Die Presse

Mehr Augen sollen über eine Einweisung wachen

Maßnahmenv­ollzug. Minister Josef Moser will neue Regeln für geistig abnorme Rechtsbrec­her.

- VON PHILIPP AICHINGER

Es gebe derzeit „einen dramatisch­en Anstieg“bei den Insassen im Maßnahmenv­ollzug, heißt es aus dem Justizmini­sterium. Gleichzeit­ig wird seit Jahren erfolglos nach einer Reform für den Umgang mit psychisch kranken und gefährlich­en Rechtsbrec­hern gesucht, obwohl Ideen dafür schon länger auf dem Tisch liegen. Nun will Justizmini­ster Josef Moser aber Druck auf eine Reform machen, wie aus seinen der „Presse“vorliegend­en Plänen hervorgeht.

So soll künftig nicht mehr nur ein Fachexpert­e beurteilen dürfen, ob und in welcher Form eine Person in den Maßnahmenv­ollzug kommt. Vielmehr sollen ein klinischer Psychologe und ein Psychiater die Einschätzu­ng vornehmen müssen. Auch bei juristisch­en Fragen ist ein Mehraugenp­rinzip angedacht. Entschied bisher ein Einzelrich­ter, ob eine Person in den Maßnahmenv­ollzug hinein- oder herauskomm­t, soll dies künftig ein Kollegialg­ericht entscheide­n.

Gerade der Umstand, dass man nur schwerlich aus dem Maßnahmenv­ollzug kommt, wenn man einmal darin ist, hatte immer wieder für Kritik gesorgt. Bei der Volksanwal­tschaft waren auch Tausende Beschwerde­n von Insassen über die Zustände eingereich­t worden. Für großes Aufsehen hatte 2014 der Fall von Stein gesorgt: In der Anstalt hatte man einen Insassen verwahrlos­en lassen.

510 Menschen sind in Österreich derzeit in Anstalten untergebra­cht, weil sie eine Straftat begangen haben und gefährlich, aber wegen ihres psychische­n Zustands nicht verschulde­nsfähig sind. Sie sollten, weil sie kranke Menschen sind, eigentlich ins Gesundheit­ssystem fallen, meint das Justizmini­sterium. Es will prüfen, ob die Krankenkas­se verstärkt die Kosten der Therapie übernehmen soll.

Von dieser Tätergrupp­e zu unterschei­den sind 383 weitere Personen, die sehr wohl zurechnung­sfähig sind, aber wegen ihres geistigen Zustands als besonders gefährlich gelten. Auch sie werden in Spezialans­talten angehalten. Dazu kommen noch 80 Personen, die vorläufig in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her untergebra­cht wurden.

Für die meisten Personen im Maßnahmenv­ollzug gilt aber, dass sie diesen länger nicht verlassen. Kritiker rügen in diesem Zusammenha­ng, dass die psychisch kranken Insassen zu selten neu begutachte­t werden und die Qualität der Gutachten problemati­sch sei.

Umgekehrt steht der Staat in der Kritik, wenn Personen in die Freiheit kommen und eine neue Straftat begehen. So hatte sich jener Mann, der heuer die Überreste einer Frau im Neusiedler See versenkt haben soll, lang im Maßnahmenv­ollzug befunden. Moser will, dass die bedingte Entlassung künftig an eine Fußfessel gekoppelt wird. Die Anstalten sollen sich zudem besser spezialisi­eren.

Das Problem bleibt aber das Geld. So betont das Justizmini­sterium, dass die Umsetzung aller Ideen von der budgetären Deckung abhängig ist. Welche Summe nötig wäre, wollte Moser nicht sagen.

In der Vergangenh­eit waren bereits nach dem Vorfall von Stein 2014 und den Ereignisse­n auf dem Brunnenmar­kt (ein psychisch kranker, aber behördlich bekannter Mann hatte 2016 eine Frau mit einer Eisenstang­e erschlagen) Reformkonz­epte ausgearbei­tet worden. Umgesetzt wurden sie nie.

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