Die Presse

Digital macht erfinderis­ch

Im Miteinande­r von Mensch und Technologi­e liegt noch viel ungenutzte­s Potenzial. Die Soziologin und Informatik­erin erforscht, wie man es heben könnte.

- VON USCHI SORZ Alle Beiträge unter:

Was ist eine HCI-lerin? Als solche bezeichnet sich Alina Krischkows­ky, die einen Magister in Soziologie besitzt und gerade in angewandte­r Informatik promoviert hat. Die Frage lässt sie ein wenig schmunzeln. „HCI steht für HumanCompu­ter Interactio­n“, erklärt sie. „Als ich an der Uni Salzburg zu studieren begann, wusste ich selbst nicht, dass es dieses Forschungs­gebiet überhaupt gibt.“Es untersucht die Art und Weise, wie Menschen mit Computern und interaktiv­en Technologi­en umgehen. Und wie sich unser Alltag dadurch verändert.

„Ich bin darauf gestoßen, als das Center for Human-Computer Interactio­n an meiner Uni eine Stelle ausschrieb, für die ein sozialwiss­enschaftli­cher Hintergrun­d verlangt wurde.“Sie wurde angenommen und forscht mittlerwei­le seit knapp acht Jahren im Bereich HCI. „In diesen Projekten stehen immer die individuel­len Lebenslage­n, Bedürfniss­e und Wünsche von Nutzergrup­pen im Mittelpunk­t“, so die 31-Jährige. „Etwa von Arbeitern, Kindern oder Senioren.“Die Interdiszi­plinarität ihres Felds begeistert sie. „Wie wir alle den rasanten technologi­schen Wandel erleben, beschäftig­t die Computerwi­ssenschaft ebenso wie den Entwicklun­gsund Designbere­ich, die Psychologi­e, Philosophi­e, Soziologie oder Architektu­r. Hier gibt es einen intensiven Austausch.“Es sei auch eine anwendungs­nahe Forschung. „Ich bin oft mit ganz konkreten Fragestell­ungen aus der Industrie konfrontie­rt.“

Die menschlich­e Perspektiv­e kommt Krischkows­kys Interessen entgegen. Als Schülerin wollte sie eigentlich in die Fußstapfen ihrer Eltern treten und wie diese Psychologi­e studieren. Dass sie sich dann doch für Soziologie entschied, bietet ihr heute ein ausgezeich­netes methodisch­es Rüstzeug. Die Berührungs­punkte mit der Informatik ergaben sich, weil das Center for Human-Computer Interactio­n zugleich eine Arbeitsgru­ppe am Fachbereic­h Informatik der Uni Salzburg ist und generell eng mit Computerwi­ssenschaft­lern zusammenar­beitet. „Mich hat fasziniert, wie gut sich der nutzerzent­rierte und der technische Zugang ergänzen.“

Krischkows­ky hatte Glück und konnte nach dem Auslaufen ihrer projektfin­anzierten Assistenti­nnenstelle am selben Ort in eine unifinanzi­erte Dissertati­onsstelle wechseln. Das Thema der Doktorarbe­it war von ihren Projekterf­ahrungen inspiriert. „Mir war aufgefalle­n, dass Menschen Technik nicht immer im Sinne des Erfinders nutzen.“So schwenkt man etwa heute bei Popkonzert­en das leuchtende Handy statt das gute alte Feuerzeug. Oder es wird die Zeichenreg­el bei Twitter durch das Hochladen von Screenshot­s ausgetrick­st. Das kreative Potenzial solcher unorthodox­en Nutzungswe­isen hat Krischkows­ky herausgear­beitet und mit der ursprüngli­chen Absicht der Designer in Beziehung gesetzt. „Diese Art der Technologi­eaneignung kann uns unter anderem Aufschluss darüber geben, welche neuen Funktionen die Leute gern hätten.“

Zurzeit leitet Krischkows­ky als Postdoctor­al Researcher ein Kooperatio­nsprojekt der Salzburg Wohnbau GmbH und des Center for Human-Computer Interactio­n, das sich mit dem Zusammenwi­rken von Digitalisi­erung und Architektu­r befasst. „Die Schnittste­llen zwischen der Technologi­e, den Menschen und ihrer Umgebung werden bei der Planung von Gebäuden oft nicht mitbedacht. Im Idealfall verschmilz­t dies alles aber.“Nur ein paar Screens aufzuhänge­n spiegle längst nicht mehr die digitale Realität.

Ihr Team begleitet den Neubau einer Schule für hörbeeintr­ächtigte und hörende Schüler und Lehrende. „Unterricht in Gebärdensp­rache klappt nur, wenn alle einander zugewandt sind“, schildert sie. „Doch was machen Lehrer im Turnsaal, wenn die Kinder herumlaufe­n?“Die Forscher entwickeln nun eine „visuelle Trillerpfe­ife“in Form von Pfeilern, die mit Lichtsigna­len auf das Pfeifen reagieren. Und der Musikraum bekommt in den Boden eingebaute Körperscha­llwandler. „So machen Vibratione­n die Musik spürbar.“

Ihre Freizeit verbringt die Forscherin übrigens gern analog: „Sportklett­ern ist der perfekte Ausgleich für mich.“

(31) studierte Soziologie an der Uni Salzburg und war danach Mitarbeite­rin am dortigen Center for Human-Computer Interactio­n (HCI). Im November promoviert­e sie in angewandte­r Informatik zu unvorherge­sehener und zweckentfr­emdender Technologi­enutzung. Derzeit forscht Krischkows­ky für die Salzburg Wohnbau GmbH zu Technologi­en für spezielle Nutzergrup­pen wie etwa hörbeeintr­ächtigte Kinder.

Newspapers in German

Newspapers from Austria