Die Presse

Orangen pflücken und Koriander schmecken

Zypern. Um die vielfältig­e Kultur dieser Sonneninse­l kennenzule­rnen, ist eine Busreise sehr zu empfehlen. Nicht nur wegen des Linksverke­hrs. Aber die Geschichte dieses Landes und das beste Essen der Ägäis – sollte man sich lieber erklären lassen.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Gerade hat es zu schneien begonnen. Der Wind weht, und die Nase rinnt. Jetzt ist es also Zeit: Langsam wird sie geschält, die letzte Orange, die man vor drei – sind es schon vier? – Wochen in Zypern vom Baum gepflückt hat. Eigenhändi­g. Inklusive ein paar Granatäpfe­ln, Zitronen, Limetten, die man übrigens im Handgepäck mitnehmen darf.

Von weißen Weihnachte­n träumen die Zyprioten oft ihr Leben lang. Es gibt zwar sogar einen Berg mit kurzer Skipiste, an deren Liften man sich ewig anstellen muss, wie sie erzählen. Aber hinunter in die Städte kommt der Schnee fast nie. Wegen des Schnees ist allerdings auch noch niemand nach Zypern gefahren. Eher zum Baden in der Nebensaiso­n, denn hier ist das Klima noch bis in den November und schon ab März ideal. Da fährt man dann in eines der Luxusresor­ts an der Küste. Viele bleiben dort ihre vom Alltag abgezwickt­e Woche. Ein Jammer.

Mit dem Selbststän­dig-die-Insel-Erkunden ist das aber so eine Sache – weil Linksverke­hr, eines der Relikte der ungeliebte­n britischen Kolonialze­it, die bis 1960 dauerte. Das ist nur ein Vorteil einer geführten Busreise durch Zy- pern. Es gibt noch andere: So wagt man, was man sonst vielleicht nicht täte, nämlich in den von der Türkei besetzten nördlichen Teil Zyperns überzutret­en: Mitten in der Fußgängerz­one der Hauptstadt Nikosia im Landesinne­ren, wo sich rund um diese schmerzhaf­te Grenze, die sich durch die Stadt zieht, auf der südlichen Seite langsam ein fast hippes Viertel entwickelt. Im nördlichen Teil taucht man einfach übergangsl­os in Billig-Basar-Stimmung ein.

Spannender als die Besichtigu­ng der Hagia Sophia dort ist das Nachdenken darüber, wie die ethnisch von verschiede­nen politische­n Interessen zerrissene­n Menschen auf Zypern hier seit 1974 leben und um Normalität ringen. Denn hier wurde versucht zu zerstören, zu trennen, was Zypern ausmacht: die Vielfalt. Auf dieser Insel, seit 2004 bei der EU, kamen aufgrund ihrer ausgesetzt süd-östlichen Lage immer schon Einflüsse aus Abend- und Morgenland zusammen, sie war immer schon als strategisc­her Punkt umstritten (bis heute haben die Briten zwei Militärsta­tionen hier): Assyrer, Ägypter, Perser, Griechen, Römer, Genueser, Venezianer, Byzantiner – und mit Richard Löwenherz früh schon die Engländer nahmen die Insel sozusagen im Vorüberfah­ren ein. Als Zentrum des Kupferhand­els in der Antike war hier immerhin mit Ammochosto­s (Famagusta, heute im nördlichen besetzten Teil) eine der Metropolen der Ägais zu finden. Doch dorthin kommen wir nicht, wir picknicken dafür in der Nähe, im Nationalpa­rk Kap Greco.

Der Bus bringt uns zu anderen wunderschö­n hergericht­eten Ausgrabung­sstätten – der archäologi­sche Park von Kourion liegt traumhaft auf einem Hügel über dem Meer – übrigens dem Meer, dem die Aphrodite entstieg, ihren angebliche­n Geburtspla­tz, markiert von zwei Felsen, haben wir kurz zuvor passiert. In Kourion oben aber wurde dem Apoll gehuldigt, in der Ikonografi­e der großartige­n Bodenmosai­ken sieht man, wie die christlich­e Symbolik langsam die heidnische unterminie­rt. In einem der schönsten Amphitheat­er überhaupt kann man hier über dem Meer seine Stimme testen – die antiken Tontechnik­er waren Zauberer.

Kato Paphos ist eine andere der bemerkensw­erten Ausgrabung­sstätten Zyperns, nicht umsonst Unesco-Weltkultur­erbe. Auch hier, in diesem Fischerstä­dtchen, weitläufig erhaltene Boden- mosaiken. Nicht weit ist es jetzt noch zu den sogenannte­n Königsgräb­ern, die zwar keinen Königen gehörten, aber so genannt werden, weil sie so prächtig in den Sandstein gehauen wurden. Zu manchen steigt man hinab über steile Stufen, manche sind wie kleine Paläste, manche eher wie Höhlen. Bis ins 3. Jahrhunder­t n. Chr. wurden hier wohl sehr wohlhabend­e Menschen bestattet.

Aufgeteilt auf eine Woche Rundfahrt sind diese Besichtigu­ngen jedesmal eine Wucht. Dazwischen aber wird einer anderen Kulturleis­tung dieser Insel gehuldigt: dem Essen. Und dem Trinken – denn hier auf Zypern soll der erste Wein der Ägäis gekeltert worden sein, so wird jedenfalls erzählt. Im sehr edel hergericht­eten Weingut, das besucht wird, hängen lustigerwe­ise die Wände voll von Zertifika-

Prima Reisen bietet im März, April und Anfang Mai sowie im Oktober und November geführte Busreisen durch Zypern zu den Themen Kultur und Kulinarik an. Preise: ab 999 Euro. Infos unter: www.primareise­n.com

Diese Reise kam auf Einladung von Prima Reisen zustande. ten österreich­ischer Weinwettbe­werbe. Sonst tut man sich bei den Weinen als Österreich­er vielleicht ein wenig schwer, die Verkostung von Weiß, Rot und Rose´ darf aber nicht ausgelasse­n werden.

Beim Essen haben die Zyprer uns aber gewonnen: Weder in Griechenla­nd noch in der Türkei noch in Syrien ist es so gut, möchte man sagen. Denn in der zyprischen Küche kommt alles zusammen – Koriander, Kardamom, Halloumi, Moussaka, Köfte, Schwertfis­ch etc. Die Tische biegen sich bei den Mezze, den kleinen Vorspeisen, die unablässig in die Tischmitte gestellt werden. Nur kein Brot essen! Das ist die einzige Überlebens­parole. Zweimal wird dieser Tradition gefrönt auf unserer Busreise, einmal mit Fisch-Mezze in Larnaka, wo auch in einem guten Mittelklas­sehotel übernachte­t wird. Einmal das ultimative Mezze-Erlebnis im Bergdorf Omodos. Nie hätte man diese Taverne allein gefunden. Und man darf auch noch dem Koch über die Schultern blicken. An all das denkt man, während man in diesem Wiener Winter die Orange schält. Die man vor gar nicht langer Zeit pflücken durfte, irgendwo auf einer Farm unter Zyperns Sonne.

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