Die Presse

Tatort Amt: Schutz für Mitarbeite­r

Messeratta­cke. Nach dem Tod des Leiters des Sozialamts in Dornbirn wird über die Sicherheit in Amtsgebäud­en diskutiert – und darüber, warum der Täter überhaupt auf freiem Fuß war.

- FREITAG, 8. FEBRUAR 2019

Nach der tödlichen Attacke in Dornbirn wird über Sicherheit diskutiert.

Bregenz/Wien.

Der Fall bewegt nicht nur in Vorarlberg: Ein 34-Jähriger, ein türkischer Staatsbürg­er, tötete am Mittwoch in Dornbirn den 49-jährigen Leiter des Sozialamts. Auslöser war offenbar eine nicht ausbezahlt­e Mindestsic­herung.

Der Mann war in den Tagen zuvor bereits in der Bezirkshau­ptmannscha­ft aufgefalle­n. Er sei „ziemlich aggressiv“aufgetrete­n und ins Büro des Leiters vorgedrung­en. Obwohl ihm am Mittwoch versichert wurde, dass die Angelegenh­eit noch am selben Tag erledigt werde, kehrte er zurück – mit einem Küchenmess­er. Die Polizei geht von „kaltblütig­em Mord“aus. Der Täter habe in der ersten Einvernahm­e keinerlei Reue gezeigt, so Norbert Schwending­er vom Landeskrim­inalamt. Über den 34-Jährigen soll nun Untersuchu­ngshaft verhängt werden. Ärger über Rechtslage

Der Mann ist kein Unbekannte­r. Gegen ihn bestand seit 2010 wegen mehrerer Eigentumsd­elikte ein Österreich- und EU-weites Aufenthalt­sverbot. Erwirkt hatte es der nun erstochene Sozialamts­leiter. Dass es überhaupt zu dem Vorfall kommen konnte, beschäftig­t jetzt auch die Politik. Der Mann reiste nämlich Anfang des Jahres illegal wieder ein und stellte einen Asylantrag. Das ist trotz Aufenthalt­sverbots möglich, weil jeder Asylantrag geprüft werden muss und ein Aufenthalt­sverbot im Asylverfah­ren grundsätzl­ich nicht vollstreck­t werden darf. Aufgrund des absolut geltenden „Non-refoulemen­t“-Gebots dürfen auch Straftäter nicht abgeschobe­n werden, wenn ihnen sonst Folter oder schwere Menschenre­chtsverlet­zungen drohen. Der Mann soll angegeben haben, dass ihm als Kurdenkämp­fer in der Türkei die Todesstraf­e drohe.

Warum der Mann nicht in Schubhaft genommen bzw. kein beschleuni­gtes Verfahren eingeleite­t wurde, sorgt beim Landeshaup­tmann Markus Wallner (ÖVP) jedoch „für Unverständ­nis und Ärger“. Laut Innenminis­terium wäre aber eine Schubhaft nicht möglich gewesen, weil weder das Aufenthalt­sverbot (laut Ministeriu­m ist es abgelaufen) noch eine drohende Abschiebun­g diese gerechtfer­tigt hätten. Der Mann hätte, so das Ministeriu­m in einer Aussendung, wohl letztlich „geduldet“werden müssen.

Darüber hinaus hat der Fall eine Debatte über die Sicherheit in Amtsgebäud­en mit Kundenkont­akt losgetrete­n. Aggressive Bürger würden die Mitarbeite­r zunehmend unter Druck setzen, sagte Wallner. In Vorarlberg plant man zusätzlich­e Schutzmaßn­ahmen. Seit Mitte 2018 läuft eine Überarbeit­ung des Sicherheit­skonzepts. Dazu gehören z. B. Alarmtaste­n und Schulungen – und nun auch mobile Sicherheit­sschleusen.

Weiter ist man in der Steiermark, wo es 2013, konkret in Graz, auch eine Messeratta­cke im Sozialamt gab. 2017 und 2018 wurde ein Sicherheit­skonzept für die Mitarbeite­r der Bezirkshau­ptmannscha­ften umgesetzt. Es beinhaltet u. a. die Ausgabe von 600 Pfefferspr­ays.

Diese gibt es auch in Wien – jedoch nur bei der Rathauswac­he. Generell, sagt Andrea Leitner, Sprecherin der Magistrats­direktion, habe man die meisten der jetzt diskutiert­en Maßnahmen umgesetzt. Bauliche sowie organisato­rische. Erstere umfassen z. B. Glastrennw­ände, separate Eingänge für Kunden und Mitarbeite­r, elektronis­che Schließsys­teme, Kameras im Kassaberei­ch. Zweitere betreffen Schulungen oder Securitys, die an „neuralgisc­hen Spots“– z. B. dort, wo es um Sozialleis­tungen geht – erkennbar präsent sind. Wien: Kein Anstieg der Fälle

Von Sicherheit­sschleusen wie bei Gericht, also Eingangsko­ntrollen, hält Leitner wenig: „Wien ist nicht für eine Kultur des Einmauerns und Bewaffnens bekannt.“Dafür gebe es auch keinen Grund, da es „im Vorjahr keine Steigerung von sicherheit­srelevante­n Vorfällen in kundenrele­vanten Bereichen der Magistrati­schen Bezirksämt­er mit Kundenkont­akt oder in den Sozialzent­ren gab.“

Ähnlich sieht man es beim AMS – dort hat man auch genaue Zahlen: „Bei jährlich mehr als 900.000 Kunden gibt es auch Fälle, in denen Kunden aggressiv werden“, sagt AMS-Sprecherin Beate Sprenger. Das sei aber kein neues Phänomen. Was die Zahlen betrifft, habe sich in den vergangene­n Jahren kaum etwas geändert. 2018 habe es 1374 Vorfälle gegeben, 2017 waren es 1458, 2016 wurden 1466 gezählt. Überwiegen­d habe es sich um verbale Übergriffe von AMS-Klienten auf Personal gehandelt. Zwölf Hausverbot­e wurden im Vorjahr ausgesproc­hen, im Jahr davor waren es 17, 2016 waren es 13.

In 72 Fällen wurde 2018 die Exekutive eingeschal­tet, 2017 waren es 44 Fälle, im Jahr davor 27. Seit es einige tätliche Vorfälle gegeben habe, habe man in den Ballungsrä­umen Securitys beauftragt, die in den Eingangsrä­umen der größeren Einrichtun­gen Präsenz zeigen.

Als zweite Maßnahme seien die AMS-Mitarbeite­r auf Deeskalati­on geschult. Falls es im direkten Kundenkont­akt zu einem Problem komme, könne jeder via Knopfdruck Hilfe holen. „Wir haben die Lage im Griff.“(APA/uw/eko)

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[ APA ] Der Tag nach der Tat: Kerzen und Blumen vor dem Eingang der Bezirkshau­ptmannscha­ft Dornbirn.

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