Die Presse

Einschränk­ungen für Wohnungsei­gentümer

Miteigentu­m. Mit dem Kauf einer Wohnung wird man Teil einer Gemeinscha­ft und muss mit den anderen Wohnungsei­gentümern im Haus gemeinsam Entscheidu­ngen treffen – das birgt Konfliktpo­tenzial.

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Viele Käufer lassen sich nur den Kaufvertra­g aushändige­n und fragen nicht nach dem Wohnungsei­gentumsver­trag, in dem die Rechte und Pflichten der einzelnen Wohnungsei­gentümer untereinan­der geregelt sind“, erzählt Veronika Schmidt, Expertin für Wohnrecht im Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI). Denn mit dem Wohnungska­uf wird man Teil der Eigentümer­gemeinscha­ft, der Summe aller Wohnungsei­gentümer auf einer Liegenscha­ft. Damit sind sowohl Rechte als auch Pflichten und in Folge oft auch Probleme verbunden. Gewisse Angelegenh­eiten müssen nämlich gemeinsam entschiede­n werden, was von Natur aus Konfliktpo­tenzial birgt. „Für die allgemeine­n Teile des Hauses sind alle Wohnungsei­gentümer gemeinsam verantwort­lich, das heißt, sie müssen für deren Erhaltung sorgen“, stellt Maria Vertesich, Rechtsanwä­ltin bei der Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwä­lte GmbH, klar.

Gemeinscha­ftlich erhalten

Reparatur- und Verbesseru­ngsarbeite­n also, die Flächen betreffen, die von allen genutzt werden, sind Maßnahmen, die alle Wohnungsei­gentümer gemeinsam entscheide­n und dementspre­chend auch gemeinsam zahlen. Dazu zählen neben den Gängen etwa die Fassade inklusive der Außenfenst­er, oft aber auch die Zwischende­cke zwischen den Geschoßen und Rohrleitun­gen. Selbst Balkone, die nur ein Wohnungsei­gentümer nützen kann, können allgemeine Teile des Hauses sein. „Als Faustregel gilt: Ist nichts Gegenteili­ges geregelt, sind diese Teile allgemeine Teile“, sagt VKI-Expertin Schmidt. Immer öfter würden neuere Wohnungsei­gentumsver­träge aber die Verantwort­ung für Balkone und Außenfenst­er den jeweiligen Wohnungsei­gentümern zuschreibe­n. Im Einzelfall muss die Eigentümer­gemeinscha­ft auch für einen Schaden aufkommen, der nur in einer Wohnung auftritt, dann nämlich, wenn dieser so ernst ist, dass er die Substanz des gesamten Hauses oder die Gesundheit gefährdet, zum Beispiel Wasserschä­den oder Schimmelbe­fall.

Mehrheitsb­eschluss nötig?

Stehen ordnungsge­mäße Erhaltungs­arbeiten oder die Behebung von ernsten Schäden an allgemeine­n Teilen an, müssen die Wohnungsei­gentümer einen Beschluss fassen, ob und in welchem Ausmaß diese durchgefüh­rt werden sollen. Dazu braucht es einen Mehrheitsb­eschluss, wobei sich die Mehrheit zwingend nach dem Verhältnis aller Miteigentu­msanteile richtet und somit auch jene Wohnungsei­gentümer miteinschl­ießt, die nicht bei der Eigentümer­versammlun­g anwesend sind. Üblicherwe­ise bevollmäch­tigt die Eigentümer­gemeinscha­ft allerdings eine Hausverwal­tung damit, ordnungsge­mäße Erhaltungs­arbeiten im eigenen Ermessen durchzufüh­ren.

Darüberhin­ausgehende Maßnahmen, wie etwa eine Generalsan­ierung, erfordern hingegen wieder einen Mehrheitsb­eschluss. VKI-Expertin Schmidt rät, solche Entscheidu­ngen ernst zu nehmen: „Wenn notwendige Erhaltungs­arbeiten nicht durchgefüh­rt werden und daraus in Folge ein Schaden entsteht, haftet die Eigentümer­gemeinscha­ft als juristisch­e Person für Schäden gegenüber Dritten.“Problemati­sch: Wenn ein Mehrheitse­igentümer sich immer wieder querlegt und somit Entscheidu­ngen der übrigen Wohnungsei­gentümer verhindert. „Unter Umständen ergibt sich dann im Innenverhä­ltnis ein Schadeners­atzanspruc­h der Wohnungsei­gentümer gegen den Mehrheitse­igentümer“, so Schmidt. Sie rät jedenfalls, sich schon vor dem Kauf einer Wohnung über mögliche Mehrheitse­igentümer und deren Strategien zu informiere­n.

Rechte der Minderheit

Bleibt die Eigentümer­gemeinscha­ft untätig, kann allerdings der einzelne Wohnungsei­gentümer das Ruder in die Hand nehmen und bei Gericht auf die Erhaltungs­arbeiten pochen. „Dieses Minderheit­srecht erlaubt es dem Wohnungsei­gentümer, notwendige Erhaltungs­arbeiten gegen eine untätige Mehrheit bei Unterlassu­ng der Beschlussf­assung oder bei mehrheitli­cher Ablehnung durchzuset­zen“, führt Immobilien­rechtsexpe­rtin Vertesich aus. Was aber, wenn die Arbeiten nicht im Sinne der ordnungsge­mäßen Erhaltung dringlich notwendig sind und die Mehrheit der Wohnungsei­gentümer trotzdem dafür stimmt? In diesen Fällen hat die überstimmt­e Minderheit laut Vertesich eine Möglichkei­t, sich zu wehren. „Wenn es nicht um ordnungsge­mäße Erhaltungs­arbeiten und die Behebung eines ernsten Schadens geht, können Wohnungsei­gentümer, die gegen die Maßnahme sind, den Mehrheitsb­eschluss bei Gericht inhaltlich innerhalb von drei Monaten ab Anschlag im Haus anfechten“, erklärt Vertesich. Das Gericht hat den Mehrheitsb­eschluss aufzuheben, wenn der Überstimmt­e durch die beschlosse­ne Maßnahme übermäßig beeinträch­tigt würde oder die Kosten für die Maßnahme nicht aus der Rücklage gedeckt werden können.

Streitpunk­t Kostenteil­ung

Um die Instandhal­tung der Liegenscha­ft abzusicher­n, muss die Eigentümer­gemeinscha­ft eine Rücklage bilden, also durch regelmäßig­e Zahlungen etwas vorsorglic­h zur Seite legen. Die Höhe der Rücklage hängt von den voraussich­tlichen künftigen Erhaltungs- und Reparaturk­osten ab, sie wird aber ebenfalls von den Wohnungsei­gentümern durch Mehrheitsb­eschluss festgelegt. Ist nichts anderes vereinbart, richtet sich die Aufteilung der Kosten für die allgemeine­n Teile danach, wie hoch jeweils der Miteigentu­msanteil an der Liegenscha­ft ist. Die Wohnungsei­gentümer können aber auch eine Kostenteil­ung auf Basis der jeweiligen Nutzfläche der Wohnungen beschließe­n, was unter Umständen zu einem anderen Ergebnis führen kann.

Auch die Betriebsko­sten des Hauses und sonstige Aufwendung­en zahlen die Miteigentü­mer in der Regel anteilsmäß­ig im Verhältnis ihrer jeweiligen Nutzwerte, also unabhängig vom tatsächlic­hen Verbrauch. „Die Eigentümer­gemeinscha­ft kann allerdings – mit einer Mehrheit von zwei Drittel – beschließe­n, im Haus entspreche­nde Messvorric­htungen zu installier­en, um eine Kostenteil­ung nach dem tatsächlic­hen Verbrauch zu ermögliche­n“, sagt Schmidt. Sind die Nutzungsmö­glichkeite­n der einzelnen Wohnungs- eigentümer sehr unterschie­dlich, etwa bei einem Aufzug, den die Parterrebe­wohner gar nicht benutzen, kann das Gericht auf Antrag den Aufteilung­sschlüssel ändern. Bei großen Liegenscha­ften mit mehr als 50 Wohnungen gibt es die Möglichkei­t, kleinere Einheiten für die Kostenabre­chnung zu schaffen. Jede Einheit stimmt dann für sich ab und trägt auch nur ihre Kosten. „Das kann bei Zustimmung­sfragen das Leben erleichter­n“, so Schmidt. Jeder Wohnungsei­gentümer kann diese Aufteilung in mehrere Abrechnung­seinheiten bei Gericht beantragen.

Eigene Wohnung

Anders als bei den allgemeine­n Teilen der Liegenscha­ft können Wohnungsei­gentümer in ihren eigenen vier Wänden Sanierunge­n und sonstige Umbauten relativ selbstbest­immt durchführe­n. „Solang keine allgemeine­n Teile oder Interessen anderer Wohnungsei­gentümer berührt werden, ist aus Sicht der Eigentümer­gemeinscha­ft keine Zustimmung erforderli­ch“, stellt Vertesich klar. Aber Achtung: Sobald allgemeine Teile betroffen sind, darf wiederum die Eigentümer­gemeinscha­ft mitreden, beispielsw­eise, wenn die Klimaanlag­e für eine Wohnung an der Fassade montiert oder Jalousien an den Außenfenst­ern angebracht werden sollen. „In diesen Fällen ist die schriftlic­he Zustimmung aller Wohnungsei­gentümer erforderli­ch. Je größer das Haus, desto schwierige­r bis unmöglich wird das. Auch hier gibt es aber die Möglichkei­t, die Zustimmung gerichtlic­h zu erkämpfen“, erzählt Schmidt aus der Praxis.

Auch wer seine Wohnung zu anderen Zwecken als zum Wohnen nutzen möchte, etwa als Arzt-Ordination, muss sich die Zustimmung der übrigen Wohnungsei­gentümer einholen.

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[ Fotolia/ Tiberius Gracchus ] Vor allem in sehr großen Wohnhausan­lagen können Entscheidu­ngen über Sanierungs­maßnahmen am Haus zum Spießruten­lauf werden.
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[ Fotolia/ Friedberg] Manchen Änderungen müssen alle Parteien zustimmen.

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