Posttraumatische Belastungsstörung
Post AG. Der Deal mit dem künftigen Bankpartner der Österreichischen Post platzte und kostete reichlich Geld. Jetzt will sich der Post-Aufsichtsrat mit der mysteriösen Angelegenheit befassen. Ein Köpferollen ist nicht ausgeschlossen.
Die Sache pressiert ganz offensichtlich. Also trifft am kommenden Montag der Aufsichtsrat der Post AG zu einer eiligst einberufenen Sitzung zusammen. Aufsichtsratspräsidentin Edith Hlawati sagt: „Es wird eine Nachbetrachtung geben.“Das ist nobel, zurückhaltend und durchaus legitim für jemanden in so verantwortungsreicher Position. Weniger euphemistisch: Am Montag wird sich der Aufsichtsrat mit dem vor wenigen Wochen geplatzten Joint Venture zwischen Post und deutscher FinTech Group beschäftigen. Einem unter höchst merkwürdigen Umständen gescheiterten Deal, wohlgemerkt. So viel zur „Nachbetrachtung“. Allerdings räumt Hlawati auch ein, dass am Montag „die weitere Vorgangsweise“im Konzern besprochen werden soll. Das alles riecht stark nach Köpferollen.
Und schon machen in Wien Gerüchte die Runde, schneller als man das Wort „Vorstandsposten“über die Lippen bringt: Die FPÖ, die im Post-Vorstand so ganz und gar nicht mit einer Person ihres Vertrauens vertreten ist, würde in dem börsenotierten, aber immer noch teilstaatlichen Unternehmen gern zum Zug kommen, heißt es. Und Post-Vorstand Walter Hitziger sei angezählt. Er ist jener Mann im vierköpfigen Vorstand, der für das Filialgeschäft zuständig ist. Er trägt also die Verantwortung für die in den Filialen angebotenen Bankdienstleistungen, die jetzt dank des geplatzten Joint Venture fraglich geworden sind. Post-Chef Georg Pölzl hingegen dürfte auf der sicheren Seite sein: Sein Vertrag wurde nur knapp zwei Wochen vor dem gescheiterten Deal verlängert – um drei Jahre, mit anschließender Verlängerungsoption um weitere zwei Jahre.
Glück gehabt. Denn die Ereignisse rund um den Doch-nichtDeal mit der FinTech sind reichlich hinterfragenswert – und werden möglicherweise auch ein rechtliches Nachspiel haben.
Die Vorgeschichte: Schon im Herbst 2017 war klar, dass die Post ihren langjährigen Bankpartner, die Bawag, verlieren wird. Man einigte sich schließlich auf eine rasche einvernehmliche Scheidung per Ende 2019. Doch die Suche nach Ersatz gestaltete sich für die Post einigermaßen mühsam. Dann – Mitte September 2018 – konnte endlich der passende Partner präsentiert werden: die FinTech Group aus Deutschland, ein Anbieter von Finanztechnologien, Vollbanklizenz, ebenfalls börsenotiert.
Ein echtes Prachtexemplar von einem Partner. So jedenfalls die damals verbreitete Kunde.
Mitte November hing der Himmel also noch voller Geigen, PostChef Georg Pölzl war Feuer und Flamme und schloss daher auch Probleme jedweder Art kategorisch aus: Mitte nächsten Jahres könne man mit einer Bank in den Markt gehen, schwärmte er. Und: „Für mich ist Scheitern keine Option.“
Tja. Manche Optionen schreien richtig danach, gezogen zu werden. Ob man will oder nicht.
Am Morgen des 27. November verschickten beide Unternehmen sogenannte Ad-hoc-Meldungen, in denen sie mitteilten, dass sie nunmehr Ex-Partner sind. Nicht einmal drei Monate nach der offiziellen Verlobung. Das ist ungewöhnlich. Für zwei börsenotierte Unternehmen erst recht.
Was ist da bloß passiert? Das ist gar nicht so einfach zu eruieren, weil die beiden Betroffenen Stillschweigen vereinbart haben. Ein FinTechSprecher plaudert dann doch: Man habe, sagt er, von der Finanzmarktaufsicht signalisiert bekommen, dass frühestens Mitte 2020 mit einer österreichischen Banklizenz zu rechnen sei. Natürlich, zur Überbrückung wäre es durchaus möglich gewesen, mit der (vorhandenen) deutschen Konzession zu arbeiten. Aber das hätten die Österreicher abgelehnt. In der Nacht zum 27. November sei noch hektisch mit der Post AG verhandelt worden – als das alles nichts brachte, habe man die hoffnungsvolle Partnerschaft beendet.
Diese Darstellung sorgt bei der Post für helle Empörung. Nicht nur, weil mit der Finanzmarktaufsicht erwiesenermaßen von Anfang an über diese überbrückende Lösung gesprochen wurde. Die Darstellung von FinTech ergibt auch, mit Verlaub, wenig Sinn. Es entbehrt jedenfalls jeder Logik, dass die Österreicher so kühn eine Zwischenlösung ablehnen sollten. Dazu stecken sie bereits zu tief im Schlamassel.
Anfang Oktober nämlich, als noch eitel Wonne herrschte, haben die Österreicher brav ihren Teil des Deals erfüllt: Die Post hat um 35 Millionen Euro Aktien der FinTech Group erworben. Schön für die Deutschen, denn es handelte sich um eine Kapitalerhöhung, FinTech bekam also frisches Geld. Die Sache wurde jedenfalls als „erster Meilenstein“zur Gründung des Joint Venture gefeiert.
Der zweite Meilenstein blieb freilich unerreicht. Dem Vernehmen nach hätte FinTech als Kapitalanlage für das Joint Venture eine erste Tranche von 50 Millionen Euro überweisen sollen. Es passierte nicht, aus welchen Gründen auch immer.
Schlussfolgerungen über die Bonität der FinTech Group zu ziehen, unterlässt die Post jedenfalls tunlichst. Sie hält ja auch nach ihrem recht eiligen Aktienkauf immerhin 6,54 Prozent an FinTech. Und dieses Engagement ist ohnehin Debakel genug. Ein falsches Wort – und das Ganze mutiert zur Katastrophe.
Die Post AG hat nämlich Anfang Oktober die 1.225.761 FinTech-Aktien zu einem Kurs von 28,50 Euro erworben. Um 20 Prozent unter dem Höchstwert, wie die Post nicht müde wird zu betonen. Stimmt eh. Nur: Nachdem das Aus des schönen Joint Venture verkündet wurde, sank der Aktienkurs prompt um neun Prozent auf 19 Euro. Mittlerweile dümpelt er unter der Marke von 18 Euro herum.
Die strategische Beteiligung, die nunmehr zu einer Finanzbeteiligung mutiert ist, ist also für die Post eher nicht das Wahre.
Bei Rechtsanwalt Lukas Aigner haben sich einige erboste Post-Aktionäre gemeldet, die sich geschädigt fühlen und rechtliche Schritte ergreifen möchten. Aigner findet es jedenfalls „ungewöhnlich“, dass das FinTech-Investment der Post „trotz ungesicherter Vertragslage“zustande kam. Kommende Woche will der Anwalt jedenfalls einen entsprechenden Fragenkatalog an die Post-Vorstände schicken.
Der dürfte sich wohl mit jenem des Aufsichtsrats am Montag decken.