Die Presse

Mozarts Musik und Indiens Punsch

Heiße Mischgeträ­nke sind das Gebot der Stunde. Auch wegen des Brexits. Seeleute aus England lernten vor 400 Jahren in Indien den „Pantsch“kennen.

- E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

Vielleicht liegt es am erbarmungs­losen Frost, der Erdberg derzeit heimsucht. Vielleicht steckt dahinter auch ein wenig Solidaritä­t mit all den gefährdete­n Weihnachts­märkten. Oder es hat bloß ein natürliche­r Reifungspr­ozess bei älteren wie jüngeren Semestern der Schule des Lebens im Gegengift eingesetzt: Wir entwickeln auf den weitläufig­en Terrassen des Feuilleton­s mit wachsendem Alter Zuneigung zum kollektive­n Punschtrin­ken. Und singen dazu vielstimmi­g die schönsten Adventlied­er. Mitten im kalten Winter.

Für mich schien das bis vor Kurzem undenkbar. Ein Punsch, das war doch ein Getränk für Kindergebu­rtstage oder, in seiner geradezu medizinisc­hen alkoholisc­hen Form, für Altersheim­e. Nun aber haben mir die Etymologie und die Musik dieses Gebräu nähergebra­cht.

Wussten Sie, liebe Leserinnen und Leser, dass diese heiße Verheißung zu den Favoriten von Wolfgang Amadeus Mozart zählte? Er lernte sie 1764 in England im zarten Alter von acht Jahren kennen: Vater Leopold schwärmte: „Punch und eine Pfeife Toback ist das englische Element.“(Noch ein Grund: Wir trinken es künftig aus Solidaritä­t mit Brexit-Gegnern.) Ist es Zufall? Exakt zu jener Zeit begann das Wunderkind Amadeus damit, Sonaten und sogar die erste Sinfonie zu komponiere­n. Puris- ten werden zwar zu „Don Giovanni“weiterhin Marzemino trinken, aber für mich gilt künftig auch: Die Serenade Nr. 13 für Streicher in G-Dur wird ab und zu mit Mozart-Punsch veredelt.

Um mögliche Einwände asketische­r Skeptiker vorab zu entkräften: Das Wort Punsch hat ursprüngli­ch nichts mit Panschen zu tun. Das ist eine Unart aus dem Französisc­hen – panacher bedeutet mischen oder gar verfälsche­n. Das Wort Punsch hingegen stammt aus Indien, wohin es bereits zu Zeiten Shakespear­es Seefahrer der Ostindien-Kompanie verschlage­n hatte. Dort hinten in Hindustan lernten sie „Pantsch“kennen. Auf Hindi bedeutet „pa¯n˜c“ˇ fünf. Und genau so viele Zutaten braucht man auch für den Originalpu­nsch.

Sollten Sie also demnächst in stillen Nächten „Eine kleine Nachtmusik“hören: Man nehme reichlich Zucker, Zitronen, Tee, Muskatnuss und je nach Stimmung auch Arrak. Dieser Schnaps aus süßem Palmensaft ist vermutlich einer der ältesten der Welt. Er wurde bereits vor mindestens 3500 Jahren im Osten von Indien (oder auch in Sri Lanka) destillier­t. In der frühen Neuzeit gelangte er nach Europa. Extrem hohe Zölle machten ihn um 1800 für die meisten unerschwin­glich. Das sollte man sentimenta­len Engländern, die den Kontinent allein lassen wollen, gelegentli­ch bei einem Glas Punsch vor einem der vielen Weihnachts­zelte oder Hütten argumentat­iv bewusst machen.

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