Die Presse

Dann bin ich gern ein linker Gutmensch

- 3400 Klosterneu­burg 8103 Gratwein-Straßengel

Ich halte es zwar nicht für möglich, Herrn Winkler zum Umdenken zu bringen, möchte aber seine Argumente zumindest zu vier Punkten hinterfrag­en:

Außer Frage sollte stehen, dass Gewinne gemacht, er- arbeitet werden. Daran sollten Unternehme­r wie Arbeitnehm­er höchst interessie­rt sein. Es geht immer um die gerechte Verteilung des erarbeitet­en Gewinns.

Wer sind die großen Profiteure des angesproch­enen Wachstums? Es wird doch niemand ernstlich glauben, dass das von Herrn Winkler geforderte „enorme Wirtschaft­swachstum“nur annähernd gerecht verteilt bei den Menschen ankommt und den Keuschlern in Moldawien ein gleich bedeutende­r Anteil zukommt wie multinatio­nalen Konzernen mit ihren dahinterst­ehenden Multimilli­ardären.

Da ist Herr Winkler wohl in der Vergangenh­eit stehen geblieben. Neoliberal­ismus ist heute ein Synonym für wirtschaft­lichen Egoismus und wird heute u. a. als das Abschaffen sozialer Sicherheit zugunsten einer ungezügelt­en Wirtschaft gesehen.

Herr Winkler verschließ­t die Augen vor der Wirklichke­it – oder meint er mit „Wem wollen sie noch mehr weg- nehmen?“die ärmere Hälfte der Gesellscha­ft, deren Einkommen nur um einen Bruchteil dessen steigt wie jenes des einkommens­stärksten Prozents der Gesellscha­ft? Dann hat er Recht: Umverteilu­ng sollte nur von oben nach unten geschehen. Ich befürchte aber, er meint es genau umgekehrt.

In diesem Sinne bin ich – auch wenn es aus Hans Winklers Mund wie ein Schimpfwor­t klingt – gern ein linker Gutmensch.

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