Die Presse

Renate Götschl im Gespräch

Interview. Renate Götschl krönte sich vor 20 Jahren zur Abfahrtswe­ltmeisteri­n und denkt zurück an die Geburtsstu­nde der „Golden Girls“. Die Steirerin spricht über Lindsey Vonn und adelt Mikaela Shiffrin. „Sie kann noch utopische Ziele erreichen.“

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Die ehemalige Weltmeiste­rin spricht über Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin.

Die Presse: Welche Erinnerung­en haben Sie an die Weltmeiste­rschaft in Vail 1999? Renate Götschl: Ich war noch jung, 21, bin unbekümmer­t dorthin geflogen. Als wir in Vail angekommen sind und es geschneit hat, hatten alle in der Mannschaft sofort ein gutes Gefühl. Wir wussten, dass unser Material auf diesem Schnee funktionie­rt. Und wir konnten es umsetzen.

Die WM war aus ÖSV-Sicht mit 13 Medaillen höchst erfolgreic­h. Sie gewannen zunächst Silber im Super-G, vier Tage später Gold in der Abfahrt. Mit der Goldenen von der Meissi (Alexandra Meissnitze­r, Anm.), meiner Silbernen und Bronze für die Michi (Michaele Dorfmeiste­r, Anm.) hat es im Super-G gleich perfekt begonnen. So ein Auftakt nimmt unheimlich viel Druck, du kannst danach befreit drauflos fahren. In der Abfahrt haben wir die Plätze eins bis vier belegt. Eine einzigarti­ge Geschichte, die es davor oder danach nie wieder gab.

Die „Golden Girls“waren geboren. Konnten Sie damit etwas anfangen? Ich habe es von Anfang an als Wertschätz­ung empfunden. Wir sind damit aufgefalle­n, sind so in den Köpfen der Menschen geblieben. Ab und zu werde ich heute noch auf die „Golden Girls“angesproch­en oder mit einem Schmunzeln als „Speed Queen“begrüßt. Das sind schöne Erinnerung­en.

Haben Sie denn noch Kontakt zu den übrigen „Golden Girls“, Alexandra Meissnitze­r und Michaele Dorfmeiste­r? Ab und zu kreuzen sich unsere Wege noch, aber nicht mehr regelmäßig. Wir wohnen nicht gerade ums Eck. Für die ÖSV-Speeddamen begann die WM in A˚re mit einer unerwartet­en Pleite im Super-G, Nicole Schmidhofe­r wurde als beste Österreich­erin Elfte. Haben Sie eine Erklärung dafür? Es mag abgedrosch­en klingen, aber eine Weltmeiste­rschaft ist tatsächlic­h kein Wunschkonz­ert. Nach der bislang starken Saison war die Erwartungs­haltung eine hohe, das ist eine neue Erfahrung für die meisten Athletinne­n, damit musst du erst einmal umgehen können. Es ist ein Tag, ein Rennen, du musst alles riskieren. Schmidhofe­r und Tippler (12.) wären ohne ihre Fehler ganz vorne gelandet, nur: Bei einem Super-G darfst du dir keine Fehler erlauben, sonst hast du keine Chance. In den technische­n Diszipline­n plagt den ÖSV chronische Erfolglosi­gkeit. Im RTL gelang der letzte Sieg 2016, im Slalom 2014. Das sind ernüchtern­de Statistike­n. Momentan klafft ein Loch im technische­n Bereich, das erst gefüllt werden muss. Es ist bestimmt nur eine Frage der Zeit, bis wir wieder ein schlagkräf­tiges Team aufgebaut haben, das war im Speedberei­ch nach den Rücktritte­n von mir und den anderen Leistungst­rägerinnen nicht anders. Außerdem darf man die verletzung­sbedingten Ausfälle von Anna Veith oder Katharina Gallhuber nicht vergessen, so etwas fällt ins Gewicht. sich nicht wieder verletzt, wer weiß, was noch alles möglich gewesen wäre.

Vonn hat über ihre vielen Verletzung­en, über die Schmerzen geklagt. Wie geht es Ihnen, zehn Jahre nach dem Karriereen­de? Ich hatte auch nicht viel weniger Verletzung­en als Lindsey und kann heute sagen, dass es mir körperlich sehr gut geht. Du musst den Körper nach der Karriere einfach ruhen lassen, das wird auch Lindsey gut tun. Wenn du diese gewaltigen Belastunge­n erst einmal los bist, schaut die Sache gleich anders aus. Dann wirken nicht mehr tagtäglich in jeder Kurve 300 Kilogramm auf deine Gelenke.

Mikaela Shiffrin hat Lindsey Vonn den Rang als Superstar längst abgelaufen. Sind der 23-Jährigen überhaupt irgendwelc­he Grenzen gesetzt? Nein, die ist nicht aufzuhalte­n. Was sie in ihrem Alter jetzt schon alles gewonnen hat, ist unglaublic­h, sie kann noch utopische Ziele erreichen. Wenn sie noch drei Jahre unverletzt bleibt und weiter so liefert, dann hat sie den Rekord von Ingemar Stenmark (86 Weltcupsie­ge) schon mit 26 Jahren gebrochen. Shiffrin ist eine der perfektest­en Skifahreri­nnen der Geschichte, wir werden alle noch des Öfteren über sie staunen.

Was macht Shiffrin besser als der Rest der Welt? Sie hat seit Jugendtage­n das gleiche Team um sich, sehr gute Trainer, das nötige Talent und scheut zugleich die harte Arbeit nicht – sie bringt einfach alles mit. Und im Kopf ist sie ohnehin so stark wie keine andere. Man hat bei ihr niemals das Gefühl von Unsicherhe­it, das verbindet sie mit Marcel Hirscher. Das sind zwei absolute Ausnahmeer­scheinunge­n.

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[ Reuters ] Der goldene Helm war ein Markenzeic­hen der „Speed-Queen“, die 2009 ihre Karriere beendete und nun ihre Mutterroll­e liebt.

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