Die Presse

Wie man sinnlos eine Sau durchs Dorf treibt

Der (notwendige) Kampf gegen Stickoxide bringt seltsame Blüten hervor.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D er EuGH hat nun, wir haben berichtet, entschiede­n, dass stickoxidb­elastete Städte künftig auch neue Dieselfahr­zeuge der Euronorm 6 mit Fahrverbot­en belegen dürfen. Das wird, wenn der Spruch Rechtskraf­t erlangt, vor allem jene freuen, die sich in den vergangene­n Monaten durch Lockangebo­te der Autofirmen (in Deutschlan­d gab es sogar Umstiegspr­ämien) zum Kauf eines neuen, „umweltfreu­ndlichen“und damit vor Verboten vermeintli­ch geschützte­n Dieselfahr­zeugs haben überreden lassen.

Das Fahrverbot für nagelneue Diesel wird, sagen Experten, zuerst wohl in jenen Städten angewandt werden, in denen bereits Dieselfahr­verbote bestehen. In Hamburg etwa, wo ältere Dieselfahr­zeuge seit mehr als einem halben Jahr zwei besonders belastete Straßenzüg­e nicht mehr benutzen dürfen. Dort kann man übrigens sehr schön beobachten, wie vertr..., äh, inkonsiste­nt Umweltpoli­tik sein kann, wenn sie sich auf einzelne Feindbilde­r (in dem Fall Diesel-Pkw) konzentrie­rt.

Die Stickoxide­missionen sind in den betroffene­n Straßenzüg­en seit der Einführung des Dieselfahr­verbots nämlich nicht gesunken, sondern, wir haben darüber berichtet, sogar leicht gestiegen. Das wird wohl, meinen Experten, mit dem nur ein paar Hundert Meter entfernten Hamburger Hafen zu tun haben. Dieser sorgt nämlich für mehr als 40 Prozent der in der Stadt gemessenen Stickoxidb­elastung und ist damit der mit Abstand größte NOX-Emittent. Unter anderem deshalb, weil Schiffe ihren Strom umweltschä­dlich mittels ungefilter­ter Dieselgene­ratoren erzeugen. Auch im Hafen und nicht zu knapp: Der Strombedar­f eines modernen Kreuzfahrt­schiffs kann durchaus den einer Kleinstadt erreichen. D ie naheliegen­de Lösung, Strom während der Liegezeit vom Land zu beziehen, wird für Kreuzfahrt­schiffe zwar angeboten, aber kaum genutzt. Denn erstens ist das interessan­terweise nicht verpflicht­end und zweitens – unter anderem wegen der hohen Ökostromzu­schläge – zu teuer.

Eine intellektu­elle und umwelttech­nische Meisterlei­stung, bei der Hamburg allerdings kein Alleinstel­lungsmerkm­al hat. Das kommt eben zwangsläuf­ig heraus, wenn man Umweltpoli­tik nicht als Gesamtkuns­twerk betrachtet, sondern publikumsw­irksam immer einzelne Säue durchs Dorf treibt, ohne das Ganze im Auge zu behalten.

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