Kurz verteidigt Vorsitzarbeit
Migration. Bundeskanzler sieht bei der Zuwanderung die Ziele der EU-Präsidentschaft trotz Widerstands einzelner Länder gegen einen gestärkten Außengrenzschutz erreicht.
Bundeskanzler Sebastian Kurz zieht trotz Kritik von Opposition und einzelnen EU-Politikern eine positive Bilanz der österreichischen EU-Präsidentschaft. Zum Thema Migrationspolitik erklärte er am Rand des EU-Gipfels, er sei „froh, dass es während unseres Ratsvorsitzes zu einer Stärkung gekommen ist“. Als Beispiel nannte er die Ausweitung der Kompetenzen der EU-Grenzschutzagentur Frontex bei Abschiebungen und der Kooperation mit Drittstaaten. „Das wird massiv dazu beitragen, die illegale Migration nach Europa weiter zu senken.“
Die Aufstockung von Frontex, die Kurz auf 2020 vorziehen wollte, ist freilich vorerst gescheitert. Dies begründete der Bundeskanzler mit Widerstand einiger Partnerstaaten. Dennoch sieht er eine Trendwende. Denn gegenüber 2015 verzeichne die EU um 90 Prozent weniger Ankünfte. „Das Schönste ist: Die Zahl der Toten ist massiv zurückgegangen. Es ertrinken weniger Menschen im Mittelmeer.“Auch Europaminister Gernot Blü- mel (ÖVP) sieht trotz mancher Schwierigkeiten wie bei der Umsetzung eines gestärkten Urheberrechts Erfolge. Beim Thema Migration habe man schon vorher eine Trendwende einleiten können, so Blümel. Lob erhielt die Regierung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Kurz habe „konsequent, umsichtig, zuhörend und einfühlend“gearbeitet. „Das kann man nicht von allen Vorsitzen sagen.“
Mit einem Afrika-Forum gehen nächste Wochen die zahlreichen Veranstaltungen der österreichischen Präsidentschaft zu Ende. In das Lob über die organisatorische Abwicklung mischte sich zuletzt inhaltliche Kritik – insbesondere an der Ablehnung des UN-Migrationspakts durch die Regierung. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“schrieb: „Der Eindruck ist entstanden, dass Österreich die Themen des EU-Vorsitzes einseitig für eine innenpolitische Profilierung verwendet hat.“EU-Erweite- rungskommissar Dimitris Avramopoulos betonte, er habe sich von Österreich bei der Reform der Dublin-Verordnung (der künftigen Zuständigkeit für Asylverfahren in der EU) „deutlich mehr erwartet“.
Kritik an der Vorsitzführung äußerste am Freitag auch der SPÖSpitzenkandidat bei der Europawahl, Andreas Schieder. In keinem der zentralen Themenfelder – sei es der soziale Zusammenhalt, sei es der Klimawandel oder die Migration – seien dem Ratsvorsitz unter Kanzler Kurz Fortschritte und schon gar nicht Lösungen gelungen. Im Gegenteil: „Die Spaltung Europas hat sich noch weiter vertieft.“Schieder wies darauf hin, dass es auch keine Fortschritte bei der Finanztransaktionssteuer und einer europaweiten Digitalsteuer gegeben habe. Als Tiefpunkt bezeichnete er die Absage einer Ratssitzung der EU-Sozialminister durch Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Diese hatte das mit nicht ausreichend beschlussreifen Entscheidungen begründet. (ag./wb/win)