Die Presse

Wie die Pflege gesunden soll

Systemwand­el. Private Pflegekräf­te fordern mehr Geld und Freizeit, sonst droht Streik. TürkisBlau will Pflege zu Hause fördern, erhöht aber die Mittel eher für jene, die einen Heimplatz haben.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Nun drohen Pflegekräf­te mit Streik. Die Kollektivv­erhandlung­en für die rund 100.000 Privatbesc­häftigten im Sozial- und Gesundheit­sbereich gingen am Donnerstag in die vierte Runde. Der Österreich­ische Gewerkscha­ftsbund (ÖGB) hat bereits eine Streikfrei­gabe erteilt. Protestmaß­nahmen können nun also sofort ergriffen werden, wenn wieder keine Einigung zustande kommt.

Die Streitpunk­te: Die Gewerkscha­ften GPA-DJP und Vida fordern sechs Prozent Gehaltserh­öhung. Die Arbeitgebe­r haben ihr Angebot vorige Woche nach 18 Stunden Verhandlun­gen auf 2,5 Prozent aufgebesse­rt. Außerdem wollen die Arbeitnehm­ervertrete­r eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalau­sgleich und die sechste Urlaubswoc­he für alle.

Bessere Arbeitsbed­ingungen für Fachkräfte im Pflegebere­ich – das ist ein erster Schritt für einen grundlegen­den Systemwand­el, den es im Pflegebere­ich dringend braucht. Die Gesellscha­ft altert, die zu Pflegenden werden weniger – jene, die diese Arbeit verrichten, aber nicht. Dafür steigen die Kosten – und gleichzeit­ig finden die Menschen mit dem Pflegegeld immer weniger Auskommen, weil es schon lang nicht mehr valorisier­t wurde und damit an Wert verliert. Auch die Einstufung an sich ist ein Problem – denn sie deckt häufig nicht den wirklichen Bedarf ab. Wie man eingestuft wird, daran hängt aber ein Rattenschw­anz anderer Bestimmung­en.

Die Regierung arbeitet an einem Maßnahmenb­ündel zum Thema Pflege: So wurde angekündig­t, den Pflegeberu­f attraktivi­eren und eine Imagekampa­gne machen zu wollen. Bessere Arbeitsbed­ingungen wie flexiblere Arbeitszei­ten und bessere Bezahlung wären wichtige Schritte – ein positiver Abschluss der laufenden KV-Verhandlun­gen wäre demnach auch symbolisch dringend nötig.

Die Bundesländ­er ihrerseits planen, die Ausbildung­splätze zu erhöhen. So kündigte das Sozialress­ort des Landes Oberösterr­eich am Donnerstag an, die Ausbildung­splätze verdoppeln zu wollen – zum Teil sollen diese Ausbildung­en dann auch in landwirtsc­haftlichen Schulen möglich sein, die Ausbildung soll an sich flexibler werden.

Der große Andrang auf Ausbildung­splätze blieb in den vergangene­n Jahren allerdings aus. Die Zahl der Absolvente­n ist in Oberösterr­eich seit 2015 rückläufig. Dazu ist österreich­weit das Phänomen zu beobachten, dass viele Junge wieder aus dem Beruf aussteigen.

2017 bezogen rund 460.000 Personen Pflegegeld. Der Bund gab dafür rund 2,5 Milliarden Euro aus. Die FPÖ fordert seit Langem eine Valorisier­ung des Pflegegeld­es. Eine Erhöhung ab Pflegestuf­e vier ist zwischen Türkis und Blau akkordiert. Insgesamt gibt es sieben Pflegestuf­en – ab Stufe vier können Heimplätze in Anspruch genommen werden, die dann auch vom Pflegegeld bezahlt werden. Insofern handelt es sich bei einer Erhöhung ab Stufe vier auch um eine intranspar­ente Querfinanz­ierung der Länder, die für die Finanzieru­ng der Pflegeheim­e aufkommen.

Rund die Hälfte aller zu Pflegenden befindet sich in Pflegestuf­e 1 und 2 – diese Personen wer- den zu Hause betreut. Die Regierung hat angekündig­t, Pflege zu Hause fördern zu wollen – dazu brauchte es aber wohl auch mehr Geld, damit sich pflegende Angehörige Betreuungs­dienste besser leisten können.

Denn auch das ist eine Kostenfrag­e – die unterschie­dlichen Betreiber von mobilen Diensten verlangen unterschie­dliche Selbstbeha­lte. Diese müssen Betroffene und deren Angehörige nach wie vor selbst bezahlen – mit dem Pflegeregr­ess wurden nur jene entlastet, die ihre Verwandten in eine Pflegeeinr­ichtung geben.

FPÖ-Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein hat zuletzt verkündet, dass die Valorisier­ung schon ab Pflegestuf­e drei vorgenomme­n werden soll – und auch für die Stufen 1 und 2 sei eine solche für sie denkbar. Dafür müsse man mit dem Finanzmini­ster sprechen, meinte sie.

Im ÖVP-Finanzmini­sterium will man sich gegenüber der „Presse“vorerst nicht dazu äußern. Verhandlun­gen seien am Laufen. Auch wie das Pflegesyst­em an sich künftig finanziert werden kann, wird derzeit evaluiert.

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