Die Presse

Rädelsführ­er des Aufstands

Konservati­ve. Der Hinterbänk­ler Jacob Rees-Mogg, eine erzkonserv­ative Tory-Karikatur, ist Rädelsführ­er des Aufstands gegen Theresa May. Seit Monaten sammelt er die Truppen gegen ihre Abwahl. Seine Positionen finden Anklang bei Basis.

- VON THOMAS VIEREGGE

Geduld ist eine Tugend, Tugend ist eine Zier.“Also sprach Jacob ReesMogg vor wenigen Wochen in Erwartung eines unmittelba­r bevorstehe­nden Misstrauen­svotums gegen Premiermin­isterin Theresa May, das sich jedoch Tag um Tag hinauszöge­rte. Der erzkonserv­ative Hinterbänk­ler, Drahtziehe­r des Aufstands gegen seine Parteifreu­ndin und Anführer der EUskeptisc­hen „European Research Group“innerhalb der Tories, hatte nach Mays BrexitDeal mit Brüssel als erster ein formelles Schreiben samt Rücktritts­forderung eingereich­t. Doch seine Fraktion – die stärkste und einflussre­ichste in der fragmentie­rten, vom Brexit zerrissene­n Partei mit Gruppierun­gen wie der „Gang of Five“, den „Pizza Plotters“oder „Team Norwegen“– verfehlte zunächst das nötige Quorum von 48 Stimmen.

In der Nacht auf Mittwoch, als May spätabends nach einer Blitztour nach Den Haag, Berlin und Brüssel schließlic­h in ihren Amtssitz 10 Downing Street zurückkehr­te, hatten Rees-Mogg und seine Parteigäng­er indessen ihre Truppen fertiggesa­mmelt und somit die Hürde der qualifizie­rten Minderheit überwunden. Binnen 24 Stunden stand tatsächlic­h das Schicksal der Regierungs­chefin auf dem Spiel. Die britische Demokratie ist mitunter von einer Erbarmungs­losigkeit, die selbst vor einer Margaret Thatcher im Jahr 1990 keine Ausnahme machte.

Sohn des „Times“-Chefredakt­eurs

Der 49-Jährige mit der Nickelbril­le und dem Seitensche­itel, dem maßgeschne­iderten Zweireiher und dem Habitus eines Gentleman mit Upper-Class-Manieren und näselndem Akzent, der äußerlich der Karikatur eines schmalen, hochgewach­senen Snobs entspricht und wie ein in die Jahre gekommener Nerd a` la Harry Potter aus der Zeit gefallen scheint, vielfach belächelt und verhöhnt, war bereits zu Schulzeite­n eingetrage­nes Tory-Mitglied und Thatcher-Fan. Seit dem Brexit-Votum 2016 ist er zu einer festen Größe der britischen Politik avanciert.

Der Sohn des legendären „Times“-Chefredakt­eurs William Rees-Mogg, der später ins House of Lords einzog, machte sich selbst – neben Boris Johnson und David Davis – einen Namen als Verfechter eines „Hard Brexit“, einer harten Grenze zwischen Nordirland und Irland und einer Freihandel­szone wie der zwischen der EU und Kanada. Er setzte sich an die Spitze der „European Research Group“, die zwischen 60 und 80 Mitglieder im Unterhaus umfasst.

„Ehrenwerte­r Kollege für das 18. Jahrhunder­t“: So süffisant wenden sich zuweilen Abgeordnet­e an ihn – und darin schwingt Kritik an der Upper Class mit, deren Ingredienz­ien Jacob Rees-Mogg selbstvers­tändlich vor sich herträgt: die Schulbildu­ng im Nobelinter­nat Eton, das Geschichts­studium am Trinity College in Oxford, das Herrenhaus im westenglis­chen Somerset, das Faible für Bentley-Oldtimer und Cricket. Bei Autofahrte­n lauscht Rees-Mogg, der es als Investment­banker zu eigenem Vermögen brachte, gerne der Geschichte des Habsburger­reichs. Als er sich erst in Schottland und in den Midlands erfolglos in Labour-Wahlkreise­n um ein Parlaments­mandat bewarb, ging er mit seiner Nanny auf Wahlkampft­our. 2010 schaffte der Katholik, der Abtreibung selbst bei Vergewalti­gung strikt ablehnt, im dritten Anlauf doch den Sprung nach Westminste­r. Im November richtete er das Zitat aus Mark Antons Grabrede aus Shakespear­es „Julius Caesar“formvollen­det gegen die „ehrenwerte Freundin“Theresa May – ein Fanal.

Bereits beim Tory-Parteitag im Oktober in Birmingham hatte er – neben Boris Johnson – als gesuchter Redner und May-Anti- pode Furore gemacht. Ein Teil des Londoner Boulevards schwelgte in „Mogg-Mania“. Seine prinzipien­feste Politik, seine Linie in der Asylpoliti­k, die Skepsis über den Klimawande­l finden durchaus Anklang bei der konservati­ven Basis, die sich nach ideologisc­her Kante sehnt. Bei einer Urwahl unter ToryMitgli­edern, so Umfragen, könnte er als Sieger der Nachfolgek­andidaten hervorgehe­n Kokett wehrte er indes jedwede Ambition ab.

Twitter-Debüt auf Latein

Vielen Kommentato­ren gilt Rees-Mogg als Reaktionär und als liebenswür­diger, aber skurriler Exzentrike­r, der sich als sechsfache­r Vater rühmt, noch nie gekocht, abgewasche­n oder Windeln gewechselt zu haben. Dabei zeigt sich der 49-Jährige wandlungsf­ähig, wenngleich auf seine Art. Im Vorjahr formuliert­e er sein Debüt auf Twitter auf Latein: „Tempora mutantur et nos mutamur in illis.“Die Zeiten ändern sich auf der Insel.

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[ AFP ] Populär bei konservati­ver Basis: Jacob Rees-Mogg könnte Urwahl zum Tory-Führer gewinnen.

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