Rädelsführer des Aufstands
Konservative. Der Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg, eine erzkonservative Tory-Karikatur, ist Rädelsführer des Aufstands gegen Theresa May. Seit Monaten sammelt er die Truppen gegen ihre Abwahl. Seine Positionen finden Anklang bei Basis.
Geduld ist eine Tugend, Tugend ist eine Zier.“Also sprach Jacob ReesMogg vor wenigen Wochen in Erwartung eines unmittelbar bevorstehenden Misstrauensvotums gegen Premierministerin Theresa May, das sich jedoch Tag um Tag hinauszögerte. Der erzkonservative Hinterbänkler, Drahtzieher des Aufstands gegen seine Parteifreundin und Anführer der EUskeptischen „European Research Group“innerhalb der Tories, hatte nach Mays BrexitDeal mit Brüssel als erster ein formelles Schreiben samt Rücktrittsforderung eingereicht. Doch seine Fraktion – die stärkste und einflussreichste in der fragmentierten, vom Brexit zerrissenen Partei mit Gruppierungen wie der „Gang of Five“, den „Pizza Plotters“oder „Team Norwegen“– verfehlte zunächst das nötige Quorum von 48 Stimmen.
In der Nacht auf Mittwoch, als May spätabends nach einer Blitztour nach Den Haag, Berlin und Brüssel schließlich in ihren Amtssitz 10 Downing Street zurückkehrte, hatten Rees-Mogg und seine Parteigänger indessen ihre Truppen fertiggesammelt und somit die Hürde der qualifizierten Minderheit überwunden. Binnen 24 Stunden stand tatsächlich das Schicksal der Regierungschefin auf dem Spiel. Die britische Demokratie ist mitunter von einer Erbarmungslosigkeit, die selbst vor einer Margaret Thatcher im Jahr 1990 keine Ausnahme machte.
Sohn des „Times“-Chefredakteurs
Der 49-Jährige mit der Nickelbrille und dem Seitenscheitel, dem maßgeschneiderten Zweireiher und dem Habitus eines Gentleman mit Upper-Class-Manieren und näselndem Akzent, der äußerlich der Karikatur eines schmalen, hochgewachsenen Snobs entspricht und wie ein in die Jahre gekommener Nerd a` la Harry Potter aus der Zeit gefallen scheint, vielfach belächelt und verhöhnt, war bereits zu Schulzeiten eingetragenes Tory-Mitglied und Thatcher-Fan. Seit dem Brexit-Votum 2016 ist er zu einer festen Größe der britischen Politik avanciert.
Der Sohn des legendären „Times“-Chefredakteurs William Rees-Mogg, der später ins House of Lords einzog, machte sich selbst – neben Boris Johnson und David Davis – einen Namen als Verfechter eines „Hard Brexit“, einer harten Grenze zwischen Nordirland und Irland und einer Freihandelszone wie der zwischen der EU und Kanada. Er setzte sich an die Spitze der „European Research Group“, die zwischen 60 und 80 Mitglieder im Unterhaus umfasst.
„Ehrenwerter Kollege für das 18. Jahrhundert“: So süffisant wenden sich zuweilen Abgeordnete an ihn – und darin schwingt Kritik an der Upper Class mit, deren Ingredienzien Jacob Rees-Mogg selbstverständlich vor sich herträgt: die Schulbildung im Nobelinternat Eton, das Geschichtsstudium am Trinity College in Oxford, das Herrenhaus im westenglischen Somerset, das Faible für Bentley-Oldtimer und Cricket. Bei Autofahrten lauscht Rees-Mogg, der es als Investmentbanker zu eigenem Vermögen brachte, gerne der Geschichte des Habsburgerreichs. Als er sich erst in Schottland und in den Midlands erfolglos in Labour-Wahlkreisen um ein Parlamentsmandat bewarb, ging er mit seiner Nanny auf Wahlkampftour. 2010 schaffte der Katholik, der Abtreibung selbst bei Vergewaltigung strikt ablehnt, im dritten Anlauf doch den Sprung nach Westminster. Im November richtete er das Zitat aus Mark Antons Grabrede aus Shakespeares „Julius Caesar“formvollendet gegen die „ehrenwerte Freundin“Theresa May – ein Fanal.
Bereits beim Tory-Parteitag im Oktober in Birmingham hatte er – neben Boris Johnson – als gesuchter Redner und May-Anti- pode Furore gemacht. Ein Teil des Londoner Boulevards schwelgte in „Mogg-Mania“. Seine prinzipienfeste Politik, seine Linie in der Asylpolitik, die Skepsis über den Klimawandel finden durchaus Anklang bei der konservativen Basis, die sich nach ideologischer Kante sehnt. Bei einer Urwahl unter ToryMitgliedern, so Umfragen, könnte er als Sieger der Nachfolgekandidaten hervorgehen Kokett wehrte er indes jedwede Ambition ab.
Twitter-Debüt auf Latein
Vielen Kommentatoren gilt Rees-Mogg als Reaktionär und als liebenswürdiger, aber skurriler Exzentriker, der sich als sechsfacher Vater rühmt, noch nie gekocht, abgewaschen oder Windeln gewechselt zu haben. Dabei zeigt sich der 49-Jährige wandlungsfähig, wenngleich auf seine Art. Im Vorjahr formulierte er sein Debüt auf Twitter auf Latein: „Tempora mutantur et nos mutamur in illis.“Die Zeiten ändern sich auf der Insel.