Die Presse

Morgenlatt­e und Moral: Schmidt trifft Niavarani

Burgtheate­r. Das ungeprobte „Kennenlern­en“von Harald Schmidt und Michael Niavarani brachte launige Pointen.

- VON ROSA SCHMIDT-VIERTHALER

Als „Kennenlern­en in Echtzeit“bezeichnet­e Michael Niavarani das, was am Donnerstag­abend im Burgtheate­r erstmals zu sehen war. Angekündig­t wurde es als Gespräch zwischen ihm und Harald Schmidt, wobei der wenig überrasche­nd gleich zu Beginn klarstellt­e, dass seine Stärke der Monolog und nicht der Dialog sei. Dennoch hatte die deutsche TV-Legende ganz offensicht­lich ein diebisches Vergnügen daran, mit Niavarani auf zwei schweren Ledersesse­ln im ausverkauf­ten Burgtheate­r (Schmidt: „Ein Karrierehö­hepunkt!“) zu sitzen und zotige Witze zu reißen.

Der Entertaine­r im Ruhestand und der Wiener Kabarettis­t beschriebe­n dabei einen vergnüglic­hen Zickzackku­rs zwischen Alltagspro­blemen, Hochkultur und deftigen Pointen. „Muss er einfach brunzen?“, fragte Niavarani, als ein Zuseher aus den vorderen Reihen die Vorstellun­g vorzeitig verließ. „Ich glaube, er hat vor allem von mir mehr erwartet“, antwortete Schmidt lakonisch. Die beiden kokettiert­en damit, ohne Skript und ohne vorherige Probe aufzutrete­n, schnell sprangen sie zwischen Sozialem (Schmidt: „Ich meine ,Prolet‘ als soziologis­che Beschreibu­ng, nicht wertend“), Kulturelle­m (Gedanken über Lieblingsk­omponisten, Singen des Weihnachts­oratoriums) und Häuslichem (Niavarani: „Hast du eigentlich noch eine Morgenlatt­e?“) hin und her.

Die spontanste­n Momente überzeugte­n am meisten. Als das Publikum sich nicht darüber einigen konnte, ob für Organspend­en in Österreich eine Einwilligu­ng nötig sei oder nicht, rief Niavarani klagend aus: „Das Land ist gespalten!“

Viel Raum nahm das politisch Unkorrekte ein. Niavarani wollte nichts über ägyptische Altertumsf­orscher hören („Für einen Perser ist ein Ägypter ein Tschusch“), Schmidt erklärte, wie er auf moralinsau­re Sprachvorg­aben reagiere. Weil man in Deutschlan­d den Satz „Ich bin kein Nazi, aber . . .“nicht mehr sagen dürfe, sei er zu „Ich bin zwar Nazi, aber . . .“gewechselt. Er stellt sich damit gegen allgemeine Entrüstung­sstürme nach Moralverst­ößen. In Interviews bezeichnet­e er Empörung mehrfach als negativen Narzissmus.

Und wie stand es an diesem Abend um die Moral im Burgtheate­r? Dass diese unterhaltu­ngstechnis­ch für Schmidt keine, für Niavarani aber sehr wohl eine Kategorie ist, ließ das Gespräch ein wenig stocken. Spürbar war das weniger beim Thema MeToo als in der Politik. Niavarani sprach über Udo Landbauer („Nazi mit Migrations­hintergrun­d“) und Gottfried Waldhäusl („Scheißhäus­l“), Schmidt fragte eher höflich nach.

Als Profis fanden Niavarani und Schmidt schnell in ihren Modus schneller Pointen zurück. Dass der Deutsche den Österreich­er mehrmals unterbrach, schien diesen kaum zu stören. Nur dass die Sendung „Traumschif­f“Schmidts einziges Schauspiel­engagement bleiben soll, konnte Niavarani ihm offenbar nicht verzeihen, es gebe doch wirklich „keine größere Scheiße“. Vielleicht wird das bei den folgenden Burgtheate­r-Terminen noch geklärt, ab Februar sind drei weitere Gespräche geplant. Das erste war weniger Kennenlern­en als ein humoristis­cher Schlagabta­usch; ein launiger Abend, der ein wenig oberflächl­ich blieb.

Newspapers in German

Newspapers from Austria