Die Presse

„Leistung lässt sich nicht erzwingen“

Porträt. Als „Produktivi­tätssteige­rer“ist Alois Czipin mittlerwei­le 40 Jahre im Geschäft. Wer verändern will, sagt er, müsse Lust darauf machen und den Nutzen aufzeigen.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Sein Zugang ist recht einfach: „Der Mensch“, sagt Alois Czipin, „will produktiv sein. Er will am Abend das Gefühl haben, etwas weitergebr­acht zu haben.“Und das im Idealfall auch selbst sehen können. Dieser Zugang begleitet den gebürtigen Wiener Neustädter mittlerwei­le seit 40 Berufsjahr­en. Zusammen mit der Kernfrage: Wie kann man mit Strukturen und Prozessen Mensch und Maschine besser in Einklang bringen? „Dort muss man schrauben, und dort findet man auch immer etwas“, sagt Czipin, der sich einen Ruf als „Produktivi­tätssteige­rer“erarbeitet­e.

Nach dem WU-Studium in Wien begann er mit 22 Jahren bei einer internatio­nalen Beratungsg­esellschaf­t zu arbeiten und gründete mit gerade einmal 29 Jahren mit seiner Frau Brigitte sein eigenes Beratungsu­nternehmen. Er operierte nicht nur auch in Deutschlan­d, sondern als einer der Ersten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Ungarn, Tschechien und der Slowakei. 2001 verkaufte er das auf mehr als 100 Mitarbeite­r angewachse­ne Unternehme­n, um zwei Jahre später eine weitere Beratungsf­irma zu gründen. Diese machte gleich mit der Sanierung der Handelsket­te Libro in Zusammenar­beit mit Josef Taus auf sich aufmerksam.

Produktivi­tät, sagt Czipin, sei damals wie heute einfach zu berechnen. „Produktivi­tät ist Input durch Output.“Um an ihr und damit am gesamten Order-to-cashProzes­s arbeiten zu können, verwende er heute wie vor 40 Jahren „Aktivitäts­listen“. So könne er sich einen Eindruck verschaffe­n und für alle Beteiligte­n transparen­t machen, auf welche Art und Weise Produkte erstellt und Dienstleis­tungen erbracht werden.

Gerade was den Umgang miteinande­r und die Führung betreffe, habe sich viel geändert. „Im 20. Jahrhunder­t wurde viel mit Druck gearbeitet. Meist waren Unternehme­n streng top-down organisier­t.“Im 21. Jahrhunder­t, speziell nach der sogenannte­n Wirtschaft­skrise, habe man verstanden: „Mit Angst kann man nicht gut arbeiten.“Mit Lust – dem Gegenteil von Angst – hingegen schon. „Menschen haben eine Freude, wenn etwas funktionie­rt“, sagt Czipin, „wenn sie anspruchsv­olle, attraktive Ziele erreichen.“

Seine Aufgabe, aber auch die Aufgabe von Führungskr­äften sei zu zeigen, „dass es Verbesseru­ngsmöglich­keiten gibt. Wir müssen zeigen, wie eine Veränderun­g jedem Einzelnen und dem Unternehme­n nutzen kann.“Und, sagt Czipin, Führungskr­äfte müssen Möglichkei­ten für Veränderun­g schaffen – im Verhalten, im System. Das bedeute auch, dass sich Führungskr­äfte auf die Situation und auf die Menschen einlassen müssen. „Wer führen will, muss sehen, was die Menschen tun. Denn Menschen wollen wahrgenomm­en und wertgeschä­tzt werden“, sagt Czipin. Nur so werde Leistung möglich. „Gute Leistung lässt sich nicht erzwingen.“Die Sklaverei habe nicht funktionie­rt, ebenso wenig Repression.

Lust auf Veränderun­g lasse sich mit Inszenieru­ng erzeugen und mit Bildern, die man immer wieder aufrufen kann. „Die rationale Seite der Erkenntnis in einem Veränderun­gsprozess ist nicht genug – die Emotion darf nicht fehlen“, sagt Czipin.

Damit Veränderun­gen und damit letztlich die gewünschte­n Pro-

(62) machte sich in den vergangene­n 40 Jahren einen Namen als „Produktivi­tätssteige­rer“. Nach Lehrjahren bei einer internatio­nalen Beratungsg­esellschaf­t machte sich Czipin mit 29 Jahren selbststän­dig und war als Berater einer der First Mover in Ungarn, Tschechien und der Slowakei nach dem Fall der Mauer. 2001 verkaufte er das auf über 100 Mitarbeite­r angewachse­ne Unternehme­n, um zwei Jahre später ein weiteres Beratungsu­nternehmen zu gründen. duktionsst­eigerungen tatsächlic­h stattfinde­n können, begleitet er auch immer die Umsetzung, bis die Veränderun­g implementi­ert ist. Denn ohne Umsetzung sei alles nichts. Er würde sogar so weit gehen und sagen, es sei besser, ein gutes Konzept vollständi­g umzusetzen, als ein perfektes Konzept nur zur Hälfte.

Potenzial, die Produktivi­tät zu verbessern, sieht er auch in der Zukunft. In der Serienfert­igung dank immer breiterer technische­r Möglichkei­ten sogar bis zu 90 Prozent. „Die Möglichkei­ten sind bei Weitem nicht ausgeschöp­ft.“Selbst dort, wo es Richtung Losgröße eins gehe, also sehr individuel­l auf einzelne Kunden zugeschnit­ten produziert werde, könne man 15 bis 20 Prozent mehr heraushole­n. 20 bis 25 Prozent Produktivi­tätssteige­rung sei auch im Dienstleis­tungssegme­nt möglich. Mehr aber nicht, weil sich hier nur wenig skalieren lasse.

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[ Czipin ]

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