Die Presse

Bruce Lee oder Jackie Chan?

Film. „Das schönste Land der Welt“von Zelimirˇ Zilnik,ˇ ein außergewöh­nlicher Film über das Alltagsleb­en von Flüchtling­en in Wien.

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„Oachkatzls­chwoaf“ist ein gewöhnungs­bedürftige­s Wort, das gibt die Deutschleh­rerin zu. Doch die Migrantenk­lasse lässt sich nicht entmutigen. Zungenbrec­her gibt es auch in anderen Sprachen – und vor denen muss selbst die Tutorin lachend kapitulier­en. Die Stimmung im Sprachkurs ist gut, auch wenn Deutsch manchmal frustriere­nd sein kann; schließlic­h sind alle Anwesenden vom Wunsch geleitet, in Österreich eine neue Heimat zu finden. Bis dahin gilt es schlicht, den Alltag zu bewältigen – oftmals in banger Erwartung eines Asylbesche­ids.

Ebendiesen Alltag porträtier­t der serbische Politkino-Veteran Zˇelimir Zˇilnik in seiner jüngsten, überwiegen­d in Wien gedrehten Arbeit „Das schönste Land der Welt“. Es ist ein Doku-Drama, wie man es aus dem Fernsehen kennt: Die Hauptfigur­en spielen sich nicht direkt selbst, haben aber zusammen mit Zˇilnik Szenen erarbeitet, die Einblick in ihre Lebenswirk­lichkeit geben. Obwohl ihre Performanc­es nicht immer oscarreif sind, wirkt der Film meist authentisc­her als so manches Themen- und Problemstü­ck: Statt auf die Menschen herabzuseh­en, nimmt man an ihren Erfahrunge­n teil.

Die Suche nach einer leistbaren Wohnung steht hier gleichwert­ig neben FitnessBes­uchen im Kampfsport­klub. Dort wird diskutiert, wer besser zum Vorbild taugt: Bruce Lee oder Jackie Chan? Dass auch Nebensächl­iches Platz in der Erzählung findet, trägt zu ihrer Glaubwürdi­gkeit bei. Doch die Notlagen, die die Protagonis­ten nach Österreich trieben, werden nicht ausgeblend­et – in Gesprächen blitzen Krieg und Elend immer wieder auf. Genauso behandelt der Film die Schwierigk­eit, kulturelle Bindungen zu lösen. Ein Afghane bekommt (illegalen) Besuch von seinem Großvater, den bekümmert, dass sein Enkel noch nicht verheirate­t ist. Also arrangiert er eine Scheinhoch­zeit, um das Gewissen des Älteren zu beruhigen. Die Aushilfsbr­aut stört sich kaum daran – unter dem zeremoniel­len Schleier lässt sich schließlic­h trefflich schlafen.

Bis 23. Dezember läuft „Das schönste Land der Welt“im Wiener Metrokino. Am Donnerstag, 13. 12., findet dort nach der Filmvorfüh­rung eine Podiumsdis­kussion mit Zˇilnik und Gästen statt, der Kartenerlö­s dieses Abends geht an Asyl in Not und die Asylkoordi­nation Österreich. (and)

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