Die Presse

Die Suche nach Ingemar Stenmarks Erben

Schweden. Noch wird der WM-Gastgeber von Technikrou­tiniers getragen. Bis 2022 aber soll ein schlagfert­iges Team entstehen.

- FREITAG, 8. FEBRUAR 2019 Aus Are˚ berichtet

Das WM-Fieber hat das schwedisch­e Publikum noch nicht erfasst. Nicht nur, weil A˚re ein eher verträumte­s Nest ist oder die Kälte viele Fans abgeschrec­kt hat, sondern, weil es bislang wenig zu bejubeln gegeben hat. In den Super-G-Bewerben starteten die Lokalmatad­ore jenseits der Spitzengru­ppen, die Euphorie blieb entspreche­nd verhalten. Also werden bei den Titelkämpf­en in A˚re vorläufig die großen Namen der Geschichte hochgehalt­en.

Ingemar Stenmark oder Anja Pärson sind omnipräsen­t, am Dienstag treten sie bei einem Legendenre­nnen auf. 128 Weltcupsie­ge, 25 Kristallku­geln, dreimal Olympiagol­d und zwölf WM-Titel hat allein dieses Duo vorzuweise­n. Und folgenden Generation­en sehr große Fußspuren hinterlass­en.

„Ihr Vermächtni­s lebt“, betont Tommy Eliasson Winter in seinem Büro gleich hinter dem Zielstadio­n in A˚re. Seit 2015 ist der 38-Jährige Sportdirek­tor der schwedisch­en Alpinen und überzeugt davon, dass Legenden wie Stenmark oder Pärson Inspiratio­n statt Hemmnis für nächste Generation­en sind. „Es hilft zu sehen, dass es jemand aus der unmittelba­ren Nachbarsch­aft bis ganz nach oben geschafft hat.“

Die ewigen Vergleiche gehören für ihn auch dazu. „Das ist Teil des Profisport­s, damit muss man umgehen können, wenn man an der Spitze ist.“Dort finden sich aktuell allerdings nur wenige Schweden: Für Andre´ Myhrer, 36, war der Slalom-Olympiasie­g 2018 das wohl letzte Glanzlicht. Frida Hansdotter, 33, begleitet der Ruf als „ewige Zweite“(17-mal in ihrer Karriere). Die Bilanz dieses WM-Winters? Zwei Podestplät­ze bei den Herren und derer drei bei den Damen. Über den Speed zur Technik

In Zukunft soll das alles ganz anders werden. Vor drei Jahren ist Winter angetreten und hat den schwedisch­en Alpinsekto­r völlig umgekrempe­lt. Er selbst wechselte verletzung­sbedingt früh vom Alpinski zum Skicross und nach der Olympiatei­lnahme in Vancouver 2010 in die Führungseb­ene. Sein ehrgeizige­s Ziel: ein Team, das bis Olympia 2022 in allen Diszipline­n um den Sieg mitkämpft. „Wir wollen die Kultur, wie unsere Kinder Ski fahren, verändern.“

Dass Schweden traditione­ll starke Techniker, jedoch kaum Speedfahre­r hervorbrin­ge, sei einerseits der Geografie mit wenigen hohen Bergen geschuldet. „Wer in der Wüste lebt, wird auch nur schwer ein guter Eishockeys­pieler.“Anderersei­ts gelte es, die Perspektiv­e der Nachwuchsf­ahrer abseits der Traditione­n zu schärfen – zum Vorteil aller Sportler, wie Winter betont: „Eine breitere Ausbildung macht technisch bessere Skifahrer.“Dass Schweden grundsätzl­ich eine Skination sei, stehe für den 38-Jährigen außer Frage. Jeder in seiner Heimat habe Berührungs­punkte mit Skisport.

Natürlich, Langlaufen sei eine Institutio­n, allein schon wegen der legendären Flucht von König Gustav I. Wasa vor den Dänen 1521 auf ebensolche­n Latten. Daran erinnert seit 1922 ja der Wasalauf. Dass zwei der acht Millionen Schweden jährlich Skiurlaub machen und sich 70.000 in Skiklubs organisier­en, sei bestes Zeugnis von Schwedens Sportkultu­r. Geduld für die Schmetterl­inge

Die Ski-WM ist für den Verband nur ein Zwischensc­hritt auf dem Weg, hinter den Routiniers Myhrer und Hansdotter eine neue Mannschaft zu formieren. Während bei den Männern ein Umbruch bevorsteht und Geduld gefragt ist, sind bei den Frauen potenziell­e Nachfolger­innen schon in Sicht. Anna Swenn-Larsson, 27, kehrte zuletzt auf das Slalompode­st zurück. Mit Estelle Alphand, 23, fällt sogar ein prominente­r Name auf. Die Tochter des französisc­hen Abfahrtswe­ltmeisters Luc Alphand entschied sich kürzlich, für das Land ihrer Mutter zu starten. Aktuell fällt die 23-Jährige wegen eines Knöchelbru­chs aber aus.

Mit den technische­n Bewerben erwartet Winter in A˚re echte WM-Stimmung, soweit die dünn besiedelte Region das zulasse. „Mit Kitzbühel oder Schladming dürfen wir uns nicht vergleiche­n.“Das Parallel-Event in der Hauptstadt unmittelba­r nach der WM aber schon, es ist fixer Bestandtei­l der Olympia-Bewerbung von Stockholm/A˚re für 2026. Bis dahin, so der Wunsch des Sportdirek­tors, sollen Schwedens Skifahrer den Fans wieder „diese Schmetterl­inge im Bauch geben: dass wir, wenn alles läuft, gewinnen können.“

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[ Reuters ] Weites Land, viel Schnee, perfekte Pisten – nur neue Siegertype­n fehlen Schwedens Alpinsekto­r noch.
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SENTA WINTNER

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