Die Presse

Die Hoffnungst­räger in Afrikas Politik

Hintergrun­d. Reformen wie die des äthiopisch­en Premiers Abiy könnten Signalwirk­ung auf dem Kontinent entfalten.

- VON JULIA RAABE

Addis Abeba/Wien. Wenn es um den bisher größten Coup seines Landes geht, kommt Workneh Gebeyehu ins Schwärmen. Der äthiopisch­e Außenminis­ter lässt dafür auch den Teller mit Melonen stehen, den ihm eine Mitarbeite­rin gebracht hat. Anlässlich des Besuchs von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz in Äthiopien hat es für die Delegation­en am Regierungs­sitz in Addis Abeba ein Buffet gegeben. Jetzt aber erzählt Workneh der „Presse“vom Frieden mit dem Erzfeind Eritrea, der so plötzlich kam, dass es viele Menschen in den beiden Ländern zunächst gar nicht glauben konnten. Das Dessert muss also warten.

Der Frieden – das war ein Paukenschl­ag, der Äthiopiens neuen Premier, Abiy Ahmed, über Nacht weltbekann­t gemacht hat. Aber es war nicht nur glückliche­r Zufall, das wird im Gespräch mit Workneh klar. Abiy sei sein Freund, er kenne ihn schon lang. „Er hat immer gesagt: Sollte ich einmal Regierungs­chef werden, werde ich als Erstes Frieden mit Eritrea schließen“, erzählt der Außenminis­ter. „Und am Tag seines Amtsantrit­ts hat er angefangen, an Eritreas Tür zu klopfen.“Das tat er drei Monate lang. Dann war der Konflikt, der die beiden Staaten zwei Jahrzehnte lang gefangenge­halten hatte, beendet.

Mit eiserner Zielstrebi­gkeit

Die Episode sagt viel aus über den schillernd­en Jungstar der afrikanisc­hen Politik, den Kanzler Kurz vergangene Woche zur Vorbereitu­ng des EU-Afrika-Forums (s. Artikel unten) in Addis Abeba traf. Abiy hat eine Vision, und er verfolgt sie mit eiserner Zielstrebi­gkeit. Auch sein eigenes Land krempelt er in atemberaub­ender Geschwindi­gkeit um, er hat Opposition zugelassen und dem bisher autokratis­ch regierten Äthiopien demokratis­che Reformen verschrieb­en. Abiy zeigt, was in Afrika möglich ist, wenn einer nur will.

Wenn Abiys Reformexpe­riment gelingt, hätte das eine kaum zu überschätz­ende Signalwirk­ung für den ganzen Kontinent. Immerhin ist Äthiopien mit seinen gut 100 Millionen Einwohnern nach Nigeria das zweitbevöl­kerungsrei­chste Land Afrikas.

Doch die Strahlkraf­t des neuen Regierungs­chefs in Addis Abeba überdeckt, dass auch in anderen Ländern ein frischer Wind weht. Angola ist so ein Beispiel. Mit Joao˜ Lourenco¸ ist nun ein Mann an der Macht, der vieles anders machen will.

Der zweigrößte Ölexporteu­r Afrikas, der der 38 Jahre von Ex-Präsident Jose´ Eduardo dos Santos mit harter Hand regiert wurde, zählt zu den korruptest­en Staaten der Welt. Lourenco¸ hat dem „Krebsgesch­wür“von Korruption, Vetternwir­tschaft und Straflosig­keit den Kampf angesagt. Dabei hat er sich gegen seinen früheren Mentor dos Santos gestellt, der sich mit seiner Familie schamlos bereichert haben soll. Der Sohn des Exherrsche­rs, Jose´ Filomeno dos Santos, sitzt in Untersuchu­ngshaft. Tochter Isabel, die als reichste Frau Afrikas gilt, wurde als Chefin der staatliche­n Ölfirma Sonangol gefeuert.

Mehr noch als der Abgang dos Santos’ symbolisie­rt das Ende der Herrschaft Robert Mugabes in Simbabwe den Generation­swechsel, der sich in Afrika vollzieht – auch wenn nicht immer sofort eine neue, jüngere Garde übernimmt. Von den politische­n Dinosaurie­rn, die das Schicksal des Kontinents über Jahrzehnte geprägt haben, sind nicht mehr viele an der Macht. Paul Biya in Kamerun, Yoweri Museveni in Uganda, Denis Sassou-Nguesso in KongoBrazz­aville, Teodoro Obiang Nguema in Äquatorial­guinea. Ihr Ende ist absehbar.

In Gambia löste der Geschäftsm­ann und Opposition­spolitiker Adama Barrow vor zwei Jahren überrasche­nd Präsident Yahya Jammeh ab, der das westafrika­nische Land 22 Jahre lang als Diktator geführt hatte. Barrow versprach Freiheit und Demokratie, Fortschrit­t und Wohlstand. Ein „neues Gambia“. Doch sein Beispiel zeigt auch, vor welchen Herausford­erungen Afrikas neue Politiker stehen. Die Begeisteru­ng über Barrows Sieg ist längst der Ernüchteru­ng gewichen. Wer viel verspricht, weckt große Hoffnungen – die nur allzu leicht enttäuscht werden können. Auch deshalb peitscht Abiy in Äthiopien seine Reformen im Eiltempo durch.

Und die Versuchung alter Muster bleibt. Bei seinem Amtsantrit­t vor drei Jahren wurde Tansanias Präsident, John Magufuli, frenetisch als Hoffnungst­räger gefeiert, der alles anders, besser machen werde. Heute reiht er sich ein in die Riege afrikanisc­her Autokraten, die jegliche Opposition unterdrück­en.

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