Wie man sinnlos eine Sau durchs Dorf treibt
Der (notwendige) Kampf gegen Stickoxide bringt seltsame Blüten hervor.
D er EuGH hat nun, wir haben berichtet, entschieden, dass stickoxidbelastete Städte künftig auch neue Dieselfahrzeuge der Euronorm 6 mit Fahrverboten belegen dürfen. Das wird, wenn der Spruch Rechtskraft erlangt, vor allem jene freuen, die sich in den vergangenen Monaten durch Lockangebote der Autofirmen (in Deutschland gab es sogar Umstiegsprämien) zum Kauf eines neuen, „umweltfreundlichen“und damit vor Verboten vermeintlich geschützten Dieselfahrzeugs haben überreden lassen.
Das Fahrverbot für nagelneue Diesel wird, sagen Experten, zuerst wohl in jenen Städten angewandt werden, in denen bereits Dieselfahrverbote bestehen. In Hamburg etwa, wo ältere Dieselfahrzeuge seit mehr als einem halben Jahr zwei besonders belastete Straßenzüge nicht mehr benutzen dürfen. Dort kann man übrigens sehr schön beobachten, wie vertr..., äh, inkonsistent Umweltpolitik sein kann, wenn sie sich auf einzelne Feindbilder (in dem Fall Diesel-Pkw) konzentriert.
Die Stickoxidemissionen sind in den betroffenen Straßenzügen seit der Einführung des Dieselfahrverbots nämlich nicht gesunken, sondern, wir haben darüber berichtet, sogar leicht gestiegen. Das wird wohl, meinen Experten, mit dem nur ein paar Hundert Meter entfernten Hamburger Hafen zu tun haben. Dieser sorgt nämlich für mehr als 40 Prozent der in der Stadt gemessenen Stickoxidbelastung und ist damit der mit Abstand größte NOX-Emittent. Unter anderem deshalb, weil Schiffe ihren Strom umweltschädlich mittels ungefilterter Dieselgeneratoren erzeugen. Auch im Hafen und nicht zu knapp: Der Strombedarf eines modernen Kreuzfahrtschiffs kann durchaus den einer Kleinstadt erreichen. D ie naheliegende Lösung, Strom während der Liegezeit vom Land zu beziehen, wird für Kreuzfahrtschiffe zwar angeboten, aber kaum genutzt. Denn erstens ist das interessanterweise nicht verpflichtend und zweitens – unter anderem wegen der hohen Ökostromzuschläge – zu teuer.
Eine intellektuelle und umwelttechnische Meisterleistung, bei der Hamburg allerdings kein Alleinstellungsmerkmal hat. Das kommt eben zwangsläufig heraus, wenn man Umweltpolitik nicht als Gesamtkunstwerk betrachtet, sondern publikumswirksam immer einzelne Säue durchs Dorf treibt, ohne das Ganze im Auge zu behalten.