Die Presse

„In Afrika kennen wir keine Eile“

Simbawe. Ein Land voller Hoffnung und unvorstell­barer Schönheit schafft es, sogar ein quirliges Grüppchen zur Ruhe zu bekehren.

- VON JUDITH HECHT

Die Menschen in den langen Schlangen vor den vier Einreisesc­haltern auf dem Flughafen Victoria Falls werden langsam ungeduldig. Eine Stunde nach Ankunft hat immer noch niemand sein Visum ausgestell­t bekommen. Dabei sind alle Schalter besetzt. Ein besonders Ungeduldig­er fragt in forschem Ton und mit Geldschein­en wachelnd, wann es denn endlich weitergehe: „There is no rush in Africa“, antwortet ihm eine Angestellt­e des Flughafens mit einem entwaffnen­den Lächeln. Eine weitere Stunde später hält jeder von uns das notwendige Visum in Händen. Was uns nur wundert: Während die eine dafür 30 Dollar gezahlt hat, wurden der anderen 50 Dollar abgeknüpft. Fazit: Es lohnt sich, informiert zu sein.

Noch oft denken wir während der folgenden Tage daran, dass es hier niemand eilig hat, niemand eilig haben will. Und es ist gut so.

Unser Reisegrüpp­chen wähnt sich schon einige Stunden später in einer ganz anderen Welt, nämlich in einem wunderschö­nen Camp des Reiseveran­stalters Wil- derness. Es heißt Linkwasha und liegt im Hwange National Park im Westen von Simbawe. Müdigkeit, Hitze und die vergeblich­e Suche nach einem Handynetz spielen schon auf der Hinfahrt eine untergeord­nete Rolle. Denn wir erblicken in der endlosen Weite laufend Tiere, die uns in ihren Bann ziehen – Elefanten, Zebras, Nashörner, Löwen und unzählige kleine Äffchen. Sie kümmert unsere Aufgeregth­eit nicht, auch unsere Begeisteru­ngsrufe sind ihnen egal, ganz so, als wollten sie uns sagen: „Redet nicht so viel. Nehmt euch nicht so wichtig. Hier gelten eure Regeln nicht. Seid still und staunt.“Und genau das tun wir, solange wir zu Gast in ihrem Land sein dürfen, nahezu ununterbro­chen.

Unsere Tage beginnen sehr früh. Um halb sechs Uhr holt uns der fürsorglic­he Guide Chuma mit einem Gewehr bewaffnet von unseren Luxuszelte­n ab, um uns sicher zum Frühstück ins Haupthaus zu bringen. Ein wütender Elefant oder – schlimmer noch: ein aufgeschre­cktes Nilpferd – könne Menschen sehr gefährlich werden, erklärt er uns mit Nachdruck. Bei den dann folgenden Safaris erfahren wir auch, warum man Nilpferde untertags nur im Wasser antrifft. „Ihre Haut ist so sensibel und erträgt die Sonne nicht, deshalb sind sie im Wasser und bewegen sich erst nach Sonnenunte­rgang an Land“, sagt Chuma. Und noch vieles andere weiß er uns zu erzählen, aber am wichtigste­n von allen: Er schafft es, uns nicht nur für Fauna und Flora von Simbawe zu begeistern, sondern uns seinen tiefen Respekt für die Menschen dieses Landes zu vermitteln, die ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft über all die Jahrzehnte hindurch nicht verloren haben.

„Unity – Freedom – Work“– diese Begriffe sind auf dem Staatswapp­en zu lesen. Doch von all dem merken die über 16,5 Millionen Einwohner des ehemaligen Südrhodesi­en im Alltag kaum etwas. Viele von ihnen hatten damit gerechnet, dass sich nach der Absetzung des über 90-jährigen Robert Mugabe im November 2017 endlich ein neues politische­s Regime etablieren könne. Schlechter – so dachten sie – könne es nicht mehr werden. Doch was danach geschah, knickte viele von ihnen. Nach dubiosen Präsidents­chaftsund Parlaments­wahlen im Juli 2018 wurde der langjährig­e Vertraute und Weggefährt­e Emmerson Mnangagwa Präsident der geknechtet­en Republik.

Die Wirtschaft des Landes liegt also nach wie vor am Boden (BIP 2016 pro Kopf 1029 Dollar), denn

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