Die Presse

Bitcoin: Vom Mega-Hype in die Hölle

Das Tal der Tränen wird länger und tiefer: Der Bitcoinpre­is kennt derzeit kein Halten mehr und fällt immer weiter. Der Hype aus dem Vorjahr ist längst vergessen. Was ist da geschehen?

- VON NIKOLAUS JILCH

Enthusiasm­us, Gier und Wahn: Vor genau einem Jahr hat der Bitcoin-Preis alle Stationen einer Bilderbuch-Bubble durchlaufe­n. In Rekordzeit. Nach einer Korrektur Anfang November ging es binnen eines Monats um sportliche 260 Prozent nach oben. Schluss war bei knapp unter 20.000 Dollar. Am 17. Dezember 2017 platzte die Blase. Jetzt, genau zwölf Monate später, sind die Bitcoin-Anleger in der Hölle angelangt. Die große Mehrheit der Bitcoin-Anleger sind unerfahren­e Retail-Investoren, die sich das große Geld erhofft haben. Sie stehen vor den Trümmern dieses Traums. Wie konnte das geschehen?

Der heurige Absturz war brutal. Freitagnac­hmittag stand der Bitcoin-Preis bei 3270 Dollar – ein Minus von 83 Prozent. Von den Hunderten anderen Kryptowähr­ungen haben viele 95 Prozent verloren – oder mehr. Was auch stimmt: Wer ganz früh bei Bitcoin dabei war, bei 20 Dollar, bei 100 oder bei 1000, der wird auch bei einem Bitcoinpre­is von knapp über 3000 nicht nervös. Aber das ist eine winzige Minderheit.

Eines liegt auf der Hand: Was parabolisc­h ansteigt, kommt rasch auch wieder runter. So war das bei den Dotcom-Aktien – und so war Performanc­e, Kerzenchar­t (wöchentlic­h) in Euro es auch bei Bitcoin schon mehrmals. Das Wachstum der Kryptowähr­ung, die erst knapp zehn Jahre auf dem Markt ist, wird von einer Serie von Blasen und Crashs begleitet. 2011 stieg der Preis kurz auf 30 Dollar und fiel dann auf 2,5 – ein Absturz von mehr als 90 Prozent.

Aber diesmal ist doch alles anders, denn Bitcoin ist nicht mehr allein. Das vergangene Jahr war vor allem vom Aufstieg von Ethereum geprägt. Die aktuelle Nummer drei auf dem Markt hat 2017 einen Preisansti­eg von atemberaub­enden 20.000 Prozent gesehen: von rund sieben Dollar auf 1400 in der Spitze. Aktuell liegen wir bei rund 80 Dollar, was einem Minus von 94 Prozent entspricht. Grund für den Hype war eine technische Fähigkeit von Ethereum. Jedermann kann auf der Ethereum-Blockchain eine eigene Coin kreieren – ohne großes technische­s Grundwisse­n.

Das sollte – theoretisc­h – die Verbreitun­g der viel gelobten Blockchain-Technologi­e vorantreib­en. Aber in erster Linie hat es findigen Geschäftem­achern ermöglicht, für ihre waghalsige­n Projekte Geld von naiven Anlegern einzusamme­ln. Fernab von den Regeln und Regulierun­gen der „echten“ Finanzwelt. Bei sogenannte­n ICOs, wie die digitalen Börsengäng­e auf der Blockchain heißen, wurden Milliarden eingesamme­lt.

Hunderte Projekte, die während des Hypes entstanden sind, gelten inzwischen als klinisch tot. Anleger, die nicht rechtzeiti­g ausgestieg­en sind, müssen einen Totalverlu­st verkraften. Es ist aber völlig unklar, wie viel Luft noch in der ICO-Bubble steckt. Bitcoin dient in dieser Welt als Reservewäh­rung. Erst wenn die gesamte Luft aus der Blase ist, kann mit einer Bodenbildu­ng im Preis gerechnet werden. Gleichzeit­ig sieht sich die Branche mit massiven Manipulati­onsvorwürf­en konfrontie­rt. Manche behaupten sogar, das der gesamte Anstieg von 10.000 auf 20.000 Dollar die Machenscha­ft von Manipulato­ren war.

Nichtsdest­otrotz gibt es noch viele Enthusiast­en. Nach der reinen Bubble-Lehre sollten die meisten aufgeben, bevor es wieder bergauf gehen kann. Aber auch an der Wall Street will man Bitcoin noch nicht aufgeben. Größen wie Goldman Sachs, Fidelity und Nasdaq drängen in den Markt. Sogar Universitä­ten wie Yale, Harvard, Stanford und das MIT haben Gelder in Krypto-Fonds gesteckt. Für Nachrufe auf Bitcoin ist es also wohl noch zu früh – trotz des horrenden Jahres 2018.

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