Schlägerei auf der Weihnachtsfeier kann ein Arbeitsunfall sein
Arbeitsrecht. Mit unliebsamen Folgen von betrieblichen Weihnachtsfeiern muss sich der Oberste Gerichtshof immer wieder beschäftigen. Ein Auszug.
Den Arbeitsalltag vergessen, einmal ungezwungen beisammen sein und feiern, das ist das Motto der meisten Weihnachtsfeiern. Alles schön und gut. Nur zu ausgelassen sollte es nicht werden. Die bevorstehenden Feiertage und vor allem Alkoholkonsum führen bei dem einen oder anderen Teilnehmer zu Verhaltensweisen und Aktionen, die er schon kurz darauf bereut. „So kommt es, dass so mancher Arbeitnehmer – aber auch Arbeitgeber – im Laufe des Abends vergisst, dass es sich um eine Betriebsfeier handelt“, sagt Anwältin Natalie Hahn (Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte).
Ein Fehler, denn für ein betriebliches Weihnachtsevent gelten andere Regeln als für eine private Feier. „Weihnachtsfeiern fallen grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgesetzes. Daher sind anzügliche Handlungen, wie freizügige Witze, Bemerkungen über die Figur, unerwünschte Einladungen, Po-Kneifen usw. generell unangebracht. Es kann sich dabei um sexuelle Belästigung handeln.“
Wenn ein Arbeitgeber bemerkt, dass sich ein Mitarbeiter ungebührlich verhält, ist Wegschauen keine Option: „Im Rahmen der ihn treffenden Fürsorgepflicht ist der Chef gut beraten, einschlägige Übergriffe zu unterbinden. So kann er als Veranstalter der Weihnachtsfeier einen betrunkenen Arbeitnehmer, der etwa die Stimmung gefährdet, jedenfalls nach Hause schicken“, sagt Hahn. Das ist für den Arbeitnehmer zu seinem eigenen Schutz oft die beste Variante.
Einige von ihnen fühlen sich nämlich nach dem einen oder anderen Gläschen dazu bemüßigt, dem Vorgesetzten zu erklären, welche Fehler er gemacht hat, oder werden überhaupt ausfällig. „Das kann für den Arbeitnehmer unter Umständen sehr wohl zu einer Entlassung führen“, sagt Arbeitsrechtsexperte Stephan Nitzl (DLA). Allerdings muss es sich dabei schon um manifeste Verfehlungen handeln, wie eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 26. 1. 2018 zeigt. Ein Betriebsrat (er genießt einen besonderen Kündigungsschutz) tätigte im Zuge seiner Weihnachtsfeieransprache Äußerungen, durch die sich der Arbeitgeber brüskiert fühlte. Für den OGH war dies allerdings kein Grund, der eine Entlassung oder Kündigung gerechtfertigt hätte. Apropos: Wenn ein Mitarbeiter die Weihnachtsrede des Managements mit lauten Buhrufen quittiert, darf er deshalb nicht entlassen werden, sagt Anwalt Nitzl. Dennoch würde er jedem Mitarbeiter aus anderen Gründen abraten, seinen Unmut auf diese Art und Weise zu äußern. „Karrieretechnisch tut man sich damit sicher keinen Gefallen.“ Leider kommt es bei solch feuchtfröhlichen X-Mas-Feiern auch immer wieder zu hitzigen Debatten und Handgreiflichkeiten. Mit welcher Konsequenz muss ein Arbeitnehmer also rechnen, der einem Kollegen seine Faust auf die Nase drückt? Das kommt ganz auf den Einzelfall an, so der OGH. „Wenn der Arbeitgeber aufgrund der Schlägerei jegliches Vertrauen in seinen Mitarbeiter verliert oder Sorge haben muss, dass der Ruf seines Unternehmens aufgrund der Eskapaden Schaden nimmt, kann das den Arbeitnehmer durchaus den Job kosten“, erklärt Hahn. Aber auch wenn die Faustschläge dazu führen, dass das Betriebsklima und die zwischenmenschlichen Beziehungen im Unternehmen nachhal- tig gestört sind, kann eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein, judiziert der OGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2003. Freilich muss der Arbeitgeber dabei berücksichtigen, ob es sich bei dem besagten Mitarbeiter um einen an sich verlässlichen handelt oder einen, der schon bisher negativ aufgefallen ist. Womit sich die nächste Frage stellt: Sind die Verletzungen, die sich der Arbeitnehmer bei der Schlägerei zuzieht, rechtlich als Arbeitsunfall zu qualifizieren? Auch darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Entscheidend ist nämlich laut OGH, ob der Alkohol der Hauptauslöser für die Handgreiflichkeiten war oder es einen betrieblichen Zusammenhang gegeben hat. Natalie Hahn: „Wenn sich zwei in den Haaren liegen, weil sie unterschiedliche Auffassungen über die Unternehmensstrategie oder den Charakter des Chefs haben, ist eine Qualifikation als Arbeitsunfall wahrscheinlich. Wenn einer aggressiv geworden ist, weil er zu viel intus hatte, hingegen nicht.“