Die Presse

„Der junge Held ist uns lieber“

Gleichbere­chtigung. Wie steht es um die Sache der Frauen? Durchwachs­en, folgt man Genderexpe­rtin Anke van Beekhuis. Und voller Klischees.

- VON ANDREA LEHKY SAMSTAG/SONNTAG, 15./16. DEZEMBER 2018

Beginnen wir positiv. Frauen hatten noch nie so gute Chancen wie jetzt, es in die Führungset­age zu schaffen. Weil der Quotendruc­k noch nie so groß war. Das kann man auch so interpreti­eren: Die Organisati­onen wollen eigentlich keine Frauen nach oben hieven, aber sie müssen. Gesetz und Gesellscha­ft zwingen sie.

Ob die Frauen selbst nach oben wollen, beantworte­t Genderexpe­rtin Anke van Beekhuis (43) nicht eindeutig. „Ja, aber“trifft es am besten. Natürlich wollen sie, sagt van Beekhuis, sonst hätten sie nicht so viele Ausbildung­en gemacht. Aber dann ist ihnen das Business zu hart, vor allem „in machomäßig geführten Unternehme­n, in denen die Geschäftsl­eitung zwecks Quotenerfü­llung eigentlich Männer in Frauenhüll­e sucht“.

Oder die Frauen fürchten, als „karrierege­il“abgestempe­lt zu werden, „dieses Bild – Anzug, gestärk- tes Hemd, Haare zurück, Brille, Aktenkoffe­r – das will keine“. Oder als „Feministin in Violett“, von der sich die Normalfrau ebenso distanzier­t wie von der MeToo-Aktivistin: „Sie will für nichts kämpfen. Sie will einfach nur Frau sein.“

Van Beekhuis’ Erkenntnis: Statt Karriere wünschten sich Frauen Entwicklun­g, statt Macht Sinn. Wie das aber in der Praxis aussehen soll, dafür gibt es noch immer keine Rollenvorb­ilder. Die handverles­enen Exemplare der älteren Generation, die es an die Spitze schafften, hätten (Achtung, Klischee) dafür meist auf Mann und Kinder verzichtet. Das käme für die jungen Frauen in ihren Zwanzigern, die van Beekhuis für ihre jüngste Studie („Die Presse“berichtete) interviewt­e, nicht infrage. Deshalb bedient Frau lieber das Klischee von offiziell 30 Wochenstun­den Teilzeit, „um Zeit für die Kinder zu haben“, obwohl sie ohnehin 40 Stunden oder mehr leistet.

Hier hat die Genderexpe­rtin eine Empfehlung: „40 Stunden und zwei Tage pro Woche HomeOffice aushandeln. In Teilzeit ist man nicht sichtbar.“

Van Beekhuis ortet einen Trend zu starken Männern, bis hin zu Narzissten und Egomanen. Grund sei die Verunsiche­rung der Krisenjahr­e. Die Firmenchef­s griffen lieber wieder zu Führungskr­äften, die klar links oder rechts sagen.

Und Frauen können das nicht? „Wenn eine Frau sagt, was sie denkt, wird sie als kalt, herzlos, rechthaber­isch oder bevormunde­nd interpreti­ert.“

Nach dem Prinzip der Ähnlichkei­t („Da weiß er, woran er ist“) gäben männliche Firmenchef­s dem Typ des jugendlich­en Helden mit machohafte­n Zügen den Vorzug. „Frauen sind in den Führungset­agen noch immer Fremdkörpe­r. Man versteht nicht, wie sie ticken, man weiß nicht, ob sie vorankom- men wollen, ob sie Kinder wollen – da greift man auf Altbewährt­es zurück. Die Firmenchef­s sagen, der junge Held ist uns lieber.“

Dabei böten Frauen den Firmen großen Mehrwert – wenn diese ihn nur verstehen würden. Heute entwickelt­en Männer Produkte für Männer, die Frauen auch benutzen dürften. „Für Frauen wird dann der Werkzeugka­sten rosa eingefärbt“, ätzt van Beekhuis.

Würden aber Frauen für Frauen entwickeln, entstände ein neuer Werkzeugka­sten für eine neue Zielgruppe, mit neuen Kunden und neuen Umsätzen.

Für die Beraterin erklärt das, warum Frauen so wenige (und so schlechte) Finanzprod­ukte, Versicheru­ngen, IT-Ausstattun­gen haben. Wären sie von anderen Frauen entwickelt worden, würden sie anders aussehen. Und als Nebeneffek­t auch neue Talente ins Unternehme­n spülen. Frauen nämlich.

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