„Der junge Held ist uns lieber“
Gleichberechtigung. Wie steht es um die Sache der Frauen? Durchwachsen, folgt man Genderexpertin Anke van Beekhuis. Und voller Klischees.
Beginnen wir positiv. Frauen hatten noch nie so gute Chancen wie jetzt, es in die Führungsetage zu schaffen. Weil der Quotendruck noch nie so groß war. Das kann man auch so interpretieren: Die Organisationen wollen eigentlich keine Frauen nach oben hieven, aber sie müssen. Gesetz und Gesellschaft zwingen sie.
Ob die Frauen selbst nach oben wollen, beantwortet Genderexpertin Anke van Beekhuis (43) nicht eindeutig. „Ja, aber“trifft es am besten. Natürlich wollen sie, sagt van Beekhuis, sonst hätten sie nicht so viele Ausbildungen gemacht. Aber dann ist ihnen das Business zu hart, vor allem „in machomäßig geführten Unternehmen, in denen die Geschäftsleitung zwecks Quotenerfüllung eigentlich Männer in Frauenhülle sucht“.
Oder die Frauen fürchten, als „karrieregeil“abgestempelt zu werden, „dieses Bild – Anzug, gestärk- tes Hemd, Haare zurück, Brille, Aktenkoffer – das will keine“. Oder als „Feministin in Violett“, von der sich die Normalfrau ebenso distanziert wie von der MeToo-Aktivistin: „Sie will für nichts kämpfen. Sie will einfach nur Frau sein.“
Van Beekhuis’ Erkenntnis: Statt Karriere wünschten sich Frauen Entwicklung, statt Macht Sinn. Wie das aber in der Praxis aussehen soll, dafür gibt es noch immer keine Rollenvorbilder. Die handverlesenen Exemplare der älteren Generation, die es an die Spitze schafften, hätten (Achtung, Klischee) dafür meist auf Mann und Kinder verzichtet. Das käme für die jungen Frauen in ihren Zwanzigern, die van Beekhuis für ihre jüngste Studie („Die Presse“berichtete) interviewte, nicht infrage. Deshalb bedient Frau lieber das Klischee von offiziell 30 Wochenstunden Teilzeit, „um Zeit für die Kinder zu haben“, obwohl sie ohnehin 40 Stunden oder mehr leistet.
Hier hat die Genderexpertin eine Empfehlung: „40 Stunden und zwei Tage pro Woche HomeOffice aushandeln. In Teilzeit ist man nicht sichtbar.“
Van Beekhuis ortet einen Trend zu starken Männern, bis hin zu Narzissten und Egomanen. Grund sei die Verunsicherung der Krisenjahre. Die Firmenchefs griffen lieber wieder zu Führungskräften, die klar links oder rechts sagen.
Und Frauen können das nicht? „Wenn eine Frau sagt, was sie denkt, wird sie als kalt, herzlos, rechthaberisch oder bevormundend interpretiert.“
Nach dem Prinzip der Ähnlichkeit („Da weiß er, woran er ist“) gäben männliche Firmenchefs dem Typ des jugendlichen Helden mit machohaften Zügen den Vorzug. „Frauen sind in den Führungsetagen noch immer Fremdkörper. Man versteht nicht, wie sie ticken, man weiß nicht, ob sie vorankom- men wollen, ob sie Kinder wollen – da greift man auf Altbewährtes zurück. Die Firmenchefs sagen, der junge Held ist uns lieber.“
Dabei böten Frauen den Firmen großen Mehrwert – wenn diese ihn nur verstehen würden. Heute entwickelten Männer Produkte für Männer, die Frauen auch benutzen dürften. „Für Frauen wird dann der Werkzeugkasten rosa eingefärbt“, ätzt van Beekhuis.
Würden aber Frauen für Frauen entwickeln, entstände ein neuer Werkzeugkasten für eine neue Zielgruppe, mit neuen Kunden und neuen Umsätzen.
Für die Beraterin erklärt das, warum Frauen so wenige (und so schlechte) Finanzprodukte, Versicherungen, IT-Ausstattungen haben. Wären sie von anderen Frauen entwickelt worden, würden sie anders aussehen. Und als Nebeneffekt auch neue Talente ins Unternehmen spülen. Frauen nämlich.