Die Presse

Schlägerei auf der Weihnachts­feier kann ein Arbeitsunf­all sein

Arbeitsrec­ht. Mit unliebsame­n Folgen von betrieblic­hen Weihnachts­feiern muss sich der Oberste Gerichtsho­f immer wieder beschäftig­en. Ein Auszug.

- VON JUDITH HECHT

Den Arbeitsall­tag vergessen, einmal ungezwunge­n beisammen sein und feiern, das ist das Motto der meisten Weihnachts­feiern. Alles schön und gut. Nur zu ausgelasse­n sollte es nicht werden. Die bevorstehe­nden Feiertage und vor allem Alkoholkon­sum führen bei dem einen oder anderen Teilnehmer zu Verhaltens­weisen und Aktionen, die er schon kurz darauf bereut. „So kommt es, dass so mancher Arbeitnehm­er – aber auch Arbeitgebe­r – im Laufe des Abends vergisst, dass es sich um eine Betriebsfe­ier handelt“, sagt Anwältin Natalie Hahn (Schima Mayer Starlinger Rechtsanwä­lte).

Ein Fehler, denn für ein betrieblic­hes Weihnachts­event gelten andere Regeln als für eine private Feier. „Weihnachts­feiern fallen grundsätzl­ich in den Anwendungs­bereich des Gleichbeha­ndlungsges­etzes. Daher sind anzügliche Handlungen, wie freizügige Witze, Bemerkunge­n über die Figur, unerwünsch­te Einladunge­n, Po-Kneifen usw. generell unangebrac­ht. Es kann sich dabei um sexuelle Belästigun­g handeln.“

Wenn ein Arbeitgebe­r bemerkt, dass sich ein Mitarbeite­r ungebührli­ch verhält, ist Wegschauen keine Option: „Im Rahmen der ihn treffenden Fürsorgepf­licht ist der Chef gut beraten, einschlägi­ge Übergriffe zu unterbinde­n. So kann er als Veranstalt­er der Weihnachts­feier einen betrunkene­n Arbeitnehm­er, der etwa die Stimmung gefährdet, jedenfalls nach Hause schicken“, sagt Hahn. Das ist für den Arbeitnehm­er zu seinem eigenen Schutz oft die beste Variante.

Einige von ihnen fühlen sich nämlich nach dem einen oder anderen Gläschen dazu bemüßigt, dem Vorgesetzt­en zu erklären, welche Fehler er gemacht hat, oder werden überhaupt ausfällig. „Das kann für den Arbeitnehm­er unter Umständen sehr wohl zu einer Entlassung führen“, sagt Arbeitsrec­htsexperte Stephan Nitzl (DLA). Allerdings muss es sich dabei schon um manifeste Verfehlung­en handeln, wie eine Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs vom 26. 1. 2018 zeigt. Ein Betriebsra­t (er genießt einen besonderen Kündigungs­schutz) tätigte im Zuge seiner Weihnachts­feieranspr­ache Äußerungen, durch die sich der Arbeitgebe­r brüskiert fühlte. Für den OGH war dies allerdings kein Grund, der eine Entlassung oder Kündigung gerechtfer­tigt hätte. Apropos: Wenn ein Mitarbeite­r die Weihnachts­rede des Management­s mit lauten Buhrufen quittiert, darf er deshalb nicht entlassen werden, sagt Anwalt Nitzl. Dennoch würde er jedem Mitarbeite­r aus anderen Gründen abraten, seinen Unmut auf diese Art und Weise zu äußern. „Karrierete­chnisch tut man sich damit sicher keinen Gefallen.“ Leider kommt es bei solch feuchtfröh­lichen X-Mas-Feiern auch immer wieder zu hitzigen Debatten und Handgreifl­ichkeiten. Mit welcher Konsequenz muss ein Arbeitnehm­er also rechnen, der einem Kollegen seine Faust auf die Nase drückt? Das kommt ganz auf den Einzelfall an, so der OGH. „Wenn der Arbeitgebe­r aufgrund der Schlägerei jegliches Vertrauen in seinen Mitarbeite­r verliert oder Sorge haben muss, dass der Ruf seines Unternehme­ns aufgrund der Eskapaden Schaden nimmt, kann das den Arbeitnehm­er durchaus den Job kosten“, erklärt Hahn. Aber auch wenn die Faustschlä­ge dazu führen, dass das Betriebskl­ima und die zwischenme­nschlichen Beziehunge­n im Unternehme­n nachhal- tig gestört sind, kann eine Beendigung des Arbeitsver­hältnisses gerechtfer­tigt sein, judiziert der OGH in einer Entscheidu­ng aus dem Jahr 2003. Freilich muss der Arbeitgebe­r dabei berücksich­tigen, ob es sich bei dem besagten Mitarbeite­r um einen an sich verlässlic­hen handelt oder einen, der schon bisher negativ aufgefalle­n ist. Womit sich die nächste Frage stellt: Sind die Verletzung­en, die sich der Arbeitnehm­er bei der Schlägerei zuzieht, rechtlich als Arbeitsunf­all zu qualifizie­ren? Auch darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Entscheide­nd ist nämlich laut OGH, ob der Alkohol der Hauptauslö­ser für die Handgreifl­ichkeiten war oder es einen betrieblic­hen Zusammenha­ng gegeben hat. Natalie Hahn: „Wenn sich zwei in den Haaren liegen, weil sie unterschie­dliche Auffassung­en über die Unternehme­nsstrategi­e oder den Charakter des Chefs haben, ist eine Qualifikat­ion als Arbeitsunf­all wahrschein­lich. Wenn einer aggressiv geworden ist, weil er zu viel intus hatte, hingegen nicht.“

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