Wie sich die börsenotierte FACC ihrer Vergangenheit stellt
Cybercrime. Nach einem Cyber-Fraud klagt die börsenotierte FACC zwei frühere Vorstände auf Millionen. Der Vorwurf: Die beiden hätten ihre Überwachungspflichten verletzt. Warum nicht auch der amtierende Chef und der Aufsichtsratsvorsitzende zu Verantwortun
Der börsenotierte Flugzeugkomponentenhersteller FACC klagt zwei seiner ehemaligen Vorstände auf zehn Mio. Euro Schadenersatz. Sie hätten es verabsäumt, für die Einrichtung eines sogenannten Internen Kontrollsystems (IKS) zu sorgen und ihre Überwachungspflichten verletzt. So lauten die Vorwürfe des Unternehmens, die beide Beklagte vehement zurückweisen.
Im Zeitraum vom 22. Dezember 2015 bis 13. Jänner 2016 ereignete sich bei der FACC ein sogenannter Fake-President-Fraud, der auf den ersten Blick einem Sketch aus der Sendung „Verstehen Sie Spaß?“gleicht. Aber es handelte sich um keinen Scherz, als eine Mitarbeiterin der Finanzabteilung scheinbar von ihrem Vorgesetzten in vertraulichen Mails aufgefordert wurde, rund 54 Mio. Euro auf asiatische und slowakische Konten zu überweisen. Sie tat, wie ihr geheißen. Dass sie es auch allein tun konnte – schließlich handelte es sich hier nicht um die Überweisung von ein paar Euro – erboste nicht nur die Aktionäre maßlos. Im Fe- bruar 2016 schließlich wurde die Finanzchefin, Minfen Gu, mit sofortiger Wirkung vom Aufsichtsrat abberufen und im Mai 2016 der damalige Firmenchef, Walter Stephan. Der technische Vorstand, Robert Machtlinger, wurde nicht zur Verantwortung gezogen. Im Gegenteil, er beerbte Walther Stephan und ist seit 2016 Chef der FACC.
Viele erstaunt es, dass sich die FACC mit ihrem Schritt zu Gericht so lange Zeit gelassen hat. Denn schon im Februar 2016 hieß es in einer Unternehmensmitteilung, der neu bestellte Vorstand sei schon dabei, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Vor allem werde geprüft, ob auch die ManagerHaftpflichtversicherungen (D&OVersicherung) von Stephan und Gu in die Pflicht genommen werden können. Doch Letzteres scheint bis dato nicht funktioniert zu haben. Nur so ist zu erklären, dass das Einbringen der Klage bis 2018 gedauert hat. Vielleicht will die FACC die Versicherung auf diese Weise zu einer teilweisen Deckung des Schadens bewegen. Der Anwalt des Unternehmens wollte zu dieser und allen anderen Fragen keine Stellung nehmen, zu laufenden Verfahren sage die FACC nichts, so die Antwort an die „Presse“.
Doch im Zusammenhang mit der Klage gibt es auch noch einige andere Fragen, die sich Aktionäre des börsenotierten Unternehmens stellen. Ein davon lautet: Warum wurden nur Walter Stephan und Minfen Gu geklagt und nicht alle damals amtierenden Vorstände? Dazu zählt auch Machtlinger, der seit 2014 zur Leitung des Unternehmens gehört.
„Nach einhelliger Auffassung zählt das interne Kontrollsystem zu jenen Aufgaben, die der Vorstand in seiner Gesamtverantwortung wahrzunehmen hat“, sagt Susanne Kalss, Professorin am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU Wien. Die Tatsache, dass IKS einem Vorstand im Ressort zugeteilt ist, ändere an dieser gemeinsamen Verantwortung nichts. „Warum wurde Robert Machtlinger also nicht auch geklagt?“, fragt sich Gesellschaftsrechtsexperte Stephan Frotz. Jedenfalls unterliege Machtlinger, wenn er in Vertretung der Gesellschaft gegen die ehemaligen Vorstände vorgeht, einem In- teressenkonflikt: „Schließlich geht es ja in diesem Fall auch um seine Verantwortung in der Vergangenheit“, so der Anwalt.
Dasselbe gelte für den jetzigen Aufsichtsratschef, Ruguang Geng, der seine Überwachungsverpflichtung damals verletzt habe, sagt der Gesellschaftsrechtsexperte. „Denn der Gesamtvorstand hat für ein IKS zu sorgen, aber der Aufsichtsrat, insbesondere der Prüfungsausschuss, hat zu kontrollieren, ob ein solches auch tatsächlich existiert und vor allem funktioniert. Das hat der Aufsichtsrat offenbar verabsäumt und ist damit mit im Boot.“
Tatsächlich wurden bis auf Ruguang Geng auch alle Aufsichtsräte von damals ratzfatz ausgetauscht. Geng jedoch, der schon seit 2009 den Vorsitz des Kontrollgremiums innehat, behielt seine Funktion als Einziger. Dabei hätte er in den vielen Jahren seiner Tätigkeit bemerken müssen, dass es mit dem IKS bei der FACC nicht zum Besten steht. „Wie kann es sonst möglich sein, dass eine einzelne Person 54 Mio. Euro allein zur Überweisung freigeben kann? Der Aufsichtsrat hätte sich vergewissern müssen, dass es etwas wie ein abgestuftes Pouvoir gibt“, sagt Frotz. „All das ist im Übrigen auch ein Thema der Compliance. Wer hat sich denn darum gekümmert? Schließlich handelt es sich bei der FACC um keine Trafik, sondern um ein Unternehmen, das an der Börse notiert.“Für den Experten riecht all das „nach geteilter Verantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat“.
Ungeklärt ist bis dato auch noch, welches Verschulden die Abschlussprüfer tragen, denn im Zuge der Prüfung des Jahresabschlusses haben sie das IKS zu kontrollieren.
Die Neubesetzung des Aufsichtsrats nach dem Fraud-Skandal erregt übrigens bis heute die Kleinaktionäre der FACC. Von einer diversen Besetzung, wie sie das österreichische Aktiengesetz vorsieht, kann keine Rede sein. Elf der zwölf Aufsichtsräte, die der chinesische Hauptaktionär bestellt hat, sind Chinesen. Nur eine von ihnen ist eine Frau. Frotz: „Man fragt sich schon, wer in diesem Kontrollgremium überhaupt etwas vom österreichischen Aktienrecht versteht.“