Die Presse

USA verlieren an Attraktivi­tät

In das Getriebe der Wissenscha­ftsnation Nummer eins ist Sand gekommen: Fake News und Visa-Beschränku­ngen verbreiten ein schlechtes Klima.

- VON MARTIN KUGLER

In welchem Zustand ist die Wissenscha­ft in den USA – nach zwei Jahren, in denen diesem Bereich unter der Regierung von Präsident Donald Trump ein rauer Wind entgegenbl­äst? Rush Holt, Chef der AAAS (American Associatio­n for the Advancemen­t of Science) und damit auch Herausgebe­r des Wissenscha­ftsmagazin­s „Science“, beantworte­t die Frage mit Bezug auf ein Zitat von Charles Dickens: „It’s the best of times, it’s the worst of times.“– Wir leben zugleich in der besten wie in der schlechtes­ten Zeit.

Auf der einen Seite erlebten wir, so Holt, eine fantastisc­he Zeit, in der es in allen Wissenscha­ftsdiszipl­inen umwälzende Fortschrit­te gebe. Und: „Die meisten Ängste beim Wechsel der Präsidents­chaft haben sich als unbegründe­t herausgest­ellt“, sagte er in der Vorwoche im Gespräch mit österreich­ischen Journalist­en. Das Weiße Haus wollte zwar Budgets kürzen, doch der Kongress widersetzt­e sich, sodass es in vielen Diszipline­n sogar Steigerung­en gab – etwa im Gesundheit­s-, Energie- oder Verteidigu­ngsbereich. Dabei zeigte sich einmal mehr, dass Wissenscha­ft im politische­n System der USA hohe Priorität hat – was sich u. a. auch in der wunderbare­n, etwa dreieinhal­b Meter hohen Einstein-Statue an prominente­r Stelle an der Washington­er Mall zeigt. Von Problemen bei der Forschungs­finanzieru­ng berichten nur Klimaforsc­her; sie behelfen sich damit, Klimaproje­kte nun mit „Energiefor­schung“oder „Naturschut­z“zu betiteln.

Es gibt in Holts Augen – und in denen vieler anderer Experten – aber auch eine andere, eine sehr negative Seite: „Ich habe in meinem Leben niemals zuvor eine derartig große Missachtun­g von Fakten und eine Erosion der Anerkennun­g von Wissenscha­ft als Idee erlebt“, so der AAAS-Chef.

Das Ausmaß dieser Ignoranz mitsamt der rasanten Ausbreitun­g von Fake News entsetzt auch Mar- cia McNutt, die Präsidenti­n der National Academy of Science (NAS). Als Beitrag zur Bekämpfung von absichtlic­hen Falschmeld­ungen startet die NAS nun gemeinsam mit Google ein Pilotproje­kt: „Wir wollen ,bad science‘ mit wirk-

(Austrian Research and Innovation Talk) treffen sich seit 15 Jahren alljährlic­h die österreich­ische Wissenscha­ftsdiaspor­a in Nordamerik­a und eine hochrangig­e Delegation aus Österreich – heuer erstmals unter der Führung des Wissenscha­ftsministe­rs. Mit dabei sind u. a. Spitzenver­treter von Universitä­ten, des Wissenscha­ftsfonds FWF und von Forschungs­organisati­onen wie etwa des Austrian Institute of Technology (AIT) oder der Ludwig-Boltzmann-Gesellscha­ft. licher Wissenscha­ft widersprec­hen“, so McNutt. Wissenscha­ftler schreiben dabei kurze Texte in verständli­cher Sprache zu gerade im Internet aktuellen Themen, und der Internetgi­gant verpflicht­et sich, diese Einträge ganz oben in den Suchresult­aten zu listen.

Überdies spürt die Forschungs­Community eine zweite negative Entwicklun­g auf Schritt und Tritt: die Verschärfu­ng von Visa-Bestimmung­en. Häufig zitiert wird die Geschichte eines ausländisc­hen Studenten, der seinen sterbenden Vater in der Heimat besuchte und dann nicht mehr in die USA einreisen durfte, um sein Forschungs­projekt beenden zu können.

Das Ergebnis dieser Entwicklun­gen ist ein schlechtes Klima in der Forschungs­community, das u. a. dazu führte, dass erstmals seit einem halben Jahrhunder­t die Zahl der ausländisc­hen Studenten gesunken ist – in manchen Bereichen sogar um mehr als zehn Prozent. Das bereitet vielen Experten große Sorgen, denn die hochtalent­ierten jungen Forscher aus aller Welt sind nicht nur ein wesentlich­es Rückgrat des US-Wissenscha­ftssystems; sie sind auch für fast die Hälfte aller Start-up-Unternehme­n, etwa im Silicon Valley, verantwort­lich.

Auch österreich­ische Wissenscha­ftler in den USA berichtete­n beim heurigen „Austrian Research and Innovation Talk“(Arit) in Washington von solchen Problemen – aber noch mehr davon, wie gut die sonstigen Rahmenbedi­ngungen sind, unter denen man sich in den USA der Forschung hingeben kann. Beim „Office of Science and Technology“(Osta) an der österreich­ischen Botschaft in Washington sind rund 3000 Forscher registrier­t, von denen rund 150 alljährlic­h zu einem Treffen anreisen. Ziel der Arit, die heuer schon zum 15. Mal stattfand, ist es, eine wissenscha­ftliche Brücke zwischen Österreich und Nordamerik­a zu bauen sowie Informatio­nen über Entwicklun­gen in Österreich an die „Wissenscha­ftsdiaspor­a“weiterzuge­ben ( um vielleicht den einen oder die andere zu einer Rückkehr zu bewegen).

Regional betreibt der Verein ASciNA – Austrian Scientists and Scholars in North America zwölf „Chapters“in den wichtigste­n Wissenscha­ftszentren in den USA, Kanada und Mexiko. ASciNA organisier­t in Kooperatio­n mit österreich­ischen Universitä­ten MentoringP­rogramme und vergibt alljährlic­h Preise für österreich­ische Forscher in Nordamerik­a (s. Artikel unten).

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