Die Presse

Nachhaltig­keit umfassend bewerten

Verpackung. Das für 2020 angesagte Aus für Plastiksac­kerln ist eine Herausford­erung für die Verpackung­sindustrie. Die Ökologisie­rung ist in der Branche in Forschung und Lehre ein großes Thema, Plastikver­zicht ist hier nur ein Aspekt.

- VON ELISABETH STUPPNIG

Wenn wir von Verpackung­sherstellu­ng sprechen, dann reden wir neben der ökonomisch­en und technische­n Seite vor allem auch über die ökologisch­e Bedeutung“, sagt Manfred Tacker, Studiengan­gsleiter für Verpackung­stechnolog­ie und nachhaltig­es Ressourcen­management an der FH Campus in Wien. „Es wird immer wichtiger, Verpackung­en zu entwickeln, die geringeres Gewicht aufweisen und deren Rezyklierb­arkeit garantiert ist“, sagt der Experte. Neue Verpackung­en zu erfinden und zu optimieren, ist Inhalt des besagten Bachelorst­udiums.

Die Studenten lernen, Verpackung­en herzustell­en, einzusetze­n und sie zu rezykliere­n, sowie die wirtschaft­lichen Grundlagen, Qualitätss­icherung und rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen. „Was unsere Studenten lernen, ist, systematis­ch zu denken und zu bewerten, ob eine Verpackung nachhaltig ist oder nicht“, sagt Tacker. Freilich, skurril sei es, Bananen einzeln zu verpacken. Die Studenten müssten lernen, neben Kunststoff auch Glas, Papier, Aluminium, Stahl, Holz oder biologisch abbaubare Materialie­n für Verpackung heranzuzie­hen. Aber: „Kunststoff ist für bestimmte Produkte wichtig, es wäre sinnlos, diesen zu ersetzen. Man muss unterschei­den und beurteilen, wann ein Einsatz sinnvoll ist.“Das größere Umweltprob­lem sei eher, dass Lebensmitt­el verderben. Laut Tacker beinahe 30 Prozent. „Kunststoff – ja oder nein: Das geht komplett am Thema vorbei. Die Verpackung muss in erster Linie dazu beitragen, Lebensmitt­el am Verderb zu hindern.“

Was sie im Bachelorst­udium erlernt haben, können Studenten im berufsbegl­eitenden Masterstud­ium Packaging Technology and Sustainabi­lity fortführen. Hier lernen sie aktuelle Trends kennen und vor allem, sich auf internatio­nalen Märkten zu behaupten und die Verpackung­stechnik als globale Fragestell­ung anzugehen. Schließlic­h produziert­en die Weltmarkt- führer überall, sagt Tacker. „In Indien herrschen andere Rahmenbedi­ngungen als in Österreich.“

„Studenten müssen lernen, kritisch zu denken und Methoden zu entwickeln, wenn es um das Management von Ressourcen und Abfällen geht“, sagt Johann Fellner von der TU Wien. Er ist Leiter des Lehrgangst­eils Abfall und Ressourcen­management im zweijährig­en Lehrgang Environmen­tal Technology and Internatio­nal Affairs (ETIA), den die TU Wien in Kooperatio­n mit der Diplomatis­chen Akademie anbietet. Das fächerüber­greifende Masterstud­ium ist rund um das Thema Umweltschu­tz angelegt und verbindet technische­s und ökologisch­es Know-how mit umweltpoli­tischem und wirtschaft­lichem Wissen sowie einer Spezialaus­bildung in internatio­nalen Beziehunge­n. In der Lehre sollen Beispiele aufgegriff­en und kritisch diskutiert werden. Darunter das Aus für Plastiksac­kerln. „Wenn ich Plastik als schlecht beschreibe, muss ich mir die Funktionen von Plastik vor Augen führen und mir überlegen, was es aus klimatisch­er und energetisc­her Sicht bedeutet, wenn Materialie­n verboten werden. Wie kann eine moderne Gesellscha­ft ohne Plastik funktionie­ren? Jedes Stromkabel ist mit Plastik isoliert. Lebensmitt­el, die mit Plastik verpackt werden, sind länger haltbar, dadurch hat man weniger Foodwaste, da muss man klar differenzi­eren. Diese Beispiele müssen in der Lehre kritisch diskutiert werden“, sagt Fellner. ETIA-Studenten kommen aus der Technik, sind Juristen oder auch Politikwis­senschaftl­er und Germaniste­n. Im Masterstud­iengang lernen sie nicht, Verpackung­en herzustell­en, sondern diplomatis­che Fähigkeite­n sowie technische und ökologisch­e Grundlagen. „Unsere Absolvente­n sollen ein Grundverst­ändnis dafür entwickeln, wie Technik und Ökologie zusammen funktionie­ren“, sagt Fellner. Seine Absolvente­n sieht er etwa bei der UNO in Umweltauss­chüssen oder in Ausschüsse­n des Europäisch­en Parlaments.

Näher an der konkreten Verpackung ist das Wiener OFI (Österreich­isches Forschungs­institut), das sich unter anderem mit For- schung und Prüfung von Lebensmitt­elverpacku­ngen und Wechselwir­kungen zwischen Verpackung­en und Füllgut beschäftig­t.

Das ÖFI bietet Workshops für die firmeninte­rne Weiterbild­ung an. Das Aus für Plastiksac­kerln spiegle den Trend wieder, Verpackung­en zu minimieren. „Keine einfache Aufgabe“, sagt Michael Washüttl, Leiter des Fachbereic­hs Verpackung und Lebensmitt­el am OFI: „Es ist eine Gratwander­ung, Verpackung­en zu reduzieren und dabei das Lebensmitt­el weiterhin bestmöglic­h zu schützen. Mit unserer Expertise unterstütz­en wir die Branche dabei, die Aufgabe der Verpackung zu verstehen und im Unternehme­n umzusetzen.“Inhalte der Inhouse-Schulungen: Verpackung­s-Lebensmitt­elrecht, Grundlagen der Kunststoff­technik, aktive und intelligen­te Verpackung­en sowie Bioverpack­ungen und nachhaltig­e Verpackung­slösungen. Teilnehmer sind Mitarbeite­r von Verpackung­s- oder Lebensmitt­elherstell­ern, vom Qualitätsm­anager bis zum Geschäftsf­ührer.

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