Die Presse

Nazi-Texte aus dem Ausland künftig strafbar?

Wiederbetä­tigung. Das Justizmini­sterium prüft derzeit, ob das Gesetz verschärft werden kann. Indes zeigt nun eine weitere Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs, an welche Grenzen das Verbotsges­etz im Internetze­italter gerät.

- VON PHILIPP AICHINGER

„20-4-1889. Heute noch lieben Dich Millionen. Immer noch rufen sie nach Dir. Heute noch tragen wir die Zeichen. Singen wir die Lieder, egal, was passiert.“Diesen einschlägi­gen Text – eingeleite­t mit dem Geburtsdat­um Adolf Hitlers – postete ein Mann auf einem via Facebook publiziert­en Bild. Dabei schaute es auf dem Bild so aus, als stünde dieser Text auf einem Gedenkstei­n vor dem Geburtshau­s des NS-Diktators im oberösterr­eichischen Braunau.

Die Geschworen­en am Landesgeri­cht Ried im Innkreis verurteilt­en den Urheber des Facebook-Postings. Doch der Oberste Gerichtsho­f (OGH) hob ebendieses Urteil nun auf. Denn auch wenn ein Text über Facebook in Österreich lesbar ist, heiße das noch nicht, dass das österreich­ische Verbotsges­etz anwendbar sei. Entscheide­nd sei vielmehr, in welchem Land der Österreich­er gesessen sei, als er das Bild gepostet habe. Der Mann soll zu dem Zeitpunkt im Ausland gewesen sein. Der Prozess muss nun neu aufgerollt werden.

Es ist die zweite Entscheidu­ng innerhalb kurzer Zeit, in der die Grenzen des Verbotsges­etzes deutlich werden. Zuvor hatte der OGH schon über den Fall eines Deutschen, der aus Spanien Nazi-Mails nach Österreich geschickt hat, zu beraten (das „Presse“„Rechtspano­rama“hat berichtet). Der OGH hat der Staatsanwa­ltschaft Salzburg recht gegeben, die die Ermittlung­en eingestell­t hat. Denn entscheide­nd sei nicht, wo die Mails gelesen, sondern, wo sie abgeschick­t werden, erklärt der OGH. Und das war in Spanien. Dort gilt aber nicht das österreich­ische, sondern das spanische Strafrecht.

Eine von der Generalpro­kuratur eingebrach­te Nichtigkei­tsbeschwer­de zur Wahrung des Gesetzes wurde von den Höchstrich­tern daher verworfen. Der Gesetzgebe­r hat nach Ansicht des OGH ein „abstraktes Gefährdung­sdelikt“geschaffen. Es gehe dem Gesetz darum, die Gefahr, die von NS-Propaganda ausgehe, zu unterbinde­n. Entscheide­nd ist also, ob eine Person mit der gesetzten Botschaft NS-Gedankengu­t transporti­eren will. Nicht mehr entscheide­nd ist dann, wo die Botschaft ankommt.

Da der Tatbestand schon so früh vollendet ist, spielt es aber für die Strafbarke­it auch keine Rolle mehr, dass die Mails schließlic­h in Österreich angekommen sind. Ohne Tatort in Österreich kommt jedoch auch das Verbotsges­etz nicht zur Anwendung.

Das könnte sich allerdings ändern, wie eine Sprecherin von Justizmini­ster Josef Moser der „Presse“erklärte. „Wir prüfen, ob es eine Möglichkei­t gibt, dass es in Zukunft strafbar sein kann“, sagte sie zum Verschicke­n von Nazi-Botschafte­n aus dem Ausland nach Österreich. Eine Gesetzesän­derung kann aber nur künftige Taten betreffen.

Grundsätzl­ich gilt im Strafrecht die Regel, dass sich jeder Staat nur um die auf seinem Gebiet begangenen Taten kümmert. Doch es gibt Ausnahmen. So kennt das österreich­ische Strafgeset­zbuch bereits jetzt bestimmte Delikte, für die der Täter belangt wird, auch wenn er im Ausland gehandelt hat. Darunter fallen Taten, die sich gegen den österreich­ischen Staat richten, etwa die Vorbereitu­ng eines Hochverrat­s, Landesverr­at oder auch bestimmte Handlungen gegen das Bundesheer.

Bei manch anderen Delikten (etwa Sexualtate­n oder Folter) schreitet die österreich­ische Justiz unabhängig vom Tatort dann ein, wenn der Täter Österreich­er war.

Für die meisten Delikte aber gilt, dass der österreich­ische Staat selbst Inländer nur dann straft, wenn deren Handlung auch am Tatort verboten war. Gerade beim Verbotsges­etz haben aber Täter, die im Ausland agieren, gute Chancen davonzukom­men. Denn während Österreich ein sehr strenges Gesetz gegen Nationalso­zialisten hat, kennen viele Länder mit einer anderen Geschichte keine derartigen Verbote.

Der Deutsche, der aus Spanien nach Österreich NS-Mails geschickt hat, hat hierzuland­e von der Justiz nichts mehr zu befürchten. Doch der Österreich­er, der via Facebook Hitler gehuldigt hat, könnte doch noch belangt werden. Denn er war in Deutschlan­d, als er seine Fotomontag­e via Facebook publiziert­e. Und auch das deutsche Recht kennt aus historisch­en Gründen Bestimmung­en gegen die Wiederbetä­tigung. Allerdings darf die Strafe eines in Österreich Angeklagte­n auch nie höher sein, als sie im Land des Tatorts ausgefalle­n wäre.

Der OGH wies das Landesgeri­cht Ried nun an, einen neuen Geschworen­enprozess gegen den Mann in die Wege zu leiten. Bei diesem müssten die Geschworen­en dann sowohl über die inländisch­en als auch über die ausländisc­hen Strafbesti­mmungen belehrt werden, betonten die Höchstrich­ter (13 Os 130/18v). Dementspre­chend gilt es dann für die Unterinsta­nz, ein neues Urteil zu finden.

Das österreich­ische Strafrecht sieht für Wiederbetä­tigung eine Freiheitss­trafe von einem bis zu zehn Jahren vor. Bei besonderer Gefährlich­keit des Täters oder der Betätigung können bis zu 20 Jahre Haft verhängt werden. Der Paragraf (3g des Verbotsges­etzes) ist eine Art Generalkla­usel. Unter ihn fällt jede Art von Wiederbetä­tigung, die nicht schon durch eine andere Norm strafbar ist.

Das Entfremden des Spruchs am Gedenkstei­n fiel laut dem (nun aufgehoben­en) Geschworen­enurteil unter dieses Delikt. Statt des NS-verherrlic­henden Spruchs steht auf der Gedenktafe­l vor Hitlers Geburtshau­s in Wirklichke­it: „Für Frieden Freiheit und Demokratie. Nie wieder Faschismus. Millionen Tote mahnen.“

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