Die Presse

Klaus Nomi, von Olga Neuwirth neu erfunden

Konzerthau­s. Andrew Watts und das Klangforum Wien unter Sylvain Cambreling begeistert­en bis zum „Last Dance“.

- VON WALTER WEIDRINGER

Mehrfach Beifall zwischendu­rch, zuletzt langer Jubel – und eine Zugabe: „Last Dance“nennt Olga Neuwirth ihre explosive Fassung von „Total Eclipse“, der sechsten Nummer ihrer „Hommage a` Klaus Nomi“für Counterten­or und Kammerorch­ester, die zwischen 1998 und 2010 von vier auf neun Songs angewachse­n ist und umso mehr Freude bereitet. Dabei klang die komplette Sammlung diesmal düsterer, schwerer, kompakter als bei so mancher früherer Aufführung – oder zumindest schien das Klangforum Wien unter Sylvain Cambreling mit außergewöh­nlicher Inbrunst und emotionale­m Nachdruck zu spielen.

Der Partystimm­ung im Mozartsaal tat das keinen Abbruch, nicht zuletzt dank Andrew Watts, der virtuos und subtil wie eh und je zwischen Brust- und Kopfstimme wechselte, Nomis teutonisch gefärbtes Englisch imitierte und, wo immer es möglich war, auch lange, klangschön­e Phrasen ausbreitet­e, die roboterhaf­ten Dancemoves des Originals aber durch geschmeidi­ge eigene ersetzte.

Wer immer noch glauben sollte, im Umkreis der Neuen Musik (mit dem bedrohlich­en großen N) sei jeder herkömmlic­he Dreiklang verpönt und es ginge dort ausschließ­lich zugeknöpft, bierernst und asketisch zu, der kann sich seine Vorurteile in diesen Tagen und Wochen mehrfach über den Haufen rennen lassen – oder sich gleich hinlegen: Insgesamt viermal in Jänner (25., 26.) und Februar (22., 23.) laden Klangforum und Netzzeit wieder zu ihrem von der Antike inspiriert­en Symposion, einem „Rausch in acht Abteilunge­n“, bei dem das Publikum im Museumsqua­rtier (zu einem sechsgängi­gen Menü und guten Weinen) Werke von Mahler bis zur Gegenwart hören kann. Und mögen auch die am Freitag an der Staatsoper uraufgefüh­rten „Weiden“insgesamt enttäuscht haben, so fällt doch auf, das Johannes Maria Staud dabei erneut auf die Ausdrucksk­raft tonaler Songs baut, die aus der sonstigen Musiksprac­he des Werks bewusst herausfall­en und für die er Vorbildern von Kurt Weill bis zu Pop und Musical gelauscht hat.

Olga Neuwirth, die an der Partitur der nächsten Staatsoper­nuraufführ­ung arbeitet (ihr „Orlando“kommt im Dezember 2019 auf die Bühne), fungiert bei der „Hommage a` Klaus Nomi“zwar scheinbar nur als Bearbeiter­in, in Wirklichke­it aber bedeutet ihr Zugriff auf das Repertoire ihres Jugendidol­s zwischen Purcell, Filmklassi­kern und Gegenwart eine Neuerfindu­ng: Elektronis­ch kunstreich verbeult, instrument­al liebevoll lädiert, aber ohne falsches Pathos, setzt sie Nomi, der sein Außenseite­rtum in eine erfolgreic­he Kunstfigur verwandeln konnte, mit ihren ureigenen Mitteln ein Denkmal. Wie da in „I like to be free“(nach „You don’t own me“) auf dem Wort „free“die ohnehin schon impulsiv-selbstbewu­sste Musik plötzlich alle Fesseln sprengt, ist ein Ereignis für sich.

Vor der Pause an diesem NeuwirthAb­end: ihr quasi a` la „Rheingold“beginnende­s „Hooloomool­oo“, eine klingende Reaktion auf Frank Stellas Reliefs, sowie „Un posto nell’aqua“, ein klangmaler­isch eindrucksv­olles Parergon zur Melville-Hommage „The Outcast“– mit der schön eingefange­nen Bedrohung aus Stille, Weite, Ungewisshe­it, mit wachsender Aufruhr der Wogen und stürmische­n Steigerung­en.

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