„Herbert K., du Vorzimmerrassist“
Politischer Schlager. Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann teilte bei seinem einzigen Österreich-Auftritt in zwei neuen Liedern gegen den Innenminister und die FPÖ aus.
Jan Böhmermann liegt viel an Österreich. Das spürt man in seiner ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“, das liest man aus vielen seiner Tweets, und das war auch beim einzigen Österreich-Konzert im Wiener Gasometer zu merken. Seit Jänner ist er auf Tour mit dem 15-köpfigen Rundfunkorchester Ehrenfeld, was zwar nach Max Raabe oder Comedian Harmonists klingt, aber doch kaum etwas damit zu tun hat.
Sprachlich angepasst war schon Böhmermanns Begrüßung: „Österreich, heute Abend kill ich dich, du Hurenkind“. Und es folgte noch mehr Lokalkolorit: „Was gibt es Schöneres, als einem hageren Deutschen an Falcos Todestag dabei zuzuhören, wie er sich über Österreich lustig macht?“Er habe „das ungute Gefühl, dass Deutsche im Raum sind“, deshalb wolle er an diesem „politischen Schlagerabend“zwischen Piefkes und Ösis musikalische Brücken bauen.
Zu seinem festen Repertoire gehören (auch in seiner Sendung) Anspielungen auf die österreichisch-deutsche Geschichte, sie kamen auch an diesem Abend: „München ist nur eine halbe Panzerstunde von Salzburg entfernt, aber diesmal muss es ja nicht so weit kommen.“Oder: „Wenn ein abgebrochener deutscher Künstler in Österreich gut ankommt, das wäre die historische Rache.“
Mit Sonnenbrille, Schnauzbart, langem Pelzmantel und Goldglitzerhose war er fast pünktlich auf die Bühne gekommen und hatte gleich klargestellt, worum es an diesem Abend eher nicht gehen sollte: um musikalische Exzellenz. Seine erste gesungene Textzeile lautete: „Sollte ich, bevor ich sterbe, ein echter Sänger werden?“Böhmermann weiß: Selbstironie zieht in der Generation YouTube immer noch am besten.
Nach bekannten Hits, wie dem Gaga-Song „Baby Got Laugengepäck“oder dem ernsteren Arbeiterlied „Wir sind die Versandsoldaten“folgte eine Überraschung. Böhmermann hatte zwei Lieder für das Wiener Publikum im Gepäck, die er so einleitete: „Ich freue mich, endlich mal Spaß in Österreich zu mache, weil ich habe das Gefühl, ihr habt das nötiger.“Den in Österreich weniger bekannten Song über einen klein geratenen deutschen Polizeigewerkschafter dichtete er auf Österreichs Innenminister um – was das Wiener Publikum mit lautem Jubeln und Johlen quittierte, ihm seither im Netz allerdings auch viel Kritik einbringt. Im Refrain heißt es etwa: „Wer fürchtet sich vor Wahrheit und einer freien Presse, wer denkt ihm selbst persönlich gehört die Polizei und sieht dabei so aus wie ein geschrumpfter Reinhard Mey; Herbert K., du kleiner Vorzim- merrassist.“Gleich darauf folgte die AntiFPÖ-Hymne „Das Volk ist wieder im Nationalrat zurück“, in der Böhmermann mit österreichischem Akzent davon sang, was passiert, „wenn Kneissl holpert und Hofer stolpert“: „Bald wird hier allein regiert – solang Sebastian Kurz schweigt.“
Böhmermanns Satire funktioniert deswegen besser als die anderer, weil sie Erwartbares mit Überraschendem mischt und so direkt Kritik an rechtspopulistischen Politikern formuliert, wie sonst kaum jemand. Dass sie zu Redundanzen und Banalität neigt, ist schade, sein Publikum verzeiht ihm das. Wobei die Politik nur einen kleinen Teil in dieser Show ausmachte.
Da war auch sehr viel „Neo Magazin Royale“drin an diesem Abend. Der aus der Sendung bekannten Julia Becker gelang es im Gasometer leider nicht, die starke feministische Botschaft aus ihrer im Netz erfolgreichen „Scheiden“-Hymne („Wir haben eine Scheide, schuld ist unsere Scheide“) zu transportieren. Erst gegen Ende spielte Böhmermann sein derzeit bekanntestes Lied, die Schlagerparodie „Menschen Leben Tanzen Welt“, eine von Affen „komponierte“Aneinanderreihung von Kalendersprüchen. Und plötzlich stand Mizzy Kramer von Bilderbuch auf der Bühne und legte ein kleines Gitarrensolo ein. Der Rest der Band klatschte im Publikum.