FPÖ greift ORF an: „Höchst bedenklich“
Medien. Auf ein „Report“-Interview folgte heftige Kritik der FPÖ – mit direktem Angriff auf den Journalisten. Der ORFRedakteursrat sieht „persönliche Zensuren für missliebige Journalisten“bedenklich in einer entwickelten Demokratie.
Ein heftiger Angriff gegen einen ORF-Journalisten sorgt derzeit für Wirbel. Stein des Anstoßes ist ein Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, das am Dienstagabend im „Report“zu sehen war und der FPÖ bitter aufstieß. Wolfgang Wagner, (relativ) neuer Chef des Politmagazins, befragte den aus Israel zugeschalteten Van der Bellen intensiv über die Beziehungen zwischen Österreich und Israel. Die dortige Regierung boykottiert bekanntermaßen FPÖ-Minister. Der Vorwurf an die Partei lautet Antisemitismus.
Als „Negativbeispiel von typischem Gesinnungsjournalismus“bezeichnete Hans-Jörg Jenewein, Mediensprecher der FPÖ, am Mittwoch jenes ORF-Interview. Ihm gefiel dabei weder der Stil (er sprach von in „ungebührlichen Staccato-Manier“aufgesetzten Fragetechnik gegenüber Van der Bellen) noch das vermutete Ziel des Gesprächs („einziges Ziel war es, Bundespräsidenten Van der Bellen einen ,negativen Sager‘ über die FPÖ zu entlocken“). Ge- meint sind wohl Fragen wie diese: „Hat es Ihnen die FPÖ in letzter Zeit besonders schwer gemacht, sich in Israel für sie einzusetzen?“Die Frage bezog sich etwa auf Minister Herberts Kickls „Rechtsstaat-Sager“. Van der Bellen sagte, aktuelle Aussagen seien nicht thematisiert worden.
Der FPÖ-Mediensprecher ging in seinem Angriff so weit, für den ORF neben neuer Struktur auch „eine personelle Neuausrichtung“zu fordern. Ein persönlicher Angriff gegen Wagner, wie in der Aussendung schnell deutlich wurde: Der ORF sei zu parteipolitischer Objektivität verpflichtet, „wenn das nun Wolfgang Wagner nicht passt und er unbedingt seine persönliche politische Meinung in den Vordergrund stellen möchte, dann bitte nicht im Sold der österreichischen Gebührenzahler“, so Jenewein.
Die Antwort des ORF-Redakteursrates folgte prompt. Wolfgang Wagner sei ein anerkannter Journalist, der Unabhängigkeit in jede politische Richtung hochhalte. Kri- tik an ORF-Sendungen sei „selbstverständlich erlaubt, aber ein Verteilen von persönlichen Zensuren für missliebige Journalisten entbehrlich“. Und sogar „höchst bedenklich in einer entwickelten Demokratie“. Vor allem, wenn es um die Aufforderung nach Kündigung von unliebsamen Journalisten gehe. Übrigens habe der Bundespräsident kein Problem damit gehabt, wie das Interview geführt worden war, fügte der Redakteursrat an.
Die FPÖ kritisiert einzelne Sendungen, Interviews und Journalisten des ORF nicht selten, sie beklagt eine Benachteiligung gegenüber anderen Parteien; sieht sich in der Berichterstattung unfair behandelt. Gerade jetzt, wo die Regierungsparteien hinter verschlossenen Türen intensiv über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verhandeln, ist der heftige Angriff beachtenswert.
Klar ist jedenfalls, dass das heurige Jahr weitreichende Ände- rungen für das größte Medienunternehmen des Landes bringen wird. Details der ORF-Reform sind bisher noch kaum bekannt, vor allem die Gebührenfinanzierung steht in Frage. Eine neue ORF-Spitze scheint aber relativ fix: Einen vierköpfigen Vorstand, den ÖVP und FPÖ im Proporz besetzen, soll es statt des Alleingeschäftsführers künftig geben. Während die FPÖ ihre Änderungswünsche wiederholt äußerte, hielt sich die ÖVP aus den Diskussionen um den Öffentlichen weitgehend zurück.
Und was war die (öffentliche) Reaktion von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz auf den Angriff der FPÖ?
Er teilte auf Twitter das Statement des Redakteursrates und schrieb durchaus angriffig dazu: „In allen europäischen Demokratien (außer Ungarn) entscheiden Journalisten, was sie fragen, und nicht Mediensprecher von Regierungsparteien! Das muss so bleiben auch bei neuem Gesetz! Gegen Diffamierung von Journalisten werden wir uns wehren!“(rovi)