Die Presse

Von klassisch-kitschig bis trendig-hip

Weihnachts­markt-Architektu­r. Auch wenn die stimmungsv­ollen Standln nur ein paar Wochen im Jahr geöffnet haben: Ihr Erscheinun­gsbild ist alles andere als beliebig.

- VON MICHAEL LOIBNER

Weihnachts­punsch, süßlicher Duft, stimmige Atmosphäre – das sind die heimischen Weihnachts­märkte. Doch hat jeder sein eigenes Flair – das sehr wesentlich vom Aussehen der Hütten bestimmt wird. Ob klassisch-kitschig oder trendighip: Die Verkaufsst­ände geben meist schon die ersten Hinweise darauf, was die Besucher auf dem jeweiligen Markt erwartet. Und sie entscheide­n mit, ob der Markt letztlich in die erfolgreic­he Kategorie „Ihr Kinderlein, kommet“fällt oder ob dort eher das Motto „Stille Nacht“angesagt ist.

Das weiß man auch bei der Stadt Wien. Dort ist zwar keine MA2412, sehr wohl aber die MA59 für die Genehmigun­g der – heuer 22 – Wiener Weihnachts­märkte zuständig. Diese wacht auch über das Erscheinun­gsbild. „Wer einen Weihnachts­markt organisier­en will, muss ein Ansuchen stellen und Ansichten der geplanten Hütten beilegen“, erklärt Abteilungs­sprecher Alexander Hengl. Sachverstä­ndige prüfen dann unter anderem, ob die Hütten ins Stadtbild passen. Dabei wird auch Innovative­s durchaus geschätzt. „Die weißen Hütten des K+K-Weihnachts­markts auf dem Michaelerp­latz etwa entspreche­n nicht der traditione­llen Vorstellun­g, passen aber gut vor die Hofburg“, sagt Hengl.

Wie wichtig die Umgebung ist, belegt auch das Stadtmarke­ting Wien – Geschäftsf­ührer Michael Draxler anhand eines Beispiels: „Die Verkaufsst­ände des Weihnachts­markts am Spittelber­g zeichnen sich optisch nicht besonders aus und würden vor dem Belvedere wahrschein­lich billig wirken. In die verwinkelt­en Gassen passen sie aber perfekt.“So sind die Hütten möglicherw­eise auch ein Faktor, warum der Markt am Spittelber­g vom Fachmagazi­n „Falstaff“in dessen aktueller Ausgabe zum beliebtest­en Wiener Weihnachts­markt gekürt wurde.

Wenig Kopfzerbre­chen bereitet den Experten übrigens der Christkind­lmarkt auf dem Rathauspla­tz, der auf den allererste­n Wiener Adventmark­t aus dem frühen 17. Jahrhunder­t zurückgeht: Dort haben sich die Hütten schon seit mehreren Jahrzehnte­n im immer gleichen Design bewährt.

In Graz ist man bei der Wahl der Partner für die Weihnachts­märkte noch penibler. Nicht die Veranstalt­er suchen sich aus, wo sie ihre Events durchführe­n möchten, sondern Graz-Tourismus gibt in Kooperatio­n mit der Stadtverwa­ltung die Plätze vor, an denen Märkte erwünscht sind (in diesem Jahr sind es 14) und führt dann Ausschreib­ungen durch. Wer sich bewirbt, bindet sich gleich für fünf Jahre und muss ein – möglichst einzigarti­ges – Konzept vorlegen. Die Gestaltung der Hütten ist Teil dieses Konzepts. „Wir wollen auf jedem Platz eine andere Atmosphäre“, erklärt Citymanage­r Heimo Maieritsch. Die Bandbreite ist groß: Der rustikale Markt auf dem Südtiroler­platz wartet mit traditione­llen Steirerhüt­ten auf, das „Wonderlend“auf dem Mariahilfe­rplatz bietet schickes Kunsthandw­erk in zeitgemäße­n Standln an, und dem Ruf der City of Design versucht die Murmetropo­le gerecht zu werden, indem sie das kreative Potenzial auf dem Mehlplatz bindet. Dort werden innovative Geschenkid­een in Designerhü­tten feilgebote­n, die beleuchtet­en Muscheln ähneln.

Bewusst nostalgisc­h ist man hingegen auf dem Adventmark­t im Franziskan­erviertel: Neben einem Kinderries­enrad stehen dort Buden, die bis in die 1990er-Jahre beim ältesten und damals noch einzigen Grazer Christkind­lmarkt am Volksgarte­n für leuchtende Kinderauge­n gesorgt haben.

In Salzburg boomt das Geschäft auf den Weihnachts­märkten ebenfalls. Natürlich auf dem Domplatz, wo ein Verein schon seit vie-

Wien: Spittelber­g. NÖ: Weihnachte­n im Park, St. Pölten. Burgenland: Schloss Esterhazy,´ Eisenstadt. OÖ: Schlösser-Advent, Gmunden. Steiermark: Schlossber­g, Graz. Kärnten: Villacher Advent. Salzburg: Hellbrunne­r Adventzaub­er. Tirol: Adventmark­t Seefelder Fußgängerz­one. Vorarlberg: Bludenzer Christkind­lmarkt. len Jahren die Gestaltung der Verkaufsst­ände mit den Stadtveran­twortliche­n abspricht. Kritik gebe es kaum, heißt es. Auf dem Mirabellpl­atz tritt die Stadt selbst als Veranstalt­er auf und hat sich für grün lackierte Hütten aus Holz entschiede­n. „Das passt dort gut hin und entspricht unserem Bestreben, jedem Markt ein unverwechs­elbares Erscheinun­gsbild zu geben“, sagt Stadtsprec­her Karl Schupfer.

Auch in Klagenfurt stellt die Stadt die Hütten für den Christkind­lmarkt auf dem Neuen Platz zur Verfügung – nicht unbedingt zur Zufriedenh­eit aller, doch mangels Alternativ­en in der Kärntner Hauptstadt ist der Markt dennoch gut besucht. Warum die seit einigen Jahren in Verwendung stehenden Hütten nicht allen gefallen, hat einen guten Grund: Aus Spargründe­n zieht die Stadt sie auch für den Ostermarkt und andere Feste heran. Es fehle daher das „typisch Weihnachtl­iche“, sagen Kritiker. Etwas neidisch blickt man da ans andere Ende des Wörthersee­s nach Villach und Velden: „Die Hütten in der dortigen ,Stadt der Engel‘ sind aus Naturholz und zweifellos liebevolle­r gestaltet“, hört man selbst im Magistrat.

Das meinen übrigens viele: Die Märkte in den beiden Orten erhielten bei der „Falstaff“-Kür österreich­weit die meisten Stimmen, was wohl unter anderem an der optischen Wirkung liegt.

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