Die Suche nach Ingemar Stenmarks Erben
Schweden. Noch wird der WM-Gastgeber von Technikroutiniers getragen. Bis 2022 aber soll ein schlagfertiges Team entstehen.
Das WM-Fieber hat das schwedische Publikum noch nicht erfasst. Nicht nur, weil A˚re ein eher verträumtes Nest ist oder die Kälte viele Fans abgeschreckt hat, sondern, weil es bislang wenig zu bejubeln gegeben hat. In den Super-G-Bewerben starteten die Lokalmatadore jenseits der Spitzengruppen, die Euphorie blieb entsprechend verhalten. Also werden bei den Titelkämpfen in A˚re vorläufig die großen Namen der Geschichte hochgehalten.
Ingemar Stenmark oder Anja Pärson sind omnipräsent, am Dienstag treten sie bei einem Legendenrennen auf. 128 Weltcupsiege, 25 Kristallkugeln, dreimal Olympiagold und zwölf WM-Titel hat allein dieses Duo vorzuweisen. Und folgenden Generationen sehr große Fußspuren hinterlassen.
„Ihr Vermächtnis lebt“, betont Tommy Eliasson Winter in seinem Büro gleich hinter dem Zielstadion in A˚re. Seit 2015 ist der 38-Jährige Sportdirektor der schwedischen Alpinen und überzeugt davon, dass Legenden wie Stenmark oder Pärson Inspiration statt Hemmnis für nächste Generationen sind. „Es hilft zu sehen, dass es jemand aus der unmittelbaren Nachbarschaft bis ganz nach oben geschafft hat.“
Die ewigen Vergleiche gehören für ihn auch dazu. „Das ist Teil des Profisports, damit muss man umgehen können, wenn man an der Spitze ist.“Dort finden sich aktuell allerdings nur wenige Schweden: Für Andre´ Myhrer, 36, war der Slalom-Olympiasieg 2018 das wohl letzte Glanzlicht. Frida Hansdotter, 33, begleitet der Ruf als „ewige Zweite“(17-mal in ihrer Karriere). Die Bilanz dieses WM-Winters? Zwei Podestplätze bei den Herren und derer drei bei den Damen. Über den Speed zur Technik
In Zukunft soll das alles ganz anders werden. Vor drei Jahren ist Winter angetreten und hat den schwedischen Alpinsektor völlig umgekrempelt. Er selbst wechselte verletzungsbedingt früh vom Alpinski zum Skicross und nach der Olympiateilnahme in Vancouver 2010 in die Führungsebene. Sein ehrgeiziges Ziel: ein Team, das bis Olympia 2022 in allen Disziplinen um den Sieg mitkämpft. „Wir wollen die Kultur, wie unsere Kinder Ski fahren, verändern.“
Dass Schweden traditionell starke Techniker, jedoch kaum Speedfahrer hervorbringe, sei einerseits der Geografie mit wenigen hohen Bergen geschuldet. „Wer in der Wüste lebt, wird auch nur schwer ein guter Eishockeyspieler.“Andererseits gelte es, die Perspektive der Nachwuchsfahrer abseits der Traditionen zu schärfen – zum Vorteil aller Sportler, wie Winter betont: „Eine breitere Ausbildung macht technisch bessere Skifahrer.“Dass Schweden grundsätzlich eine Skination sei, stehe für den 38-Jährigen außer Frage. Jeder in seiner Heimat habe Berührungspunkte mit Skisport.
Natürlich, Langlaufen sei eine Institution, allein schon wegen der legendären Flucht von König Gustav I. Wasa vor den Dänen 1521 auf ebensolchen Latten. Daran erinnert seit 1922 ja der Wasalauf. Dass zwei der acht Millionen Schweden jährlich Skiurlaub machen und sich 70.000 in Skiklubs organisieren, sei bestes Zeugnis von Schwedens Sportkultur. Geduld für die Schmetterlinge
Die Ski-WM ist für den Verband nur ein Zwischenschritt auf dem Weg, hinter den Routiniers Myhrer und Hansdotter eine neue Mannschaft zu formieren. Während bei den Männern ein Umbruch bevorsteht und Geduld gefragt ist, sind bei den Frauen potenzielle Nachfolgerinnen schon in Sicht. Anna Swenn-Larsson, 27, kehrte zuletzt auf das Slalompodest zurück. Mit Estelle Alphand, 23, fällt sogar ein prominenter Name auf. Die Tochter des französischen Abfahrtsweltmeisters Luc Alphand entschied sich kürzlich, für das Land ihrer Mutter zu starten. Aktuell fällt die 23-Jährige wegen eines Knöchelbruchs aber aus.
Mit den technischen Bewerben erwartet Winter in A˚re echte WM-Stimmung, soweit die dünn besiedelte Region das zulasse. „Mit Kitzbühel oder Schladming dürfen wir uns nicht vergleichen.“Das Parallel-Event in der Hauptstadt unmittelbar nach der WM aber schon, es ist fixer Bestandteil der Olympia-Bewerbung von Stockholm/A˚re für 2026. Bis dahin, so der Wunsch des Sportdirektors, sollen Schwedens Skifahrer den Fans wieder „diese Schmetterlinge im Bauch geben: dass wir, wenn alles läuft, gewinnen können.“