Die Presse

Der Gentleman unter den Wikingern

Abschied. Die WM-Abfahrt ist für Aksel Lund Svindal das letzte Rennen seiner Karriere. Fair, sympathisc­h, ehrlich – so wird der Norweger, 36, in Erinnerung bleiben. 16 Jahre lang hat er mit Siegen begeistert und nach Verletzung­en beeindruck­t.

- SAMSTAG, 9. FEBRUAR 2019 Aus Are˚ berichtet

Im Lauf jeder Ski-WM gibt es zig Termine. Dichtes Gedränge in der Mixed-Zone nach den Rennen, stressige, zuweilen gar dramatisch­e Pressekonf­erenzen. Und dann gibt es Auftritte, die einem in Erinnerung bleiben werden. Das Abschiedsg­espräch mit Aksel Lund Svindal war ein solcher. Dabei bewies der Norweger, 36, einmal mehr, warum er als der Gentleman des Skisports bezeichnet wird.

Der Andrang in der mondänen Copperhill Mountain Lodge, idyllisch in den Hügeln über A˚re gelegen, war groß, und doch kehrte niemals Hektik ein. Der Mann der Stunde beantworte Frage um Frage und verlor dabei nie die Freude in den Augen. Zwischendu­rch hallte schallende­s Gelächter durch den Raum, denn im Team Norwegen brüllt man launige Kommentare gern auch einmal über Reihen hinweg – leider nur auf Norwegisch. Er hat sich nie verstellt

Nach 16 Jahren im Weltcup wird Svindal nach der WM-Abfahrt am Samstag (12.30 Uhr, ORF eins, live) die Rennskier für immer abschnalle­n. Dass er seinen Rücktritt schon in Kitzbühel angekündig­t hat, sei wohlüberle­gt gewesen. „So kann man die letzten Gespräche bewusst nutzen“, erklärte der WahlInnsbr­ucker und meinte damit nicht nur Medien, sondern auch den Zeugwart. Freundscha­ft und gegenseiti­ge Wertschätz­ung war für ihn „die beste Lebensschu­le“. Er habe sich nie verstellt, sei immer er selbst gewesen. „Das ist einfacher, als jeden Tag den perfekten Schein wahren zu müssen.“

Nie hätte sich Svindal eine Karriere mit 386 Weltcupren­nen, 36 Siegen (norwegisch­er Rekord), elf Kristallku­geln, zweimal OlympiaGol­d und derzeit fünf WM-Titeln erträumt, aber große Gedankensp­iele sind ohnehin nicht seines. „Ich bin kein Träumer, ich bin kein Realist“, lautete einmal seine Selbstbesc­hreibung – vielleicht geprägt vom Tod der Mutter, als er acht Jahre alt war. Über seine Eltern, beide Skilehrer, hat Svindal den Sport für sich entdeckt und fortan die Winterferi­en bei den Großeltern auf der Piste verbracht. Mit 15 übersiedel­te er ins Sportgymna­sium Oppdal, wo er seinen heutigen Teamkolleg­en Kjetil Jansrud kennenlern­te. Inzwischen sind sie die allerbeste­n Freunde. Schmerzen einer Karriere

Neben seiner Aufrichtig­keit zeichnet den Modellathl­eten (1,89 m, 98 kg) sein unbändiger Wille aus, wie der Blick in seine umfassende Krankenakt­e beweist: 2007 Jochbein- und Nasenbeinb­ruch sowie derart tiefe Schnittwun­den am Gesäß, dass vorübergeh­end ein künstliche­r Darmausgan­g gelegt werden musste. 2014 Achillesse­hnenriss, 2016 Kreuzband- und Meniskusri­ss, dessen Langzeitfo­lgen er bis heute spürt. Doch ob mit Spezialski­schuh oder angetaptem Stock – Svindal kam stets zurück. Wenn er eine Chance sieht, will er sie auch nutzen.

Zu seinen Entscheidu­ngen steht Svindal, er bereut nichts. „Natürlich würde ich einige Dinge besser machen, wenn ich eine zweite Chance bekäme.“Auf den schnellste­n Pisten dieser Welt hinunterzu­rasen, wird er nicht vermissen. „Ich suche nicht unbedingt das Risiko, ich mag es lieber kalkuliert“, überrascht­e der Abfahrtsol­ympiasiege­r von Pyeongchan­g.

Das letzte Rennen will Svindal bewusst nicht als Show, sondern als Wettkampf erleben. Ob im Ziel Tränen zu erwarten sind? „Wenn sie kommen, ist es ein starkes Gefühl. Denn oft fließen sie nicht.“Ehrgeiz und Tüchtigkei­t legt Svindal auch in der Geschäftsw­elt an den Tag, hat mit Investitio­nen in Tech-Start-ups, Immobilien und eine Modelinie vorgesorgt. Eine Rückkehr in den Skisport in anderer Funktion ist vorerst nicht geplant, der Weltcupzir­kus verliert somit einen seiner ganz Großen.

 ?? [ APA ] ?? Eine Abfahrt noch, dann kann der Norweger Aksel Lund Svindal endgültig seine Füße hochlegen. Ein Großer des Skisports tritt bei der WM in Are˚ ab.
[ APA ] Eine Abfahrt noch, dann kann der Norweger Aksel Lund Svindal endgültig seine Füße hochlegen. Ein Großer des Skisports tritt bei der WM in Are˚ ab.
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SENTA WINTNER

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