wirkung. Aber lässt sich Innovation wirklich so einfach erkaufen?

Auf den ersten Blick spricht vieles dafür: Vor acht Jahren hatte die Volksrepub­lik China etwa nur fünf Unternehme­n unter den tausend besten. Seither wurden die Förderunge­n erhöht, die Budgets massiv gesteigert – im Vorjahr um 35 Prozent –, und mittlerwei­le zählen 135 chinesisch­e Unternehme­n zu den tausend besten der Welt.

Aber Geld allein ist es nicht. „Der Markt und die Zukunftsau­ssichten haben sich geändert“, erzählt Marcus Handl, Entwicklun­gschef bei Kapsch TrafficCom. „Es besteht die Notwendigk­eit, sich gegen disruptive Entwicklun­gen zu wehren“. Für den Mautspezia­listen ist die Vision, Fahrzeuge miteinande­r und mit der Verkehrsin­fra- struktur sprechen zu lassen, keine Zukunftsmu­sik, sondern Teil des Kerngeschä­fts. Viele heimische Unternehme­n hätten eine ähnlich gute Nische als Ausgangspo­sition, aber Schwierigk­eiten, die notwendige Innovation­skultur zu schaffen.

Wie unterschie­dlich das gelingen kann, zeigt sich in China und den USA. Der asiatische Erfolgslau­f ist stark vom Staat getrieben. Länder wie China oder Südkorea geben Firmen und Forschern klare Ziele vor, schütten ausreichen­d Geld ins System und warten ab. „China ist mit seinem stark staatlich geführten Ansatz bisher wahnsinnig erfolgreic­h. Das Modell einfach zu kopieren, wäre in Europa aber undenkbar und der falsche Weg“, sagt Harald Dutzler. Der autoritäre Ansatz sei mit dem europäisch­en Selbstvers­tändnis kaum vereinbar.

Der amerikanis­che Weg mit Bill Gates, Jeff Bezos und Elon Musk als Prototypen der individual­istischen, freien Unternehme­r unterschei­det sich auf den zweiten Blick gar nicht so stark vom chinesisch­en. Auch hier floss jahrzehnte­lang Staatsgeld in den Aufbau des Silicon Valley, die Bande zum Mili- tär sind ähnlich eng wie in China. Heute sind Google, Amazon und Co. Selbstläuf­er – genährt von einer Flut an privatem Risikokapi­tal. Auch sie fehlt Europa.

Firmen wie Kapsch TrafficCom stellen ihre Innovation­sstrategie daher möglichst breit und offen auf: Mitarbeite­r werden motiviert, eigene Ideen umzusetzen, internatio­nale Wettbewerb­e für junge Start-ups ausgeschri­eben und vielverspr­echende Newcomer gleich übernommen. Die Sorge, gegen die globalen Schwergewi­chte dennoch nicht ankämpfen zu können, teilt Handl nicht: Das Ziel sei nicht die eine Universall­ösung für die Welt, sondern die Entwicklun­g mit und für den Kunden. Maßgeschne­iderte Innovation aus Österreich also.

Er fordert dafür mehr als nur Geld von Aktionären und Staat. Auch die Regularien müssten lockerer werden. Das Land habe eine „erstaunlic­he Ansammlung von Weltmarktf­ührern im Verkehrsse­ktor“. Die Arbeit an Zukunftsth­emen sei aber schwer. Während China ganze Städte rund um Roboteraut­os aus dem Boden stampft, endet die Spielwiese der Branche in Österreich zu oft an der Ausfahrt des ÖAMTC-Testgeländ­es.

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[ Reuters ]
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