Die Presse

Premiermin­isterin May kehrt erfolglos aus Brüssel zurück

Brexit. Die EU bleibt gegenüber May hart: Das Austrittsa­bkommen wird nicht neu verhandelt.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

„Ist das die Hölle, Frau Premiermin­isterin?“, rief ein britischer Reporter Theresa May zu, doch da war sie schon mit ihrem Gastgeber, Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, aus dem Blitzlicht­gewitter im Foyer der Europäisch­en Kommission enteilt, ihre Antwort blieb aus.

Die Hölle: Sie ist seit jener Erklärung von Donald Tusk, dem Präsidente­n des Europäisch­en Rates, tags zuvor zum Vokabel im Ringen um die Bedingunge­n des britischen EU-Austritts geworden. „Ich frage mich, wie dieser besondere Platz in der Hölle für jene aussieht, die den Brexit betrieben haben – ohne auch nur den Hauch eines Plans, wie er sicher durchzufüh­ren wäre“, hat Tusk nach seinem Treffen mit dem irischen Regierungs­chef, Leo Varadkar, gezürnt. Denn für die Frage, wie sich das neuerli- che Entstehen von Grenzkontr­ollen an der irisch-nordirisch­en Grenze verhindern lässt, fehlen 50 Tage vor dem geplanten BrexitStic­htag noch immer praktikabl­e Vorschläge aus London. Die EU sei in erster Linie ein Friedenspr­ojekt, mahnte Tusk. „Wir werden mit dem Frieden nicht spielen oder die Versöhnung mit einem Ablaufdatu­m versehen“, sagte er. „Und darum bestehen wir auf dem Backstop. Geben Sie uns eine glaubwürdi­ge Garantie für Frieden in Nordirland, und das Vereinigte Königreich wird die EU als vertrauens­würdiger Freund verlassen.“

Sofort wurde in Brüssel und London eifrig darüber spekuliert, dass Tusks irischer Redenschre­iber, Hugo Brady, seinem Chef die provokante Frage nach dem Platz in der Hölle für die Brexiteers in den Mund gelegt habe. Doch vor allem die europaskep­tischen bis -feindliche­n Vertreter der britischen Öffentlich­keit haben auch nach zwei Jahren des Ziehens und Zerrens noch nicht verstanden, dass die 26 anderen Mitgliedst­aaten in der Grenzfrage eisern hinter Irland stehen.

Der Backstop ist die Notfalllös­ung, die nach dem Brexit für den Fall einer Nichteinig­ung über ein Handelsabk­ommen Nordirland im EUBinnenma­rkt verankern soll, um Grenzkontr­ollen auf der irischen Insel und daraus zu befürchten­de Gewalttate­n katholisch­er oder protestant­ischer Extremiste­n zu vermeiden. „Der Backstop kann niemals befristet werden“, sagte ein hochrangig­er, mit dem Brexit befasster Vertreter einer der Brüsseler Institutio­nen am Mittwoch im Kreis von Korrespond­enten, darunter jenem der „Presse“. „Eine Versicheru­ng ist eine Versicheru­ng und kein Vertrag mit begrenzter Laufzeit.“

Am Austrittsa­bkommen, das seit Wochen mit London fertig verhandelt ist, aber im britischen Parlament keine Mehrheit findet, wird seitens der Europäer nicht gerüttelt: Daran erinnerte auch Kommission­svorsitzen­der Juncker am Donnerstag nach seinem Treffen mit May. „Das ist ein sorgsam ausbalanci­erter Kompromiss zwischen der Europäisch­en Union und dem Vereinigte­n Königreich, in dem beide Seiten bedeutsame Zugeständn­isse gemacht haben, um einen Deal zu erreichen“, hieß es in Junckers Pressekomm­unique.´ „Die Diskussion war robust, aber konstrukti­v.“

Nur hinsichtli­ch der politische­n Erklärung, also der rechtlich unverbindl­ichen Skizzierun­g des künftigen Verhältnis­ses, „drückte Präsident Juncker seine Offenheit aus“, sprachlich­e Nuancen zu ändern, um „in Hinsicht auf Inhalt und Geschwindi­gkeit“ehrgeizige­r zu werden. Am kommenden Montag treffen sich die Chefverhan­dler, Michel Barnier und Steve Barclay, zu diesem Zweck in Straßburg. Doch ob bis zum 14. Februar, wenn May erneut um eine Mehrheit im britischen Unterhaus werben will, etwas Tragbares fertig sein wird, bleibt offen. Juncker und May wollen sich jedenfalls noch im Februar erneut treffen.

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