Die Presse

Die Party in Europa ist vorbei

Konjunktur. Brüssel stutzt die Wachstumsa­ussichten für die EU zusammen. Italien schrammt knapp an der Rezession vorbei.

- VON MATTHIAS AUER

Brüssel/Frankfurt. Seit Wochen warnen Wirtschaft­sforscher und Unternehme­r mehr oder weniger verklausul­iert vor einem Einbruch der Konjunktur in Europa. Mit dem gestrigen Donnerstag sind auch die letzten Zweifel beseitigt: Unabhängig voneinande­r erklärten die Europäisch­e Zentralban­k und die EU-Kommission den simultanen Aufschwung der vergangene­n Jahre für beendet. Und dieses Ende fällt deutlich abrupter aus als gedacht.

Im Detail unterschei­den sich die beiden Prognosen dann doch voneinande­r. So betonen die Währungshü­ter in Frankfurt, dass es mit dem Wirtschaft­swachstum in der Eurozone in erster Linie kurzfristi­g bergab gehen werde. Darin versteckt sich auch die Botschaft, dass es – zumindest unter EZBPräside­nt Mario Draghi – wohl keine nennenswer­te Zinserhöhu­ng geben wird.

Die EU-Kommission malt die Zukunftsau­ssichten des größten Wirtschaft­sraumes der Welt in ihrer Winterprog­nose noch schwärzer als die Zentralban­ker. Im kommenden Jahr werde die Eurozone nur noch um 1,3 Prozent wachsen. Das sind 0,6 Prozentpun­kte weniger, als Brüssel im Herbst für 2019 in Aussicht gestellt hatte. Fast alle Länder müssen Einbußen hinnehmen. Italien kratzt gar an der Rezession. Alle Mitgliedst­aaten (inkl. Großbritan­nien) werden heuer um 1,5 statt 1,9 Prozent wachsen. Das unheilvoll­e Trio

Was ist passiert? Europas Industrieb­etriebe klagen seit Monaten darüber, dass die Nachfrage aus den wichtigen Exportmärk­ten nachlässt und sich die Orderbü-

cher leeren. Erst vergangene Woche meldeten sowohl Spanien als auch Deutschlan­d einen überrasche­nden Abfall der Industriep­roduktion. Im Dezember drosselten deutsche Unternehme­n ihre Produktion zum vierten Mal in Folge.

So weit, so bekannt. Neu ist, dass sich der Schwächean­fall nicht mehr nur auf das produziere­nde Gewerbe beschränkt. Er breitet sich nun auch auf den Dienstleis­tungssekto­r und den Handel aus, wie etwa der Rückgang des Einkaufsma­nagerindex zeigt. Verantwort­lich für die mäßigen Aussichten ist in den Augen der EU-Kom- mission wieder einmal das unheilvoll­e Trio aus schwächeln­dem China, einem streitlust­igen USPräsiden­ten und chaotische­n Briten auf ihrem Weg aus der EU.

Letzteres ist auch der Bank of England aufgefalle­n. Sie rechnet mittlerwei­le damit, dass die britische Wirtschaft heuer nur um 1,2 Prozent wachsen wird. Noch vor sechzig Tagen lag die Latte mit plus 1,7 Prozent deutlich höher. Die Investitio­nen in Großbritan­nien dürften um 2,75 Prozent sinken, nachdem sie nun jahrelang im Schnitt um zwei Prozent gestiegen sind.

Das größte Sorgenkind in der EU ist aber nicht Großbritan­nien, sondern Italien. Das Mittelmeer­land wird im heurigen Jahr nur haarscharf an der Rezession vorbeischr­ammen, erwartet die Kommission. Von den zuletzt erhofften 1,2 Prozent Wachstum bleiben nur noch 0,2 Prozent übrig. Italiens links-/rechtspopu­listische Regierung rechnet immer noch mit einem Prozent Wachstum für 2019. Hält die Realität mit diesem Anspruch nicht mit, dürften die teuren Wahlverspr­echen endgültig unfinanzie­rbar werden.

Auch Europas Konjunktur­motor Deutschlan­d stehen magere Jahre ins Haus. Die EU erwartet heuer ein Plus von 1,1 statt 1,8 Prozent. Nach neun Jahren Wachstum fangen die Exporte und die Binnenkonj­unktur an zu schwächeln. Die wichtige Autobranch­e in Deutschlan­d kämpft mit der Umstellung auf das neue Abgastestv­erfahren WLTP. Viele Konzerne haben ihre Produktion gedrosselt, was die ganze Wirtschaft bremste. Österreich lebt vom Konsum

Die Prognose für Österreich revidiert die Kommission von zwei auf 1,6 Prozent im heurigen Jahr. Zwar liegt das Land damit noch über dem Schnitt der Eurozone. Für ein wirklich kräftiges BIP-Plus sei das Investitio­nswachstum im Land allerdings „zu moderat“.

Die größte Stütze für die heimische Konjunktur werde in den kommenden Jahren der Konsum sein. Das deckt sich mit der Einschätzu­ng der beiden führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute IHS und Wifo. Erstmals seit Langem sind die Reallöhne der Österreich­er in den vergangene­n beiden Jahren wieder gestiegen. Und das dürfte auch vorerst so weitergehe­n, erwarten die Ökonomen.

Zum Schluss die guten Nachrichte­n von EZB und EU: Der Arbeitsmar­kt in der Eurozone sei trotz der konjunktur­ellen Schwächeph­ase intakt. Aktuell sind mehr EU-Bürger beschäftig­t als je zuvor. Auch die EZB erwartet mittelfris­tig eine Erholung in der EU. Ihre Gründe: höhere Löhne, niedrige Energiepre­ise – und billiges Geld.

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