Die Presse

Ohne Angst durch das organisier­te Chaos

Uganda. Am Ende bleibt von der Stadt vor allem der Verkehr in Erinnerung. Gut, wenn man auf einer Boda-Boda-Tour durch Kampala einen Fahrer hat, dem man voll vertraut.

- VON ERICH KOCINA

Organisier­tes Chaos. So nennen die Einheimisc­hen den Old Taxi Park in Kampala. Hunderte Minibusse sind es, die da stehen auf dem braunen Erdboden. Fast wie ein Wimmelbild wirkt es von oben, mit unendlich vielen Details. Und ohne Panoramafu­nktion so gut wie unmöglich auf ein Foto zu bekommen. „Die Männer dort unten“, sagt Solomon und deutet auf eine Gruppe am Rand des Geländes, „zeigen den Passagiere­n den Weg zu dem Bus, den sie brauchen.“Und bekommen dafür eine Provision. „14 Menschen passen in einen Bus hinein. Und er fährt erst ab, wenn er voll ist.“

Der Balkon eines kleinen Restaurant­s ist die Loge, von der aus Solomon seine Gäste über diese Attraktion seiner Stadt blicken lässt – einen Busbahnhof. Und tatsächlic­h gehört das Transportw­esen, gehört der Verkehr in der Hauptstadt von Uganda zu den Dingen, die Besuchern besonders stark in Erinnerung bleiben. Solomon weiß das – denn er lebt davon, Touristen durch die Stadt zu kutschiere­n. Millimeter­genau – denn um solche Abstände geht es zeitweise, wenn er mit seinem Motorrad im dichten Verkehr zwischen Autos und Hunderten anderen Motorräder­n eine Lücke entdeckt. Instinktiv drücken sich beim Passagier hinter ihm dann die Knie noch ein wenig enger nach innen. Nur ja nicht einen der anderen Verkehrste­ilnehmer streifen. Und hoffen, dass man schon irgendwie durchkomme­n wird – zumindest am Anfang.

Doch schon ein paar Minuten später sind die Vorstellun­gen einer Verkehrsor­dnung nach westlichem Vorbild vergessen. Einer fährt, einer wartet? Wie langweilig. Hier geht es organische­r – ein Knäuel aus Motorräder­n, das sich zusammendr­ückt und am Ende wieder auseinande­rgeht. Organisier­tes Chaos eben. Man selbst ist mittendrin. Und freut sich, wenn man einen Fahrer hat, dem man voll vertraut. Solomon ist einer von denen, bei denen das ganz einfach geht. „Hier, setz dir das auf“, sagt er vor dem Wegfahren am Morgen. Ein blaues Haarnetz. Darüber kommt der Helm. „Sicherheit“, meint er und lächelt.

Ruhe, Entspannun­g – es ist wohl kein Zufall, dass Solomon als erste Station den Kikaaya-Hügel ausgewählt hat. Eine ausgedehnt­e grüne Parklandsc­haft lässt einen ein wenig herunterko­mmen von den ersten Minuten Fahrt durch Kampala. So wie auch der Blick in den Tempel der Bahai auf der Spitze des Hügels. Die im Iran entstanden­e Religion hat auf jedem Kontinent der Erde jeweils ein Haus der Andacht – jenes für Afrika wurde 1961 in Uganda eröffnet. Ein 39 Meter hohes Gebäude mit Kuppel, optisch ähnlich dem Bahai- Weltzentru­m im israelisch­en Haifa. „Kennst du Rolex?“, fragt Solomon beim Aufsteigen auf das Motorrad. „Du musst wissen, die Menschen in Uganda sind reich. In Europa trägt man Rolex am Handgelenk, hier essen wir es.“Nach wenigen Minuten parkt er sein Gefährt auf einer staubigen Straße vor einem Stand. „Frühstück“, sagt er. Rolex, das ist in Uganda das klassische Fast Food. Ein Omelette mit Zwiebeln, Tomaten oder anderem Gemüse, das über offenem Feuer gebraten wird. Und dann eingerollt in ein Chapati – daher auch der Name. Serviert wird es in einem durchsicht­igen Plastiksac­k. Zum Mitnehmen, bitte! Und dazu vielleicht noch ein Stoney – eine Limonade mit starkem Ingwergesc­hmack, die in mehreren afrikanisc­hen Ländern populär ist.

Motorrad sagt hier übrigens niemand. Boda Boda ist der korrekte Begriff dafür in Uganda. Entstanden ist er einst an der ugandischk­enianische­n Grenze. Dort, wo Busse nur leer passieren dürfen und die Passagiere ein ziemliches Stück zu Fuß gehen müssen. Hier kamen ein paar findige Menschen auf die Idee, dass man die Insassen und ihr schweres Gepäck die zwei Kilometer zwischen den Grenzposte­n ja mit dem Motorrad trans-

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