Abschied von einer makellosen Sängerin des Jazz und Blues
Nancy Wilson ist 81-jährig in Kalifornien gestorben.
Diese Frau besaß Popappeal. Schöne Stimme, apartes Aussehen, Sarkasmus und Intelligenz – Nancy Wilson aus Columbus, Ohio, hatte alles, was ein Star braucht. 1937 geboren, hatte sie es in Zeiten der Rassentrennung freilich doppelt schwer. Weiblich und schwarz, das war eine Bürde fürs damalige Showbusiness. Wilson nahm sie souverän. Mit klarem Timbre und einer um die gewisse Spur verzögerten Intonation betörte sie nicht nur das Jazzpublikum der Sechzigerjahre.
Schon mit 15 Jahren hatte sie ihre eigene TV-Show, „Skyline Melody“. 1957 nahm sie ihre erste Single, „Don’t Tell Me“, auf. 1959 ging sie nach New York. Am Tag arbeitete sie als Sekretärin in einem Technologieinstitut, abends sang sie im legendären Blue Morocco, wo sie Miles Davis und Cannonball Adderley kennenlernte. Mit Adderley nahm sie 1961 ein grandioses Album auf. Alles, was sie damals sang, schnellte die Charts hoch. Wilsons Arrangements, u. a. von Oliver Nelson, waren so elegant wie ihre Erscheinung. Gleichzeitig war sie Aktivistin der Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King. Ihre Interpretationen des Great American Songbook waren makellos, ohne streberisch zu wirken. Platten wie „Sings of Lost Love“und „Yesterday’s Love Songs, Today’s Blues“wurden zu Klassikern. In den Siebzigern befasste sie sich auch erfolgreich mit R&B und Disco. Mit „Sunshine“glückte 1979 ein Hit. 2006 nahm sie mit „Turned to Blue“ihr letztes Album auf. Die vielfache Grammygewinnerin starb jetzt nach langer Krankheit in Pioneertown, Kalifornien. (sam)