Nazi-Texte aus dem Ausland künftig strafbar?
Wiederbetätigung. Das Justizministerium prüft derzeit, ob das Gesetz verschärft werden kann. Indes zeigt nun eine weitere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, an welche Grenzen das Verbotsgesetz im Internetzeitalter gerät.
„20-4-1889. Heute noch lieben Dich Millionen. Immer noch rufen sie nach Dir. Heute noch tragen wir die Zeichen. Singen wir die Lieder, egal, was passiert.“Diesen einschlägigen Text – eingeleitet mit dem Geburtsdatum Adolf Hitlers – postete ein Mann auf einem via Facebook publizierten Bild. Dabei schaute es auf dem Bild so aus, als stünde dieser Text auf einem Gedenkstein vor dem Geburtshaus des NS-Diktators im oberösterreichischen Braunau.
Die Geschworenen am Landesgericht Ried im Innkreis verurteilten den Urheber des Facebook-Postings. Doch der Oberste Gerichtshof (OGH) hob ebendieses Urteil nun auf. Denn auch wenn ein Text über Facebook in Österreich lesbar ist, heiße das noch nicht, dass das österreichische Verbotsgesetz anwendbar sei. Entscheidend sei vielmehr, in welchem Land der Österreicher gesessen sei, als er das Bild gepostet habe. Der Mann soll zu dem Zeitpunkt im Ausland gewesen sein. Der Prozess muss nun neu aufgerollt werden.
Es ist die zweite Entscheidung innerhalb kurzer Zeit, in der die Grenzen des Verbotsgesetzes deutlich werden. Zuvor hatte der OGH schon über den Fall eines Deutschen, der aus Spanien Nazi-Mails nach Österreich geschickt hat, zu beraten (das „Presse“„Rechtspanorama“hat berichtet). Der OGH hat der Staatsanwaltschaft Salzburg recht gegeben, die die Ermittlungen eingestellt hat. Denn entscheidend sei nicht, wo die Mails gelesen, sondern, wo sie abgeschickt werden, erklärt der OGH. Und das war in Spanien. Dort gilt aber nicht das österreichische, sondern das spanische Strafrecht.
Eine von der Generalprokuratur eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wurde von den Höchstrichtern daher verworfen. Der Gesetzgeber hat nach Ansicht des OGH ein „abstraktes Gefährdungsdelikt“geschaffen. Es gehe dem Gesetz darum, die Gefahr, die von NS-Propaganda ausgehe, zu unterbinden. Entscheidend ist also, ob eine Person mit der gesetzten Botschaft NS-Gedankengut transportieren will. Nicht mehr entscheidend ist dann, wo die Botschaft ankommt.
Da der Tatbestand schon so früh vollendet ist, spielt es aber für die Strafbarkeit auch keine Rolle mehr, dass die Mails schließlich in Österreich angekommen sind. Ohne Tatort in Österreich kommt jedoch auch das Verbotsgesetz nicht zur Anwendung.
Das könnte sich allerdings ändern, wie eine Sprecherin von Justizminister Josef Moser der „Presse“erklärte. „Wir prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt, dass es in Zukunft strafbar sein kann“, sagte sie zum Verschicken von Nazi-Botschaften aus dem Ausland nach Österreich. Eine Gesetzesänderung kann aber nur künftige Taten betreffen.
Grundsätzlich gilt im Strafrecht die Regel, dass sich jeder Staat nur um die auf seinem Gebiet begangenen Taten kümmert. Doch es gibt Ausnahmen. So kennt das österreichische Strafgesetzbuch bereits jetzt bestimmte Delikte, für die der Täter belangt wird, auch wenn er im Ausland gehandelt hat. Darunter fallen Taten, die sich gegen den österreichischen Staat richten, etwa die Vorbereitung eines Hochverrats, Landesverrat oder auch bestimmte Handlungen gegen das Bundesheer.
Bei manch anderen Delikten (etwa Sexualtaten oder Folter) schreitet die österreichische Justiz unabhängig vom Tatort dann ein, wenn der Täter Österreicher war.
Für die meisten Delikte aber gilt, dass der österreichische Staat selbst Inländer nur dann straft, wenn deren Handlung auch am Tatort verboten war. Gerade beim Verbotsgesetz haben aber Täter, die im Ausland agieren, gute Chancen davonzukommen. Denn während Österreich ein sehr strenges Gesetz gegen Nationalsozialisten hat, kennen viele Länder mit einer anderen Geschichte keine derartigen Verbote.
Der Deutsche, der aus Spanien nach Österreich NS-Mails geschickt hat, hat hierzulande von der Justiz nichts mehr zu befürchten. Doch der Österreicher, der via Facebook Hitler gehuldigt hat, könnte doch noch belangt werden. Denn er war in Deutschland, als er seine Fotomontage via Facebook publizierte. Und auch das deutsche Recht kennt aus historischen Gründen Bestimmungen gegen die Wiederbetätigung. Allerdings darf die Strafe eines in Österreich Angeklagten auch nie höher sein, als sie im Land des Tatorts ausgefallen wäre.
Der OGH wies das Landesgericht Ried nun an, einen neuen Geschworenenprozess gegen den Mann in die Wege zu leiten. Bei diesem müssten die Geschworenen dann sowohl über die inländischen als auch über die ausländischen Strafbestimmungen belehrt werden, betonten die Höchstrichter (13 Os 130/18v). Dementsprechend gilt es dann für die Unterinstanz, ein neues Urteil zu finden.
Das österreichische Strafrecht sieht für Wiederbetätigung eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vor. Bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung können bis zu 20 Jahre Haft verhängt werden. Der Paragraf (3g des Verbotsgesetzes) ist eine Art Generalklausel. Unter ihn fällt jede Art von Wiederbetätigung, die nicht schon durch eine andere Norm strafbar ist.
Das Entfremden des Spruchs am Gedenkstein fiel laut dem (nun aufgehobenen) Geschworenenurteil unter dieses Delikt. Statt des NS-verherrlichenden Spruchs steht auf der Gedenktafel vor Hitlers Geburtshaus in Wirklichkeit: „Für Frieden Freiheit und Demokratie. Nie wieder Faschismus. Millionen Tote mahnen.“