Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder über seine Abneigung gegen Timeslots und warum er Nitsch 2019 als Maler zeigt.
Interview.
Die Presse: Apropos Weihnachten: Sie werben im Moment wieder damit, dass in der Albertina der erste Christbaum Wiens stand. Dabei stand dieser doch im Salon der Fanny von Arnstein, 1814, ein paar Jahre zuvor! Klaus Albrecht Schröder: Dieser Christbaum, den Henriette von Nassau 1823 in der Albertina aufstellte, war der erste Christbaum, so geschmückt, wie wir ihn kennen: mit Kerzen, Lebkuchen, vergoldeten Nüssen, Äpfeln, Strohsternen und Windbäckerei. Hier im Audienzsaal der Albertina sah ihn dann Kaiser Franz I. und er gefiel ihm so – obwohl der Grasbaum ein protestantischer Brauch war –, dass er 1824 selbst einen aufstellte. Von hier aus verbreitete er sich binnen Kurzem in der ganzen Monarchie. Jener von Fanny war sicher ein Vorläufer, aber er war ohne Wirkung. Das ist wie mit der Erfindung der Fotografie: Niepce´ hat zwar 1826 schon Versuche gemacht. Als Erfinder gilt trotzdem Talbot 1835. Die Wirkungsgeschichte ist entscheidend.
Also gut. Und an unseren Christbäumen soll heuer die neue Jahreskarte der Bundesmuseen hängen? Sie wurde als „Streifenkarte“kritisiert, weil sie nur je einen Besuch pro Museum erlaubt. Es ist keine Jahres-, sondern eine Teaserkarte. Sie darf die eingeführten Jahreskarten der einzelnen Museen nicht ersetzen. Das Angebot lautet: Wenn Sie nur in drei Museen gehen, wird sich die Karte beim vierten schon für Sie rechnen. Das hilft, die Österreicher auch in andere Museen zu bringen, das ist eine Lokomotive für kleinere Museen, so sinnvoll wie die Lange Nacht der Museen. Die Albertina hat mit über der Hälfte der Besucher, mit 500.000, prozentuell schon den größten Österreicher-Anteil.
Dabei haben Sie voriges Jahr wegen des Jetlags der asiatischen Gäste sogar die Öffnungszeiten auf neun Uhr vorverlegt. Ja, hat aber nichts genützt. Im Belvedere ist das wichtig, wir haben diesen Markt nicht. Ich kann also nur jedem raten, die MonetAusstellung zwischen neun und zehn Uhr zu besuchen, da sind Sie im Verhältnis fast allein. Nächstes Jahr werden wir die Öffnung wieder auf zehn Uhr verlegen.
Waren Sie in der Bruegel-Ausstellung? Ja, zu den normalen Öffnungszeiten. Ich habe sie trotzdem sehen können, bin aber auch überdurchschnittlich groß. Werden Sie bei der großen Dürer-Schau nächstes Jahr auch Slots machen? Dürer 2003 war die zweitbestbesuchte Ausstellung, die wir je hatten, mit 470.000 Besuchern. Es gab keine Slots, ich bin kein Freund davon, man muss eben warten. Wir hatten bisher aber keine Beschwerden.
Wie wird sich diese Dürer-Ausstellung von jener vor 15 Jahren unterscheiden? Natürlich haben wir immer dasselbe Material, nach 15 Jahren kann man das aber schon wieder zeigen. Völlig neu ist, dass die berühmten Studien auf blauem Grund zum Heller-Altar, unter anderem die „Betenden Hände“, keine Vorzeichnungen sind. Kurator Christof Metzger kann plausibel nachweisen, dass es eigenständige Werke waren, die Dürer Sammlern zeigte. Wir werden
ist neben Gabriele ZunaKratky (Techn. Museum) der am längsten dienende Direktor eines Bundesmuseums, beide amtieren seit dem Jahr 2000. 2019 wird die AlbertinaDirektion neu ausgeschrieben, er wäre bereit, seine Vision weiterzuführen, ließ er bereits ausrichten.
1955 in Linz, leitete der Kunsthistoriker u. a. das BA-Kunstforum. Er baute die Albertina um und eröffnete sie 2003 in neuer, erfolgreicher Form. auch wieder die Gemälde ausleihen, zu denen wir Vorstudien haben. Das war vor 15 Jahren noch eine Aufregung, heute wohl nicht mehr.
Wir sind mittlerweile abgebrüht. Sie zeigen ja 2019 auch Nitsch – und zwar nur als Maler, ohne Aktionsfotos und Grafik. Ja, skandalös, nicht wahr? Aber ich brenne dafür, ihn so zu zeigen – als Maler, der sich sehr wohl weiterentwickelt hat über die Jahrzehnte. Genauso brenne ich dafür, nächstes Jahr Lassnig und Rainer zu zeigen.
Sie zeigen nächstes Jahr auch zwei Privatsammlungen, Guerlain und Liechtenstein. Was macht Privatsammlungen eigentlich so sexy – wenn man an den „Wow“-Effekt von Horten im Leopold Museum denkt? Sie sind nicht prinzipiell sexy, Horten hatte einfach kapitale Werke der klassischen Moderne. Zu Guerlain, das ist die Zeichnungssammlung des Centre Pompidou, und zu Liechtenstein werden nicht die Massen kommen. Grundsätzlich aber zeichnen sich Privatsammler oft durch unendliches Kennertum, Leidenschaft und Sammlungskompetenz aus, die es in Museen, selbst wenn es die Mittel gäbe, bei Kuratoren nicht gibt. Dieses subjektive Element, das man gern negativ ins Rennen führt, ist das Entscheidende – nur dann brennt man, das ist der Idealfall, auch für Kunsthistoriker. Womit wir bei der Sammlung Essl wären. Wird 2019 eröffnet? Geplant ist im Spätherbst, der Bau wird im April übergeben. Aber diktieren werden das die Restauratoren. Es gibt Probleme mit den instabilen Gips-Dekorationen.
Es gab zuletzt Kritik des Rechnungshofs an den Kosten der Essl-Schenkung, „Der Standard“ahnte Restitutionsfälle in der Essl-Sammlung. Haben Sie Ihr Engagement schon einmal bereut? Keine Sekunde! Ich verfolge über Jahre eine Strategie. Dazwischen bin ich manchmal wahnsinnig deprimiert, bei Essl war das so, aber ich bleibe bei meiner Strategie. Sie basiert auf einer Diversifikation der Sammlungen. Wenn wir nicht mehrere Pfeiler hätten, von Klassischer Moderne bis Gegenwart, könnten wir nicht die Ausstellungen machen, die wir machen, von Michelangelo bis Monet. Denn das ganze internationale Leihgeschäft basiert auf Geben und Nehmen.
Sie haben einmal bei einem Radiointerview gesagt, Ihr Prinzip sei, nie einen Fehler zuzugeben. Daran muss ich bei solchen Antworten immer denken. Das muss ironisch gewesen sein. Ich habe Fehler gemacht. Etwa eine Betonmauer beim Bau der Basteihalle nicht abreißen zu lassen. Die Verengung sehe ich jeden Tag. Sonst niemand. Es stört mich wahnsinnig.