Die Presse

Olympiasie­ger Ricco Groß ist neuer ÖSV-Herrenchef­coach. Über rotweiß-rote Nadelstich­e und seine Zeit mit den zweifelhaf­ten Russen.

Biathlon.

- VON JOSEF EBNER

Die Presse: Simon Eder hat in dieser Saison bisher 79 von 81 Scheiben getroffen. Ist das bereits Ihr Verdienst? Ricco Groß: Das ist sicherlich eine Frage, die man Simon Eder stellen sollte. Vielleicht hat er auch ganz einfach ein paar Sachen geändert. Man kann erkennen, dass er ruhiger geschossen und fehlerverm­eidend gearbeitet hat. Das hat er sich auch hart antrainier­t.

Greifen Sie beim Schießtrai­ning selbst noch zur Waffe? Ich glaube, das ist nicht die beste Idee (lacht). Natürlich treffe ich auch noch Scheiben, aber das ist eine Frage des Trainings. Ich muss den Jungs auch nichts vorzeigen, sie wissen, wovon wir reden.

Was aber ist nötig, damit ein Topläufer wie Julian Eberhard auch am Schießstan­d abräumt? Auch er hat besonnen gearbeitet. Wenn ein Missgeschi­ck passiert, rafft er sich auf. Ich habe auch einmal einen Julian gekannt, der „Alles Mist“gesagt und noch zweimal danebenges­chossen hätte.

Mit der Dreifachsp­itze Eder, Eberhard und Dominik Landerting­er ruhen die rot-weiß-roten Hoffungen in Hochfilzen wieder auf der Staffel am Sonntag. mal Grenzen. Wichtig ist, dass die Athleten Spaß haben, auch daran, sich zu quälen und die täglichen Strapazen auf sich zu nehmen. Das haben sie momentan.

Sehen Sie jemanden, der die Dominanz von Martin Fourcade und Johannes Thingnes Bø durchbrech­en kann? Ja. Er kommt aus Österreich.

Tatsächlic­h? Ja. Wir haben den Vorteil, dass wir momentan im Hintergrun­d sind, wir können relativ frei auflaufen. Unser Ziel ist es, den sechsten Weltcupsta­rtplatz zurückzuho­len, der vergangene­s Jahr verloren gegangen ist. Und dann gilt es auch, den genannten Athleten Nadelstich­e zu versetzen. Die anderen Athleten sind sehr intelligen­t, sie sehen genau, wie wir arbeiten und wo wir zustechen wollen.

Wer soll denn jetzt Fourcade und Co. gefährlich werden? Ich möchte mich namentlich gar nicht festlegen. Wir haben Topathlete­n, die bei unterschie­dlichsten Siegerehru­ngen dabei waren. Und wir werden auch versuchen, einen Felix Leitner dort hinzubring­en. Sie waren zuletzt drei Jahre lang Herrenchef­trainer in Russland. Nun wird wegen Dopingverd­achts bei der WM 2017 in Hochfilzen ermittelt. Ihre Schützling­e holten dort Staffelgol­d. Ich habe das zur Kenntnis genommen, wie alle anderen auch. Wir sollten die Ergebnisse abwarten.

Mit Anton Schipulin ist auch Russlands Topstar im Visier der Dopingfahn­der. Sie haben mit den Athleten damals Gespräche geführt, hat er Ihnen gegenüber ein sauberes Gewissen geäußert? Das haben sie alle. Wie kann man sich die Arbeit mit einem Team vorstellen, das unter Dopingverd­acht steht? Für die Wada (Welt-Anti-DopingAgen­tur, Anm.) und die IBU (Internatio­nale Biathlon-Union, Anm.) waren die Athleten in Russland nicht greifbar. Deswegen habe ich versucht, sämtliche Trainingsk­urse in Mitteleuro­pa zu machen, in Ruhpolding, Hochfilzen, Ramsau, Obertillia­ch. Wir haben gut trainiert, fair trainiert, gute Ergebnisse erreicht. Und wir waren ständig unter Kontrolle. Mehr kann man als Trainer nicht tun. Was im tiefsten Hintergrun­d einer Nation passiert, weiß man nie. Auch mit der Zeit vor mir möchte ich nicht in Zusammenha­ng gebracht werden.

Bei all den Dopingfrag­en, bei der ganzen Schießerei braucht es doch einen Ausgleich. Ich warte auf den Sommer. Dann komme ich wieder zum Golfen.

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