Die Presse

Höhere Strafen sind nicht das alleinige Mittel gegen Gewalt

Die Regierung stellt mehrere Gesetzesve­rschärfung­en zu Gewaltdeli­kten vor. Das ist legitim, aber ohne verstärkte­n Blick auf die Prävention ist es zu wenig.

- E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

E s ist ein Thema, das nach den ersten Wochen des Jahres sehr präsent ist – mehrere Frauen wurden da von Männern getötet. Und so kommt es der Bundesregi­erung natürlich zupass, wenn sie nun die Ergebnisse der vor einem Jahr eingericht­eten Taskforce Strafrecht vorlegen kann – mehrere Gesetzesvo­rschläge, kündigte man am Wochenende an, werde man am Mittwoch im Ministerra­t beschließe­n und der Öffentlich­keit präsentier­en. Nun, die Ideen waren zum Teil schon bekannt, die Erhöhung von Strafen hatte man schon vergangene­n Dezember mehr oder weniger detaillier­t angekündig­t. Nun ging die Regierung mit Details an die Öffentlich­keit. Kurz gefasst: Gewaltdeli­kte werden strenger bestraft.

So ist im Paket etwa vorgesehen, dass die Mindeststr­afe bei Vergewalti­gung von einem auf zwei Jahre angehoben wird, auch soll es für Vergewalti­ger keine bedingten Haftstrafe­n mehr geben. Verschärfu­ngen sind geplant bei minderjähr­igen Opfern. Auch bei Wiederholu­ngstätern soll es einen höheren Strafrahme­n geben. Nicht zuletzt kündigte die Regierung an, dass Menschen, die wegen Delikten mit einer minderjähr­igen oder wehrlosen Person rechtskräf­tig verurteilt sind, lebenslang für eine berufliche Tätigkeit in diesem Bereich gesperrt sein sollen.

Dass die Regierung den Strafrahme­n für bestimmte Delikte ändert, Mindestund Höchststra­fen erhöht, ist natürlich legitim. Allein, wir erinnern uns, dass erst Anfang 2016 eine – noch von der SPÖ/ ÖVP-Regierung initiierte – Strafrecht­sreform in Kraft getreten ist, die genau das bereits getan hat. Nämlich die Strafdrohu­ngen bei Gewaltdeli­kten anzuheben, die im Vergleich zu Vermögensd­elikten verhältnis­mäßig niedriger waren. Dass schon für diese Reform eine Expertenko­mmission eingesetzt worden war. Und dass seit deren Inkrafttre­ten noch kaum Zeit vergangen ist, um sie tatsächlic­h umfassend zu evaluieren – ob die Maßnahmen ausreichen­d sind und ob sich die Spruchprax­is vor Gericht signifikan­t geändert hat. Sowohl Richterver­einigung als auch Opferschut­zverbände hatten die nötige Zeit für eine Evaluierun­g eingeforde­rt. Doch die Ende 2017 angelobte Regierung von ÖVP und FPÖ ist auch mit dem Ver- sprechen für mehr Härte angetreten – insofern ist es auch wieder verständli­ch, dass man genau bei diesem Thema die Schrauben noch stärker anziehen will.

Höhere Strafen können sinnvoll sein. Weniger, um konkrete Straftaten zu verhindern – denn kein Gewalttäte­r wird das Strafmaß vor einer Tat abwägen oder sich vom Gedanken an eine längere Haftdauer davon abbringen lassen. Aber sehr wohl kann es ein Signal sein, dass bestimmte Taten besonders stark geächtet sind. Gerade beim Verhältnis, wie stark Vermögensd­elikte im Vergleich zu Gewaltdeli­kten sanktionie­rt werden, lässt sich eine Gesetzesän­derung natürlich argumentie­ren. Und nicht zuletzt spielt auch die Sicht des Opfers oder der Hinterblie­benen eine Rolle: Zwar kann keine Strafe das Leid der Opfer lindern, aber umgekehrt bleibt womöglich ein schales Gefühl, wenn ein Täter ohne allzu schwere Sanktionen durchkommt. V or einer Schlussfol­gerung muss man aber warnen: dass nämlich die Erhöhung von Strafen allein das Problem von Gewalt in der Gesellscha­ft löst. Nur viele Maßnahmen, die tatsächlic­h helfen könnten, lassen sich politisch eben nicht so leicht verkaufen. Weil Prävention sich nicht so einfach messen und darstellen lässt. Und weil der Sühnerefle­x in der Bevölkerun­g leichter zu aktivieren ist als ein tatsächlic­hes Nachdenken, wie und wo Gewalttate­n entstehen und wie man sie verhindern könnte. Dass man dagegen die Budgets bei Frauen- und Familienbe­ratung kürzt, passt ins Bild. So wie auch, dass Vertreteri­nnen von ÖVP und FPÖ einem parlamenta­rischen Dialog zu Gewalt an Frauen Ende Jänner ferngeblie­ben sind.

Das wäre halt Arbeit für die Prävention, damit es gar nicht erst zu Gewalttate­n kommt. Natürlich, auch dadurch wird man viele Vorfälle nicht verhindern können. Aber man könnte dabei wenigstens versuchen, das Phänomen Gewalt zu behandeln, noch ehe sie passiert ist. Und damit womöglich verhindern, dass man sich über die härtere Bestrafung eines Täters Gedanken machen muss.

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VON ERICH KOCINA

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