Zeit zur Gegenwehr: Politikerinnen müssen sich nichts gefallen lassen
Wird gerade ein alter Trend neu belebt, weil es mehr „Opfer“gibt? Die öffentliche Abwertung von Frauen in der Politik scheint auffällig beliebt zu werden.
Netter Versuch, könnte man sagen. Zwei Szenen in den weltpolitischen Machtzentren Washington und Berlin haben in den vergangenen Tagen absolut nichts miteinander zu tun und doch eines gemeinsam: Männer versuchten sich in der öffentlichen Abwertung ihrer weiblichen Gegenüber – und blieben als die Dummen übrig.
In Washington war es die Konfrontation zwischen Präsident Donald Trump und Nancy Pelosi, der Sprecherin der künftigen Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus. Nicht nur dass Trump sie immer wieder rüde unterbrach, wollte er ihr auch noch ihre Arbeit im Kongress erklären. So nach dem Motto: „Make mansplaining great again.“Mansplaining ist übrigens ein Begriff, der sich so nicht ins Deutsche übersetzen lässt, seit 2008 populär ist und so viel bedeutet wie: Ein Mann versucht in herablassender Weise zu erklären, was das weibliche Gegenüber eigentlich meint, sagen will oder zu tun hat.
Bei Pelosi war Trump allerdings an die falsche Frau mit 30 Jahren Erfahrung in der Politik geraten: Er solle gar nicht erst versuchen, ihr zu erklären, was ihre Stärke bei dieser Unterhaltung sei, nachdem die Demokraten gerade einen großen Sieg eingefahren haben. Es war nicht ganz ersichtlich, ob Trump wegen dieser ruhigen und kühlen Zurechtweisung einen roten Kopf bekommen hat oder aus einem anderen Grund. Später sollte sich Pelosi noch über Trumps Männlichkeit lustig machen.
Sollte Trump vorgehabt haben, Pelosi den anwesenden Journalisten „vorzuführen“und via Fernsehaufnahmen in einer breiten Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preiszugeben, so hat das nicht funktioniert. Er konnte sie nicht aus der Ruhe bringen.
In Berlin versuchten es letzten Sonntag in der Diskussionsrunde bei Anne Will FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki und der Chefredakteur des „Handelsblatts“, Gabor Steingart, mit der Abwertung der neuen CDU-Chefin, Annette Kramp-Karrenbauer. Man sah den beiden Männern so richtig die Freude daran an. Unver- hohlen süffisant erläuterte Kubicki, was er AKK alles nicht zutraue, während er sich selbst „alles zutraut“. Und Steingart erklärte ihr herablassend, was in ihrem Bundesland, Saarland, alles schlecht sei.
Ganz ruhig wies Kramp-Karrenbauer diese respektlose Art der Diskussion zurück, um dann auf der Basis ihrer 18-jährigen Regierungserfahrung völlig emotionslos Steingart alt aussehen zu lassen.
Apropos alt: Man könnte das Verhalten von Trump, Kubicki et al. auch als den Versuch der „weißen alten Männer“zur Absicherung ihrer Machtpositionen abtun. Doch das würde dem, was sich da als altes, neues Phänomen abzeichnet, nicht ganz gerecht werden. Es geht um mehr. Um eine Gegenbewegung zur Defensive der letzten Zeit?
Das Phänomen der spontanen und völlig unbelegten Abqualifizierung war ja auch vor der Kür von Pamela Rendi-Wagner zur SPÖ-Chefin zu beobachten. Bevor sie noch begonnen hat, war sie schon „überfordert“etc. Im Übrigen wäre es besser gewesen, Rendi-Wagner hätte alle abwertenden Äußerungen gleich scharf und öffentlich zurückgewiesen.
Die neue SPÖ-Chefin sollte sich an Pelosi und der neuen CDUVorsitzenden ein Beispiel nehmen: Es wäre Zeit zur Gegenwehr, bevor sich der Trend zur Abwertung der Frauen in der Politik aufs Neue verfestigt. Man kann ihn auch daran erkennen, dass sich vor allem Männer an Politikerinnen „abarbeiten“: Angela Merkel, die Versagerin, heißt es jetzt. Theresa May, die Hilflose. AKK, der Merkel-Klon. Sie müssen es ja wissen, oder?
Die Gegenwehr verlangt von Frauen erhöhte Sensibilität dem „mainsplaining“gegenüber. Untersuchungen zeigen, dass Männer Frauen doppelt so oft beim Reden unterbrechen als Männer. Diese Unart muss abgestellt werden. Das können nur Frauen, indem sie ihr männliches Gegenüber mehr oder weniger sanft dumm aussehen lassen. Das wäre ein Signal: Wir wissen, was ihr versucht!