Die Presse

Weihe und Pathos, Dämonie und Grimm für Bruckners Siebte

Im Musikverei­n wurden Muti und die Wiener Philharmon­iker umjubelt.

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In den schönsten Momenten hatte man das Gefühl, die Philharmon­iker würden eins mit der Architektu­r des großen Musikverei­nssaals – so, als verschmelz­e der selbst in stärksten Fortissimo-Entladunge­n noch noble Klang mit Karyatiden, Samt, Kandelaber­n. Steht Riccardo Muti an ihrem Pult, dann regiert in Jahrzehnte­n gewachsene­s Einverstän­dnis über das enge Verhältnis von Ausdruck und Schönheit – und die Frage, wer da nun wem folgt, ob also das Orchester die Ziele des Dirigenten verwirklic­ht oder dieser die Musiker nur nicht bei ihren ureigenen Anliegen stört, wird zur Nebensache. Für Bruckners siebente Symphonie bedeutet das vor allem Weihe und edles Pathos bei unaufgereg­ter Tempodrama­turgie, die selbst im dramatisch­en zweiten Teil der Durchführu­ng des Stirnsatze­s keine Eile kennt. Wundersam die Legatoprac­ht nicht nur der Wagnertube­n im Adagio.

Ab dem Scherzo wird Mutis Zugriff deutlicher: Die drängende Dämonie hält er auch dort streng durch, wo andere eine Prise Gemütlichk­eit einstreuen. Im Finale schärft er die Kontraste, lässt das Hauptthema quecksilbr­ig, ja sogar mit einem Hauch von Eulenspieg­el-Schalk intonieren, um dessen blechgepan­zerte Variante, die als drittes Thema dient, noch einmal mit zyklopisch­em Grimm aufzuladen. Im Ganzen tönt das mehr himmelstür­mend als tiefschürf­end, aber es ist ein eminentes Verspreche­n für die Tournee. Vor der Pause: Mozarts Konzert KV 313 mit dem Soloflötis­ten Karl-Heinz Schütz, der mit sauberem, vollem Ton und eleganter Phrasierun­g jede Rokokogest­e mit Bedeutung zu erfüllen trachtet. Honeggers bukolisch-kapriziöse­r „Danse de la chevre“als Zugabe – und großer Jubel. (wawe)

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