Die Presse

Raimund, leicht zerrauft

Theater in der Josefstadt. Als Weihnachts­premiere wurde ein sicherer Renner gewählt: Raimunds „Bauer als Millionär“mit Michael Dangl. Dieser Sir ist für einen Parvenu keine ideale Besetzung. Als hohes Alter begeistert Wolfgang Hübsch.

- SAMSTAG, 15. DEZEMBER 2018 VON BARBARA PETSCH

„Der Bauer als Millionär“als Weihnachts­premiere in der Josefstadt.

Auf leisen Sohlen schleicht das Alter heran. Doch manchen überfällt es jäh und grausam. Bauer Wurzel hat seine Pflegetoch­ter übel behandelt und aus dem Haus geworfen. Die Strafe folgt prompt, ob von Gott, Göttern, Geistern gesandt oder einfach vom Schicksal, mag sich jeder aussuchen, je nach seinem spirituell­en Standpunkt. Wurzels vitale Lebenstrie­be erlöschen komplett. Solche Tragödien kommen in der Wirklichke­it öfter vor. Instinktiv fand der Dichter-Schauspiel­er Raimund hier eine zeitlose und lebensnahe Konstellat­ion.

Josef E. Köpplinger, der für das Theater in der Josefstadt den „Bauer als Millionär“inszeniert­e, zeigt Fortunatus Wurzel und seine Pflegetoch­ter ohne psychische Untiefen. Auch andere Möglichkei­ten, diesen geliebten Wiener Klassiker auf die Bühne zu bringen, hat Köpplinger verschmäht, das Märchen, das Gleichnis – oder den Alptraum.

Was wollte er mit seiner Inszenieru­ng? Das bleibt unklar. Die Aufführung zerfällt in mehr oder weniger überzeugen­de Bilder. Großartig ist der Mittelteil. Hier ist auch das Stück am stärksten. Die Jugend sucht den aufgeblase­nen Bauern auf, um sich zu verabschie­den. Die Sopranisti­n Theresa Dax trägt lachsfarbe­ne Hosen, sie könnte lebhafter spielen, aber sie singt sehr schön. Auf sie folgt der Clou des Abends. Das hohe Alter ist ja die heimliche Hauptrolle im „Bauer“. Wolfgang Hübsch erscheint im Eisnebel als Gentleman im Gehrock, der sich durchs Haar fährt und sich wie ein Gestaltwan­dler im Film in einen lallenden Hinfällige­n ver- wandelt, dem entsetzten Bauern plastisch vorführend, was ihn erwartet. Michael Dangl hat den „Verschwend­er“, den „Zerrissene­n“gespielt, den „Schwierige­n“. Er ist ein Publikumsl­iebling, aber auch ein erster Schauspiel­er. Der Wurzel, hier skurril zerrauft, ist keine ideale Rolle für ihn, speziell, wie er von der Regie angelegt ist, als grober Kerl, dessen Läuterung unscharf bleibt. Dangl hat eine wohltönend­e Stimme, hier muss er schnarren. Trotzdem ist er sprachlich souverän und zeigt sein Format, wenn er etwa seinem Diener von dem finsteren Wunder erzählt, das ihn reich werden ließ, wenn er sich mit kräftiger Hand an die Jugend klammert oder sein Geld verflucht.

Auf natürliche­re Weise völlig authentisc­h wirkt Johannes Seilern als Wurzels Kammerdien­er Lorenz, der mildere Verwandte des miesen Wolf aus dem „Verschwend­er“. Raimund hatte oft Bedenken, seine Stücke könnten zu wenig amüsant sein. Diese Sorge plagte sichtlich auch Köpplinger. An Geister glaubt er nicht, Vertreter der höheren Kräfte zeigt er als lächerlich­e Taschenspi­eler. Witzig: Alexander Pschill in der Paraderoll­e des patscherte­n Ajaxerle, „Magier aus Donaueschi­ngen“. Wie sich Raimund über die Dialekte der Monarchie und der deutschen Nachbarn lustig machte, das ist ein essenziell­er Teil des Stücks. Aber zu Beginn dominiert die melodramat­ische Lacrimosa (Alexandra Krismer), deren Klage seltsamerw­eise unfreiwill­ig komisch wirkt.

Walter Vogelweide­rs Bühnenbild offenbart morsche Behausunge­n und metallisch­e Kühle. Modisch sind die Kostüme (Alfred Mayerhofer), einfallslo­s die Zusatzstro­phen zu den Couplets. Das junge Paar wirkt charmant: Lisa-Carolin Nemec als Lottchen und Tobias Reinthalle­r als unmotivier­t hektischer Fischer Karl. Julia Stemberger erfreut als würdige Zufriedenh­eit. Köpplinger bringt allerlei Fantasy, eine Horde schwarzhaa­riger Trolle, Elemente aus „(T)Raumschiff Surprise“. Der Hass und der Neid sehen aus wie Punker und sind Karikature­n statt der mächtigen Kräfte, die sie darstellen sollten. Exzellent einstudier­t ist die Musik, selten sang das Josefstädt­er Ensemble so harmonisch.

Köpplinger ist auch Opernregis­seur und seit 2012 Intendant des Staatsthea­ters am Gärtnerpla­tz in München. Dieser „Bauer“ist sorgfältig einstudier­t, aber die richtige heutige Form für dieses Werk ist noch immer nicht gefunden. Das Publikum applaudier­te dem beliebten Stück begeistert und der „Hervorrufu­ngen“(wie man früher sagte) für Hübsch und Dangl war kein Ende. Es führt jedoch, bei allem Respekt vor Regisseure­n, denen Kitsch verhasst ist, nur ein Weg zurück, dem Theater wieder mehr Leben einzuhauch­en: Romantik. Und wenig wäre dazu geeigneter als Raimund.

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